Deshalb wenden Sie sich – das wurde in Ihrer Rede deutlich – natürlich gegen den Untersuchungsausschuss.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Unsere Polizisten werden mit Feuerwerkskörpern beworfen! Das ist normal für Sie!)
Deshalb wollen wir den Untersuchungsausschuss. Denn es wurde auch sehr schnell klar – schon bei der ersten bewerten den Pressekonferenz am 1. Oktober, aber insbesondere am 5. Oktober –, dass ein Aufklärungsinteresse auf Ihrer Seite gar nicht vorhanden ist. Das Urteil war schon gefällt: Es waren vermeintlich Demonstrierende. Der Satz „Der Einsatz der Po lizei war verhältnis- und rechtmäßig“ war von Anfang an zu hören.
Sie haben dichtgemacht. Sie haben Ihre übliche Wagenburg mentalität – die Sie zugegebenermaßen beherrschen – ausge breitet, und so ist es seitdem.
Jedem Beteiligten war klar: Wir werden in dieser so einschnei denden Frage um eine gründliche parlamentarische Untersu chung nicht herumkommen.
Ich sage Ihnen auch, warum. Es ist kein Problem der Grünen oder der SPD im Landtag. Dieses Ereignis war einschneidend, die Bilder gingen um die ganze Welt. Diese Bilder fangen Sie übrigens nie mehr ein. Das wissen Sie auch. Es war so ein schneidend, dass sich viele Tausend Menschen in Stuttgart, im Land, in der Republik und darüber hinaus bis zum heuti gen Tag die Frage stellen: Wie konnte es denn so weit kom men? Was ist dafür ursächlich gewesen? Was ist passiert, dass ein Kurs der Deeskalation, der stattgefunden hat und auch er folgreich war, aufgegeben wurde?
Stichwort „Abriss des Nordflügels“: Da werden auch Sie nicht behaupten, es habe gewalttätige Demonstrationen dagegen ge geben. Sie werden das nicht sagen, und Sie haben es auch nicht gesagt.
(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das fragt der Mann, der eine neue Demokratie will! – Zurufe der Abg. Hans Heinz und Andrea Krueger CDU)
Was ist am 30. September passiert, dass es diesen Strategie wechsel gegeben hat? Es ist doch vollkommen klar, dass die se Frage aufgeklärt werden muss. Sie bewegt Tausende von Bürgerinnen und Bürgern. Wir müssen den Bürgern diese Fra ge beantworten. Sie haben einen Anspruch darauf. Es gibt Ver letzte. Es gibt sogar Menschen, die ihr Augenlicht verloren haben. Es gibt junge Menschen, die eine schlimme Lektion in Staatsbürgerkunde erhalten haben.
wie die Verletzungen von Demonstrierenden. Das ist über haupt keine Frage. Natürlich haben wir das getan.
Ich habe dies persönlich mehrfach in Diskussionen mit Poli zisten und Gewerkschaften der Polizei zum Ausdruck ge bracht. Was soll das denn hier? Selbstverständlich ist jeder Verletzte ein Verletzter zu viel. Das ist das Thema.
(Abg. Albrecht Fischer CDU: Aber die haben sich nicht selbst verletzt! – Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Achtung! – Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)
Wir haben nun einmal begründeten Anlass für die Annahme, dass nicht einfach die Polizei irgendwann am Vormittag des 30. September gesagt hat: Heute müssen wir irgendwie ein mal härter durchgreifen und den Strategiewechsel vollziehen. Vielmehr haben wir Anlass zu der Annahme, dass die Politik da kräftig mitgemischt hat.
Denn es ging ja auch um etwas. Weil es so ist, müssen wir uns auch die Frage stellen, Herr Ministerpräsident: Worum geht es bei dieser Auseinandersetzung im Kern? Es geht im Kern um die Frage: Wie geht ein Staat mit Protesten seiner Bürge rinnen und Bürger um, insbesondere dann – das ist für uns al le in dieser Qualität in Baden-Württemberg neu –, wenn die se Bürgerinnen und Bürger eine in ihrer Vielzahl und Ent schiedenheit nie gekannte oder nie für möglich gehaltene Mas senbewegung – so wie in Stuttgart – darstellen? Das hat Sie selbstverständlich überrascht. Damit konnten Sie und können Sie bis zum heutigen Tag nicht umgehen, zumal wenn diese Massenbewegung die Regierung auch noch massiv unter Druck setzt und wenn diese Bürger in ihrem Anliegen, in ih rem Begehren eben besonders hartnäckig sind.
Die Antworten auf diese Fragen muss man finden. Auch da für muss es einen Untersuchungsausschuss geben. Für uns ist die politische Antwort – ohne Bewertung der einzelnen Vor gänge – in jedem Fall klar: In einer zivilen Gesellschaft muss eine Regierung ein solches Problem auch zivil lösen. Sie muss den Dialog führen,
sie muss sich den Bürgerinnen und Bürgern stellen, und sie muss vielleicht sogar – Stuttgart 21 gibt begründeten Anlass dazu – Konsequenzen aus der Ablehnung ihrer Position und ihrer bisherigen Politik ziehen.
Für Sie – dafür gibt es Anlässe – war zumindest am 30. Sep tember diese Antwort offensichtlich nicht klar. Entweder es hat Sie überrascht, oder Sie haben mit diesem Polizeieinsatz vorsätzlich oder fahrlässig die falsche Antwort gegeben.
(Abg. Peter Hauk CDU: Sie sollten aber die Hände aus der Hosentasche nehmen, wenn Sie mit dem Par lament sprechen!)
(Zurufe von der CDU – Gegenrufe von den Grünen – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das war unverhält nismäßig!)
Es ging am Vormittag des 30. September los, als über 1 000 Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 13 und 17 Jah ren