Minister für Bundes-, Europa- und internationale Ange legenheiten Dr. Wolfgang Reinhart: Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen! Wir besprechen heute das Ge setz zum Vierzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Im Mittelpunkt dessen steht dieser Rundfunkänderungsstaatsver trag, den die Ministerpräsidenten am 10. Juni 2010 unterzeich net haben. Inhaltlich steht dort die Verbesserung des Jugend schutzes im Internet im Mittelpunkt. Der eingebrachte Gesetz entwurf dient der Umsetzung dieses Staatsvertrags, und nach dem weitere landesrechtliche Anpassungen nicht vorzuneh men sind, beschränkt sich unsere Aufgabe damit auf die Ra tifizierung dieses Staatsvertrages, beschränkt sich das erfor derliche Gesetz auf die Zustimmung zu dem Vertrag.
Neben den Ergebnissen einer wissenschaftlichen Evaluierung bisheriger Regelungen waren die Ergebnisse des Experten kreises Amok der Landesregierung und auch des Sonderaus schusses „Amoklauf“ des Landtags wesentliche Impulse für die nun geplanten Änderungen. Inwieweit diese Ergebnisse in dem Staatsvertrag umgesetzt werden, stellt auch der heute un ter Tagesordnungspunkt 12 b zu behandelnde Bericht der Lan desregierung sehr ausführlich dar.
Im Laufe der Verhandlungen hat sich gezeigt, dass es ange sichts der rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen die beste Lösung darstellt, einen für Kinder und Jugendliche geeigneten Internetzugang durch Filterprogramme zu ermög lichen, die Eltern hierzu auf einem PC installieren können. Diese Programme sollen vor allem auf technisch auslesbare Alterskennzeichnungen auf Internetseiten zugreifen. Für die
Entwicklung und Verbreitung dieser sogenannten Jugend schutzprogramme werden in dem Staatsvertrag entscheiden de Impulse gesetzt. Insbesondere sollen Zugangsprovider ver pflichtet werden, an der Entwicklung und auch an der Verbrei tung von solchen Jugendschutzprogrammen mitzuwirken. Wir gehen übrigens davon aus, dass solche Programme voraus sichtlich ab Mitte 2011 verfügbar sein werden.
Außerdem wurden Möglichkeiten gefunden, dem Jugend schutz in Internetforen und auch in sozialen Netzwerken zu mehr Geltung zu verhelfen. Nach allgemein für das Internet geltendem Recht sind Betreiber solcher Plattformen zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, von Nutzern eingestellte In halte zu überwachen – das wird auch in Zukunft so sein –; al lerdings soll es zukünftig möglich sein, auch Internetforen und soziale Netzwerke mit einer Alterskennzeichnung zu verse hen, denn dadurch hätte der Anbieter den Vorteil, dass das An gebot auch beim Einsatz eines Jugendschutzprogrammes für die entsprechende Zielgruppe zugänglich wäre.
Diese Kennzeichnung setzt jedoch voraus, dass jugendschutz relevanten Inhalten mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, beispielsweise durch eine redaktionelle Betreuung des Ange bots
Damit modernisiert und verbessert der Staatsvertrag, den wir heute per Gesetzentwurf zur Zustimmung vorliegen haben, den Jugendschutz im Internet, ohne die Informations- und Meinungsfreiheit – das ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht immer die andere Seite der Medaille – zu beeinträchtigen.
Da hier jedoch völlig neue Wege gegangen werden, sollen die se Regelungen bereits nach einem Zeitraum von drei Jahren evaluiert werden. Wir werden uns bis dahin dafür einsetzen, dass staatliche Stellen, Unternehmen und auch Selbstkontroll einrichtungen engagiert und – das darf ich hinzufügen – auch konstruktiv mit diesen Regelungen umgehen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Präsident, lieber Herr Minister Reinhart! Die Rundfunkänderungsstaatsverträge, die fast im jährlichen Rhythmus hier im Haus beraten werden, hatten früher häufig den Unmut aller Fraktionen und insbesondere der Opposition darüber heraufbeschworen, dass wir zwar zum Abnicken er forderlich sind, aber ansonsten nicht einbezogen werden. Die se Textbausteine können wir seit den letzten Rundfunkände rungsstaatsverträgen ad acta legen; die brauchen wir nicht mehr.
