Jetzt zum Antrag konkret. Welche Unterstützung bietet die Landwirtschaft den Landwirten? Liquiditätsbeihilfen, Über brückungsdarlehen, steuerliche Erleichterungen. Meine Da men und Herren, Herr Minister, die Betriebe sind schon ins
Wasser gefallen. Es ist nicht verhindert worden, dass sie eine Liquiditätskrise haben, dass sie steuerliche Erleichterungen brauchen. Mit solchen Maßnahmen wird nichts verbessert, sondern es wird überbrückt. Es geht aber um eine substanziel le Verbesserung der Einnahmesituation der Landwirte. Die Existenzkrise ist durch Liquiditätsbeihilfen nicht zu bekämp fen.
Ihre Vorlage enthält z. B. kein Wort darüber, was gerade im Milchwesen, im Genossenschaftswesen usw. an Marktstruk turen, an Marktmachtverschiebungen notwendig wäre. Wir haben heute Marktstrukturen, die, falls wir diese Marktstruk turen nicht ändern, nicht anpassen, nicht in die internationa len Märkte passen.
Wir haben fünf große Lebensmittler und 300 Milchgenossen schaften in Deutschland. Dies ist ein Ungleichverhältnis von Angebot und Abnahme. Wer hier den Preis bestimmt, ist of fensichtlich. Deshalb brauchen wir neue Marktstrukturen und brauchen wir exemplarisch im Bereich Milch als größtem Ein zelsektor in der Landwirtschaft eine bessere Wettbewerbsfä higkeit, eine bessere Exportmöglichkeit mit neuen Strukturen.
Deswegen zum Schluss: Meine Damen und Herren, die Markt strukturen stimmen nicht, sie passen nicht. Die Wertschöp fung stimmt nicht und passt nicht. Milchländer wie Italien oder Frankreich erlösen um ein Drittel höhere Erträge für ei nen Liter Milch. Wir müssen die Wertschöpfung stärken. Bei spielsweise können wir sie durch die Biolandwirtschaft stär ken. Wir müssen die Förderung der Umstellung verbessern, und wir dürfen – das als Schlusswort – unser Geld nicht mit der Gießkanne ausschütten, sondern müssen es ganz gezielt für die Pflanzen einsetzen, die es am dringendsten brauchen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Wertschöpfung in der Landwirtschaft sinkt seit vielen Jahren. Die EU hat festgestellt, dass sie im Schnitt bei nur noch knapp 20 % liegt – vor ein paar Jahren waren es noch 28 %. Dies ist einer der Gründe, warum die EU sagt, wir müssten in der anstehenden EU-Agrarreform etwas für die Landwirtschaft tun.
Gerade haben wir gehört, dass die billigen Lebensmittel zum Wohlstand vieler geführt haben. Aber genau diese billigen Le bensmittel haben auch zur Verarmung sehr vieler Landwirte beigetragen.
Wir reden darüber, dass Landwirte heutzutage von ihrer Pro duktion, also dem Erzeugen von Lebensmitteln, gar nicht mehr leben können. Ohne qualifizierte Unterstützung durch den Staat würden Landwirte heute gar nicht mehr überleben können. Fast die Hälfte der Einnahmen landwirtschaftlicher Betriebe sind staatliche Zahlungen.
Der Antrag wurde zu einem Zeitpunkt eingebracht, als die Milchbauern auf die Straße gingen und gesagt haben: „Mit je
dem Liter Milch, den wir erzeugen, zahlen wir drauf.“ Sie ha ben sich von der Politik wie auch von den eigenen Verbänden im Regen stehen gelassen gefühlt.
Die Schwankungen auf dem Markt, was Preise und Erlöse von Milch und Getreide anbelangt – es ist gerade angesprochen worden –, sind gigantisch. Sie steigen von Jahr zu Jahr.
Insofern stellt sich die Frage nach der konkreten Situation der Landwirte. „Wir sind ein verlässlicher Partner der familiären bäuerlichen Betriebe“, so klingt es immer wieder.
