Protocol of the Session on October 6, 2010

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU)

Deshalb gibt es keine Alternative zu dem Weg, den der Mi nisterpräsident aufgezeigt hat, nämlich zu versuchen, die Emotionen herunterzukühlen,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wie wollen Sie das denn machen?)

den Versuch zu unternehmen, die Menschen an einen Tisch zu bringen – die Projektbefürworter und die Projektgegner –, und zwar unter einer Moderation bzw. einer Mediation.

Ich empfehle Ihnen sehr, den Vorschlag des Ministerpräsiden ten aufzugreifen und nicht neue Hürden aufzubauen, um die sen Mediationsprozess zu verhindern.

Aber für die Landesregierung von Baden-Württemberg und für die sie tragenden Fraktionen ist eines klar: Dieses Projekt ist richtig, dieses Projekt ist zukunftweisend; dieses Projekt ist im Interesse des Landes Baden-Württemberg, und dieses Projekt ist in jeder Hinsicht demokratisch und juristisch legi timiert. Dieses Projekt wird im Interesse unseres Landes kom men.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf von der CDU: Jawohl!)

Für die Landesregie rung erteile ich der Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Gönner das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will die Gelegenheit nutzen, um auf einige Punkte, die im Laufe der Debatte – insbesondere von Ihnen, Herr Kretschmann, und von Ihnen, Herr Schmid – aufgeworfen worden sind, noch ein mal einzugehen. Denn ich glaube, wesentlich und wichtig für den heutigen Tag ist, dass das deutliche Signal nach außen geht: Die Landesregierung reicht die Hand zum Dialog.

Herr Kretschmann, ich widerspreche Ihnen ausdrücklich: Wir wissen, dass auch Bürgerliche an diesen Protesten beteiligt sind. Wenn Sie uns dies absprechen, dann muss ich das von uns weisen. Ich glaube, dass man auch immer wieder deutlich machen muss, dass wir diese Protestbewegung sehr genau be obachten. Aber, lieber Herr Kretschmann, ich glaube, zur Wahrheit gehört auch, dass es zwischenzeitlich auch eine gro ße Bewegung für dieses Projekt aus der Bürgerschaft heraus gibt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie der Abg. Thomas Knapp und Peter Hofelich SPD – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Ich finde, gerade wenn wir in einem Parlament über Bürger schaftlichkeit reden, muss man beide Seiten akzeptieren und respektieren. Deswegen halte ich es nicht für richtig, wenn Sie uns hier Realitätsverweigerung vorwerfen.

Sie sprachen davon, dass Kommunikationskonzepte notwen dig seien, und sagten, man müsse sich ernsthaft mit Argumen ten auseinandersetzen. Ich teile diese Einschätzung. Ich finde aber, dass jeder, der dies vorträgt, selbst auch bereit sein muss, genau dies zu tun.

Herr Kretschmann, ich kann Ihnen von einem Erlebnis berich ten, das ich gestern Abend auf dem Volksfest hatte und das mich nachdenklich gestimmt hat. Zu mir kam ein Bürger, der sagte: „Bleibt standhaft, dieses Projekt ist wichtig für BadenWürttemberg. Macht nichts anderes.“ Ich habe ihn gefragt, ob er denn bereit sei, einen Button zu tragen und sich so sichtbar für Stuttgart 21 einzusetzen. Seine Antwort war: „Nein, ich habe Angst.“

Lieber Herr Kretschmann, genau das ist das Problem, das wir in dieser Stadt seit August erleben. Es gibt eine nicht unerheb liche Anzahl von Menschen, die bereit sind, für dieses Projekt

zu stehen. Aber wir haben mittlerweile in dieser Stadt in Tei len auch die Gefahr, dass es Ängste auf der Seite der Befür worter gibt in diesem Sinn: Wir dürfen uns gar nicht dazu be kennen. Das ist etwas, was mir Sorge macht, und das ist der Grund, warum ich sage: Wir brauchen diese Dialogbereit schaft, aber bitte auf beiden Seiten.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP – Abg. Albrecht Fischer CDU: Sehr richtig!)

Wenn der Ministerpräsident nicht nur bereit ist und Ihren Vor schlag, Heiner Geißler die Aufgabe des Moderators zu über tragen, aufgreift, dieser im Übrigen mitteilt, dass er auch be reit sei, diese Aufgabe zu übernehmen – ich kann Ihnen sa gen, dass die Landesregierung in den vergangenen Wochen mit manchen Gespräche darüber geführt hat, ob sie bereit sind, diese Moderatorenrolle zu übernehmen; es gibt viele in die sem Land, die genau wissen, was für eine Herausforderung dies darstellt –, dann bin ich schon etwas erstaunt darüber, wenn man – obwohl es zugleich heißt: die Zuhörbereitschaft muss gegeben sein, wir wollen den Dialog – die Hürden so hoch aufbaut, dass es gar nicht möglich ist, in diesen Dialog einzutreten. Ich finde, zum Respekt vor einer Person, die be reit ist, diese Aufgabe zu übernehmen, gehört, nicht weitere Hürden aufzubauen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Herr Kretschmann, die Hürden, die Sie aufgebaut haben, was Sie vorgetragen haben, was Sie sich vorstellen, nämlich der gutachterliche Prozess, in dem alles noch einmal aufgeführt werden muss, ist auf gut Deutsch nichts anderes als ein Auf rollen des gesamten Planfeststellungsverfahrens. Sagen Sie mir bitte, warum wir bisher ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt haben, in dem alle Dinge abgewogen worden sind, wenn ich dieselben Fragen noch einmal alle aufführen und abwägen soll. Sollen wir dann für diesen Prozess auch noch einmal 15 Jahre in Anspruch nehmen?