Ich möchte mich zunächst einmal beim Staatsministerium da für bedanken, Herr Minister Reinhart, dass wir im Ständigen Ausschuss rechtzeitig hierüber beraten durften, dass wir dies
Herr Minister, Sie haben dargestellt, dass der Jugendmedien schutz im Vordergrund steht, dass aber auch die Gratwande rung versucht wird, die Informations- und Meinungsfreiheit der Erwachsenen nicht allzu sehr einzuschränken. Für die CDU-Landtagsfraktion möchte ich aber ganz klar zum Aus druck bringen, dass für uns der Jugend- und Kindermedien schutz bei dieser Gratwanderung Vorfahrt hat.
Allerdings stellen wir fest, dass der Staatsvertrag zum Jugend medienschutz bei allem guten Willen, der dahintersteht, auch nach der Evaluierung und möglicherweise auch in drei Jah ren noch immer ein Papiertiger sein wird.
Leider werden das Land Baden-Württemberg und die Bun desrepublik Deutschland nicht alles, was an Perversitäten, an Grausamkeiten und an Gräueltaten ungeschützt im Internet empfangbar ist, effektiv genug kontrollieren und verhindern können. Hier hinken wir den technischen Möglichkeiten hin terher.
Deswegen ist das wichtig, was auch der Herr Minister zum Ausdruck gebracht hat: Durch die Protokollerklärung, die das Land Baden-Württemberg dem Staatsvertrag angefügt hat, wird deutlich gemacht, dass wir die Möglichkeit zur nochma ligen Evaluation in drei Jahren und damit zugleich Chancen für eine grundlegende Neukonzeption des Jugendmedien schutzes im Internetangebot haben möchten. Diese wollen wir auch aufgreifen und nutzen. Nur so lassen sich maßgeschnei derte Lösungen finden, die dem Bedürfnis sowohl nach einem effektiven Erwerb von Medienkompetenz durch Kinder und Jugendliche als auch nach vorbeugendem Schutz vor jugend gefährdenden Inhalten Rechnung tragen.
In diesem Sinn freue ich mich auf eine fruchtbare Diskussion im Ständigen Ausschuss. Wir werden auch in der Zweiten Be ratung noch einmal das Wort hierzu ergreifen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind in der Tagesordnung zügiger vorangekom men, als wir das vorausgesehen hatten. Wir hatten zuvor den Fraktionen signalisiert, dass Punkt 4 der Tagesordnung erst nach der Mittagspause aufgerufen werden soll. Ich schlage daher vor, dass wir heute etwas früher in die Mittagspause ein treten und die Sitzung danach entsprechend früher wieder auf nehmen.
Dann müssen wir jetzt nicht sofort die für den Tagesordnungs punkt 4 als Redner vorgesehenen Kollegen verständigen.
Wir werden Punkt 4 gleich im Anschluss an Punkt 5 – Frage stunde – aufrufen. Für die Fragestunde ist nur eine Mündli che Anfrage angemeldet, sodass wir den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD – Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Baden-Württemberg –
Herr Präsident, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Herr Staatsminister Reinhart hat be reits die wesentlichen Inhalte des Vierzehnten Rundfunkän derungsstaatsvertrags geschildert. Kollege Pauli hat den Kern bestand dieses Rundfunkänderungsstaatsvertrags ebenfalls wiedergegeben, nämlich das Thema JugendmedienschutzStaatsvertrag.
Wir müssen in diesem Zusammenhang auch einen Blick zu rück auf die Debatte werfen, die gerade im letzten Jahr um dieses Thema entflammt ist. Sehr häufig kommt ja das Thema Jugendmedienschutz dann in die politischen Gremien und die Parlamente, wenn irgendwelche Dinge passiert sind. Das ge schieht immer dann, wenn wir – etwa bei den tragischen Ge schehnissen in Winnenden – erkennen müssen, dass junge Menschen mit dem, was sie an Medien konsumieren, offen sichtlich teilweise nicht zurechtkommen. Dieses Problem be trifft übrigens nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern es betrifft natürlich auch manche Erwachsene.