Auf der anderen Seite gibt es einen Strukturwandel, der dazu führt, dass 2 % bis 3 % der Betriebe pro Jahr dichtmachen und dann nicht mehr existieren.
Wo gibt es noch eine andere Branche, die über Jahre und Jahr zehnte solch einen gravierenden Verlust an Betrieben und an darin arbeitenden Menschen hat?
Ich möchte einfach einmal erleben, wie es wäre, wenn wir so etwas hier im Parlament von Baden-Württemberg hätten – wir sind 139 Abgeordnete –, wenn wir also sagen würden, jedes Jahr hätten zwei, drei oder vier Abgeordnete wegzugehen, und dazu sagten, dies sei überhaupt kein Verlust, weil die anderen das locker wettmachen würden,
sondern dies bringe qualitativ eigentlich sogar noch eine Stei gerung, eine Effizienzverbesserung mit sich.
Das wären also zwei von der CDU, je einer von der SPD und den Grünen und alle zwei Jahre einer von der FDP/DVP – da mit es nicht so wenige werden.
Ich glaube, dann würde es hier schnell eine andere Variante geben, nämlich den Appell: Unterstützt und rettet das Landes parlament! Was die Landwirte angeht, ist so etwas jedoch lei der nicht passiert.
Das Bruttojahreseinkommen eines landwirtschaftlichen Be triebs pro Familienarbeitskraft schwankt zwar über die Jahre hinweg, liegt jedoch im Schnitt bei etwa 20 000 €. Das ist im Vergleich zu anderen Beschäftigten nicht gerade gravierend viel. Man kann also ganz bestimmt nicht sagen, dass hier Freu de herrsche und dass es hier prima in die Zukunft gehe.
Die Europäische Union sagt in ihren Papieren zur Agrarre form, die Landwirtschaft werde grüner. Das ist auch richtig so. Die Landwirtschaftspolitik in Baden-Württemberg hat sich komplett isoliert. Sie hat sich von der Agrarpolitik der Euro päischen Union isoliert. Sie hat sich z. B. auch von der Wis senschaft isoliert.
Ich möchte zum Abschluss eine Frankfurter Zeitung vom 24. Oktober 2010 zitieren, in der zu lesen war, dass 30 Agrar ökonomen eine Reform fordern.
Die bisherige Agrarförderung verfehle ihre wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben... Sie diene weder der För derung von Artenvielfalt, Tierschutz und Klimaschutz noch der Landschaftspflege oder der Schaffung eines fai ren Wettbewerbs. Dennoch seien nicht nur Agrarstaaten wie Deutschland und Frankreich, sondern auch die Eu ropäische Kommission und das Europaparlament offen bar nicht willens, die anstehende Diskussion über die Zu kunft der Agrarpolitik für tiefgreifende Reformen zu nut zen... Sie beugten sich der Agrarlobby und wollten den Status quo bewahren.
Zum Abschluss sagen die Professoren zu den Direktzahlun gen, die immer wieder im Gespräch sind – nach wie vor Zitat FAZ –:
Die Direktzahlungen sollten schrittweise gestrichen wer den. Sie würden den Bauern ohne Gegenleistung gewährt, heißt es in der Erklärung.
Sinnvoller sei es, diese für die Erfüllung von Aufgaben wie dem Klimaschutz zu bezahlen. Den Lebensstandard auf dem Land zu sichern sei nicht Aufgabe der Agrar-, sondern der Sozialpolitik. Kern der Agrarpolitik solle die Förderung einer klima- und umweltfreundlichen Land wirtschaft sein.
Die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte werde am bes ten gefördert, wenn sich die EU am Markt orientiere und etwa auf Exportsubventionen verzichte.
Sie sehen an diesen Ausführungen: Die Agrarpolitik aufsei ten der Wissenschaft unterscheidet sich diametral von dem, was hier im Land Baden-Württemberg gefahren wird.
Die EU-Agrarpolitik läuft diametral in eine andere Richtung. Gott sei Dank läuft sie in eine andere Richtung, sonst hätten