Protocol of the Session on October 6, 2010

Der Bauherr fragt sich, wie viel seine Baugenehmigung wert ist,

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: So ist es!)

wie verlässlich und funktionsfähig die Institutionen und die Regeln unseres Rechtsstaats noch sind.

Die gleichen Fragen stellt sich auch ein Unternehmer, der ei ne Bau- und Betriebsgenehmigung für eine Werkserweiterung in den Händen hält.

Die gleichen Fragen stellt sich auch ein auswärtiger Unter nehmer, der bei uns in Baden-Württemberg investieren und Arbeitsplätze schaffen will.

Die gleichen Fragen stellen sich die Franzosen, die für die ge meinsame europäische Magistrale in Vorleistung getreten sind

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

und ihre TGV-Strecke bis Straßburg – inklusive Bahnhofsum bau – ausgebaut haben.

(Zuruf der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

Die gleichen Fragen stellen sich die Österreicher, die gerade umfangreiche Streckenbaumaßnahmen auf über 300 km für die europäische Magistrale durchführen und aus dem Wiener Südbahnhof, einem Kopfbahnhof, den neuen Wiener Haupt bahnhof, einen Durchgangsbahnhof, machen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, ich sage deshalb: Stuttgart 21 ist seriös geplant, politisch mit breiter Mehrheit entschieden, rechtlich geklärt und solide finanziert.

Wir stehen bei den Projektpartnern und bei unseren europäi schen Freunden im Wort. Ich stehe zur Vertragstreue. Ich ste he zum Mehrheitsprinzip. Ich stehe zur Rechtssicherheit.

(Zuruf des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)

Deshalb steht die Landesregierung von Baden-Württemberg ohne Wenn und Aber zu Stuttgart 21.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zu rufe von der CDU: Bravo!)

Stuttgart 21 und die Neubaustrecke nach Ulm sind eine gro ße Chance für dieses Land. Wir sind bereit, für diese Chance einzustehen. Wir stellen uns den Protesten. Aber wir machen unsere Überzeugung nicht von gerade aktuellen, vermeintli chen Meinungstrends abhängig. Wir stehen verlässlich zu un seren Positionen, und ich blicke – ich sage das ganz bewusst, weil ich manches nicht für Zufall halte – bei wichtigen Fra gen nicht automatisch auf den nächsten Wahltermin, meine Damen und Herren.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Wen schau en Sie dabei an?)

Deshalb danke ich allen Besonnenen, die diese Verlässlich keit ebenfalls zeigen, die für dieses Generationenprojekt und für die Zukunftschance unseres Landes einstehen, auch wenn sie damit nicht den einfachsten Weg gehen.

Ich danke den beiden Regierungsfraktionen. CDU und FDP/ DVP haben in dieser schwierigen Frage immer Kurs gehal ten, aber zugleich das Gespräch gesucht.

Ich danke besonders unserem Landtagsvizepräsidenten Wolf gang Drexler, der es sich gewiss nicht leicht gemacht hat und der sich mit großem persönlichem Einsatz als Sprecher für Stuttgart 21 für das Bahnprojekt eingesetzt hat.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Und der Morddrohungen erhalten hat!)

Ich danke dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, dem Kollegen Claus Schmiedel. Die SPD-Fraktion im Verband Region Stutt gart hat am 28. September einen dringlichen Antrag in die Re gionalversammlung eingebracht. Herr Kollege Schmiedel ist Mitglied der SPD-Regionalverbandsfraktion, und er hat in der Debatte im Regionalparlament auch selbst klar Stellung ge nommen. Der Titel des SPD-Antrags lautete: „Für Stuttgart 21 – gegen ein Moratorium“.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau! Bravo! – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Tüchtig, tüchtig! – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Ich sage dies ohne jegliche Ironie, weil ich weiß, wie manche Diskussionen in großen Volksparteien ablaufen können: Ich bin überzeugt, dass sich nicht nur die beiden Kollegen, son dern auch viele andere in der Sozialdemokratischen Partei schwertun bei dem Dilemma, in das sie die Debatten – auch innerhalb der eigenen Partei – gebracht haben. Ich sage aus drücklich, dass sie dafür, wie sie sich verhalten, meinen vol len Respekt haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Die SPD-Landtagsfraktion will eine Volksabstimmung über Stuttgart 21 organisieren.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Na ja!)