Es ist daher ein Kernanliegen von uns, mit diesem Vierzehn ten Rundfunkänderungsstaatsvertrag auch Antworten auf die Herausforderungen zu finden, die uns diese neue Medienwelt geradezu täglich in neuer Form stellt.
Diese Debatte weist natürlich verschiedene Pole auf. Es gab in der sogenannten Netzgemeinde große Befürchtungen, dass durch Änderungen im Medienbereich, etwa durch Verschär fungen beim Jugendmedienschutz, auch die Freiheit im Netz beeinträchtigt wird. Anfangs gab es da Ansätze, die eher in Richtung Zensur gingen. Das waren Gedanken der ehemali gen Bundesfamilienministerin Frau von der Leyen. Diese Überlegungen sind nun zum Glück vom Tisch.
Nichtsdestoweniger – hier gebe ich dem Kollegen Pauli voll kommen recht – muss es für uns von zentraler Bedeutung sein, Jugendliche und Kinder vor jugendgefährdenden Inhalten – im Gesetz lautet die Formulierung „entwicklungsgefährden de Inhalte“ – zu schützen.
Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir, auch wenn wir immer wieder die Freiheit im Netz und die Freiheit der Informationsbeschaffung sowie die Freiheit der Meinungsäußerung im Sinn haben müssen, versuchen, auf diese Geschehnisse und die veränderten Gegebenheiten Ant worten zu finden.
Aber – ich sage ausdrücklich: aber – wir werden mit unseren gesetzlichen Regelungen der Entwicklung immer hinterher hinken.
Die letzte Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsver trags erfolgte im Jahr 2003. Wir haben seither eine Evaluie rung durchgeführt. Wenn Sie sich in das Jahr 2003 zurückver setzen und dagegen den heutigen Stand betrachten, dann wis sen Sie, dass nicht nur sieben Jahre ins Land gegangen sind, sondern dass bei der Mediennutzung durch Kinder und Ju gendliche, aber auch durch Erwachsene quasi epochale Ver änderungen stattgefunden haben. Für Jugendliche ist es heu te völlig normal, über soziale Netzwerke, über Mediennut zung vernetzt und verknüpft zu sein und dabei so gut wie je den Inhalt beziehen zu können. Für uns alle hier in diesem Parlament, die in einer anderen Zeit aufgewachsen sind, ist dies etwas, was uns teilweise etwas ratlos dastehen lässt.
Wir müssen trotzdem auf diese neuartigen Probleme Antwor ten finden. Wir müssen es schaffen – diese Aufgabe scheint mir weit über den Bereich des Jugendmedienschutz-Staats vertrags hinauszureichen –, den Menschen in unserem Land, vor allem Kindern und Jugendlichen, die Medienkompetenz zu vermitteln, die sie brauchen, um in dieser medialen Welt einen Weg zu finden, der ihnen auch Werte vermittelt.
Nur dann können wir in den nächsten Jahren mit Recht zu uns selbst sagen: Wir haben getan, was ging, um nicht wieder solch tragische Geschehnisse, wie sie z. B. in Winnenden ein getreten sind, erleben zu müssen.
Dazu gehört u. a. auch eine Evaluierung dessen, was wir heu te beschließen. Staatsminister Reinhart hat es gesagt: Spätes tens nach drei Jahren muss natürlich evaluiert werden, ob die Maßnahmen, die wir jetzt einführen, auch funktionieren. Wenn die Entwicklung aber so weitergeht, wie wir sie heute erleben, dann – das prophezeie ich – wird der Zeitraum von drei Jahren zu lang sein. Wir müssen uns dann wahrschein lich schon zu einem früheren Zeitpunkt – ich hoffe, das ge schieht im Einvernehmen – die Wirksamkeit dieser Maßnah men genau anschauen und überlegen, wie wir gegensteuern können.