Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Sakellariou, Sie haben heute bewiesen, dass Ihnen inzwischen auch die Bestimmung des § 155 des Strafvollzugsgesetzes bekannt ist. Aus dem Antrag konnte man das nicht entnehmen. Nun wissen Sie auch, dass es möglich ist, im Vollzugsdienst teilweise auch Private in geringem Umfang zu beschäftigen, wie es in Rottenburg geschehen ist.
Sie haben versucht, einen Riesenterz daraus zu machen. Herr Kollege Zimmermann hat die Relationen einmal dargestellt. Drei Personen waren dort tätig, die außerdem noch in der Abschiebehaft tätig waren. Sie waren im „hoheitlichen“ Aufgabenbereich, nämlich bei der Essensverteilung, beim Wäscheaustausch und bei der Hofüberwachung beschäftigt. Das waren die „hoheitlichen“ Maßnahmen, die Sie hier so sehr gelobt haben.
Jetzt muss ich mich doch ernsthaft fragen, ob Sie die Realitäten und die Relationen noch einigermaßen im Blick haben. Ich meine, das ist nicht mehr der Fall.
(Beifall der Abg. Heiderose Berroth und Dr. Ulrich Noll FDP/DVP – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Erst einmal muss ich die Antwort haben!)
Von der Fragestellung her ist Ihnen die Bestimmung des § 155 möglicherweise entgangen. Das soll ja vorkommen. In der Stellungnahme ist Ihnen dieser Sachverhalt dann ge
Kolleginnen und Kollegen, kurz zum Hintergrund der ganzen Justizgeschichte: Wir haben gestern und heute über Anträge der Opposition debattiert, die insgesamt zu höheren Kosten und zu mehr Ausgaben für das Land geführt hätten. Die Justiz unseres Landes arbeitet nach wie vor effizient und auf einem qualitativ hohen Niveau. Das haben die Kolleginnen und Kollegen in der Sitzung des Ständigen Ausschusses in der vergangenen Woche insgesamt bestätigt.
Die große Anzahl der Verfahren und der Stellenabbau haben die Leistungsfähigkeit der Justiz nicht beeinträchtigt. Dies liegt daran, dass wir seit Beginn unserer Regierungsbeteiligung im Jahr 1996 die Folgen des Personalabbaus unter anderem durch die Einführung moderner Personalentwicklungskonzepte, Entlastungsmaßnahmen durch den Gesetzgeber und vor allem durch eine moderne EDV-Ausstattung abgefangen haben. Das ist übrigens nicht in allen SPDgeführten Bundesländern der Fall – allen voran Berlin, das den Standard, den Baden-Württemberg schon heute hat, erst im Jahr 2008 erreichen will. Selbstverständlich sind in diesem Zusammenhang auch das Engagement und der erhebliche Einsatz der Justizmitarbeiter zu erwähnen, ohne die all diese Entlastungen gar nicht möglich gewesen wären.
Im Ständigen Ausschuss waren wir uns übrigens in der letzten Woche fraktionsübergreifend einig, dass der Justiz ein weiterer Stellenabbau nicht mehr zuzumuten ist. Ich hoffe, dieser Konsens gilt auch bei den Haushaltsberatungen. Sonst müsste ich Sie, wenn Sie das vergessen sollten, gelegentlich daran erinnern.
Herr Minister Goll hat auch darauf hingewiesen, dass die Justiz an der Grenze ihrer Belastungsfähigkeit angekommen ist. Sie alle werden sich an die Fälle aus anderen Bundesländern erinnern, bei denen Straftäter auf freien Fuß gesetzt werden mussten, weil die Verfahren zu lange gedauert haben. Ich will eine solche Situation in Baden-Württemberg nicht haben.
Aus diesem Grund ist es auch richtig, dass ein Stellenabbau in der Justiz in Zukunft nur noch in dem Umfang stattfinden kann, in dem durch andere Maßnahmen ein Aufgabenabbau stattfindet. Da haben wir Folgendes geplant: erstens die flächendeckende Übertragung der Bewährungs- und Gerichtshilfe auf einen freien, privatrechtlich organisierten Träger, zweitens die Einführung eines freiberuflichen Gerichtsvollzieherwesens – vielleicht sind wir da einer Meinung –,
(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Da brauchen Sie noch eine Weile! Das kommt in dieser Wahlpe- riode nicht!)
drittens den Wechsel in ein landesweit freiberufliches Notariat und viertens die Übertragung des Forderungseinzugs in der Justiz auf ein freiberufliches Inkassounternehmen.
Zu der ersten Maßnahme, die heute auf der Tagesordnung ist, haben Sie insgesamt drei Einwendungen gehabt, Herr Kollege.