Wir haben diesen Vorschlag sorgfältig prüfen lassen. Die re nommierten Professoren Paul Kirchhof und Klaus-Peter Dol de kommen übereinstimmend zu einer eindeutigen Bewer tung: Die Landesverfassung eröffnet keinen Weg für eine Volksabstimmung über das Konzept Stuttgart 21.

(Zuruf des Abg. Thomas Knapp SPD)

Meine Damen und Herren, damit eines klar ist: Auch wenn die Situation angespannt ist und die Emotionen hochkochen, kann es nicht unser Ziel sein, die Landesverfassung zum Ge genstand des Streits zu machen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sehr gut!)

Wir müssen uns auf unsere Verfassung verlassen können. Wir müssen unserer Verfassung vertrauen können. Wir können un sere Verfassung nicht zum Gegenstand von tagespolitischen und taktischen Erwägungen machen, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Meine Damen und Herren, ich bin in die Politik gegangen, weil ich etwas bewegen will, weil ich f ü r ganz konkrete Entscheidungen und Projekte einstehen und werben will. Ich will mich darum kümmern, was die Zukunftsprojekte für Ba den-Württemberg sind und wo wir für die junge Generation Arbeitsplätze schaffen, Wohlstand sichern, Chancen ergreifen können.

Ich finde es deshalb beunruhigend, dass der Geist des Verhin derns immer stärker in immer mehr Köpfe kommt. Deshalb

fällt es mir auch schwer, Herr Kretschmann, die Grünen in der Diskussion über Stuttgart 21 zu verstehen. Häufig sind sie ge genüber dem Straßenbau und auch gegenüber dem Flugver kehr skeptisch.

(Zuruf der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

Eigentlich hätte man erwarten können, dass zumindest ein so großes Schienenprojekt Ihre Unterstützung findet.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Jawohl! – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Aber es taugt halt nichts!)

Aber Sie sind in der Zwischenzeit nicht nur gegen Stutt gart 21, sondern Sie sind auch gegen den Neubau der Strecke Wendlingen–Ulm.

Ich bitte Sie, uns eine Frage zu beantworten: Was ist Ihr Kon zept für leistungs- und zukunftsfähige Mobilität in BadenWürttemberg?

(Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE: Nachhaltigkeit! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Gegenruf des Abg. Thomas Knapp SPD: Entschleunigung! – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

In unserer Debatte am 28. Juli 2010 in diesem Haus haben Sie gesagt: „Wir müssen die Verkehrsträger vernetzen.“ Genau das machen wir. Wir vernetzen mit Stuttgart 21, dem Filder bahnhof und der Neubaustrecke auf einzigartige Weise den Regionalverkehr, die Fernbahn, die Autobahn, den Flughafen und obendrein noch die Messe, meine Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)

Ich habe Verständnis dafür, dass Ihre Partei in Umweltfragen besonders sensibel ist. Das ist Ihr Kern, das ist Ihre Herkunft. Ich stimme Ihnen z. B. auch zu, dass wir den Ausbau der re generativen Energien fördern wollen.

(Lachen der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Dafür schaffen Sie gerade genau die richtigen Voraussetzungen!)

Dazu brauchen wir die richtige Infrastruktur. Aber wenn man diese Infrastruktur braucht, warum sind dann Grüne gegen das geplante Pumpspeicherkraftwerk Atdorf im Kreis Waldshut – also gegen genau die Stromspeicher, die wir für den Umstieg auf regenerative Energien unbedingt brauchen, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Hört, hört! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Unglaublich! Totalver weigerung! – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Vor Ort sind CDU-Gemeinderäte! – Zuruf des Abg. Jür gen Walter GRÜNE)

Warum bekämpfen die Grünen in Thüringen die sogenannte Südwestkuppelleitung, also genau die Stromnetze, die wir brauchen, um den Windstrom von den Küsten zu uns nach Ba den-Württemberg zu bringen?

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Hört, hört! – Abg. Jür gen Walter GRÜNE: Warum kämpft der Mappus ge gen Windkraftanlagen in Baden-Württemberg?)