Ich glaube, es gehört zu den Tatsachen – der Ministerpräsi dent hat es dargestellt –, dass wir uns über die Aspekte der Geologie und den Schutz der Mineralquellen unterhalten müs sen, dass technische Fragen und Sicherheitsthemen entschei dend und wichtig sind, dass die Frage der Optimierung des künftigen Nahverkehrs wichtig ist, dass Baustellenmanage ment und Anwohnerschutz wichtig sind, dass das Kostenma nagement und auch das Thema Barrierefreiheit wichtig sind. Herr Kretschmann, ich beschäftige mich mit diesem Thema noch nicht so lange wie Sie. Aber das sind die Themen, bei denen die Menschen mir gegenüber ihre Ängste artikulieren, und wir nehmen diese Ängste ernst.

Deswegen muss es im Dialog um das Darstellen von Fakten gehen, die von Experten getragen werden – indem im Übri gen Experten durchaus miteinander diskutieren, um zu sehen, was alles dahintersteckt. Ich glaube, das ist die Aufgabe des jenigen, der die Moderation übernehmen soll. Ich würde mir deswegen wünschen, dass man bereit ist, diesen Weg entspre chend zu gehen.

Lassen Sie mich noch ein paar Aspekte ansprechen. Sie sag ten: „wenn neue Erkenntnisse vorliegen“. Für mich ist inter essant, dass sich die Diskussion darüber, welche neuen Er kenntnisse vorliegen, zum Schluss einzig und allein auf das

Kostenthema fokussiert. Zur Geologie wurde im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens all das, worüber heute diskutiert wird, vorgetragen, geprüft, abgewogen und so in den Planfest stellungsbeschluss aufgenommen. Zu den Mineralquellen wurde alles vorgetragen. Das Amt für Umweltschutz der Stadt Stuttgart hat eine über 100-seitige Stellungnahme zu dieser Frage vorgelegt, die dem Vorhabenträger auch nicht nur ge fallen hat. Aber genau dafür gibt es diese Aufgabe. Es wurde alles abgewogen. Ich finde, dass wir an diesem Punkt schon sehr stark aufpassen müssen, dass wir den Rechtsstaat und sei ne bisherigen Möglichkeiten, wie Projekte in diesem Land ge macht werden, nicht infrage stellen.

Deswegen wünsche ich mir, dass Sie, wenn wir auf Sie zuge hen, indem wir denjenigen akzeptieren, den auch Sie vorge schlagen haben, nicht schon wieder anfangen, weitere Hürden aufzubauen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Herr Kretschmann, mich beschäftigt die Tatsache – da gibt es keine neuen Aspekte –, dass es, nachdem es drei unterschied liche Anträge gegeben hat, die im Verkehrsausschuss bespro chen wurden, einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen im Deutschen Bundestag aus dem Jahr 2005 gibt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Auf Initiative von Rot- Grün!)

Auf Initiative von Rot-Grün. Aber – es tut mir leid, Herr Schmiedel – es gab einen Antrag

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD – Gegenruf des Abg. Klaus Herrmann CDU: Ihr habt auch etwas Gutes gemacht!)

der Grünen, es gab einen Antrag der SPD, und es gab einen Antrag der CDU/CSU. Diese hat man dann zusammengeführt.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Rot-Grün-Schwarz!)

Genau. Ich wollte gerade sagen: eine große gemeinsame Leistung. Ich hoffe, dass Sie damit jetzt zufrieden sind.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Mir ist schon wichtig, noch einmal klarzustellen, was in dem gemeinsamen Antrag steht. Ich zitiere:

(Zuruf von der SPD – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Zuhören!)

An der Modernisierung des Bahnknotens Stuttgart betei ligt sich der Bund in Höhe der „Sowiesokosten“ von bis zu 453 Millionen €.

(Zuruf des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)

Genau das – und nicht mehr – ist die Kostenbeteiligung, die der Bund am Bahnknoten trägt.

(Zuruf von den Grünen – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Insofern finde ich es schwierig, dass Sie hier den Eindruck er wecken, als wären Sie schon immer dagegen gewesen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Nein, Quatsch!)

Ich komme gleich noch einmal darauf, Frau Lösch. – Aber Ihre Kollegen im Bund, die für die Finanzierung zuständig sind, tun genau etwas anderes und beschließen sogar aus drücklich mit, dass eine Beteiligung des Bundes stattfindet.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber, Frau Ministerin, wo war bei dem Beschluss denn die FDP? War sie dagegen?)

Herr Schmiedel, mir geht es heute darum, dass wir uns da rum bemühen, in einen Dialog mit der Bevölkerung zu kom men und die bisherigen Positionen deutlich zu machen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das war uns zu we nig! Wir wollten mehr Geld! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Ganz ruhig! Ihr wart dagegen! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich glaube, dass es wichtig ist, dies auch immer wieder deut lich zu sagen.

Lieber Herr Kretschmann, Sie haben gesagt, Sie hätten sich vor 15 Jahren zum ersten Mal mit diesem Projekt beschäftigt. Sie haben Ihre Vorschläge gemacht. Aber es gehört auch zur Wahrheit, dass Sie sich im Rahmen der demokratischen De batte in diesem Haus, im Regionalparlament

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Regional versammlung!)

in der Regionalversammlung, vielen Dank –

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Nein, „Regionalparla ment“ ist schon gut!)