Zur ersten Maßnahme, Herr Kollege Oelmayer, hatten Sie insgesamt drei Einwendungen. Die erste war ein verfassungsrechtlicher Grund, der dagegen spreche, dass die Bewährungshilfe privatisiert werden kann. Ich betrachte jedenfalls die Bewährungshilfe nicht als die hoheitliche Aufgabe schlechthin, für deren Erfüllung man unbedingt Beamte braucht.
Es gibt zwei, drei Punkte, wo man sagen kann, das ist vielleicht ähnlich, vielleicht vergleichbar. Nehmen Sie die Nachlasspflegschaft. Der Nachlasspfleger, eingesetzt über das Nachlassgericht, übernimmt teilweise eine hoheitliche Aufgabe. Zweiter möglicherweise ähnlicher Fall: Der Betreuer, eingesetzt über den Staat, übernimmt eine staatliche Aufgabe. Kein Mensch sagt uns, dass diese Aufgabe Beamte wahrnehmen müssen. Kein Mensch kommt auf diese glorreiche Idee.
Jetzt frage ich mich, warum das ausgerechnet bei der Bewährungshilfe der Fall sein soll, zumal der Bewährungshelfer ja sogar auch ehrenamtlich tätig sein kann. Wenn er ehrenamtlich tätig sein kann, dann kann er das doch bitte schön auch aufgrund privater Beauftragung. Den beamtenrechtlichen Vorbehalt sehe ich aus dem gleichen Grund nicht.
Dann führen Sie Kostengründe an. Herr Kollege Oelmayer, wir wissen, überall dort, wo Beamte tätig sind – ich möchte keinem Beamten zu nahe treten –, kann es teurer werden. Denn Beamte können Sie nicht entlassen, wenn sie vielleicht nicht so viel arbeiten, wie wir es von ihnen wünschen. Aus diesem Grund reden wir doch darüber.
Die Chance haben wir, dass die Bewährungshelfer dann vielleicht in der Lage sind, mehr und effektiver zu arbeiten, als das heute der Fall ist.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich bei diesen Anträgen in der Tat auch gefragt: Welcher ist kurzsichtig, und welcher steht auf schwachen Füßen? Es müssten ja keine Schweißfüße sein. Insofern ist Ihr Bild vielleicht ganz aufschlussreich.
Lassen Sie mich zu den Anträgen wenige Sätze sagen. Zu dem ersten möchte ich nicht mehr viel sagen. Es ist sehr viel Richtiges gesagt worden gerade von meinen beiden Vorrednern, die ja im Detail die Vorgänge beschrieben haben. Es ist so, dass aufgrund von dringenden Sanierungsarbeiten in Ravensburg Gefangene verlegt werden müssen. Normalerweise hätten wir sie nach Ulm verlegt, aber in Ulm wird gerade auch gebaut. Jetzt hat sich herausgestellt, dass nicht beide Einrichtungen für die Abschiebehaft voll ausgelastet sind, sodass die Gefangenen vorübergehend in der Abschiebehafteinrichtung in Mannheim untergebracht werden könnten. Dadurch wird die Abschiebehafteinrichtung in Rottenburg frei – eigentlich ideal, um die Gefangenen dort unterzubringen, während gebaut wird. Genau so haben wir es gemacht.
Es ist eigentlich interessant: Die Abschiebehaft war ja in der Vergangenheit ein ungeliebtes Kind. Das war nicht zu meiner Zeit als Minister, aber unter früheren Regierungen und in Parlamenten hat man darüber gestritten, wohin die Aufgabe soll. Sie ist eigentlich eine Polizeiaufgabe. Dann hat man sie bei der Justiz untergebracht, weil dort schon Einrichtungen waren, und hat interessanterweise aus diesem Kontext heraus private Sicherheitsdienste zugelassen – das war nicht ich –, aber natürlich in minimalem Umfang. Die Zahlen sind genannt worden: Bei einer Belegschaft von 132 Beamten sind es zwei Mitarbeiter im Tagdienst und ein Mitarbeiter im Nachtdienst. Sie machen das seit vielen Jahren, und sie sind halt da. Wenn man ihnen kündigt, haben wir erstens eine Kündigungsfrist zu beachten und zweitens hinterher ein Problem.
Wir haben also die Strafgefangenen auf völlig einwandfreier rechtlicher Grundlage dort untergebracht. Mich wundert übrigens, dass Sie das immer noch nicht akzeptieren. Eine Vorschrift kann kaum klarer erfüllt sein als in diesem Fall. Es steht im Strafvollzugsgesetz:
Das eine rufe ich Ihnen gern zu – das ist für Sie sicher ein Punkt, der Anlass zur Sorge gibt, für mich weniger –: Dort entsteht kein Präzedenzfall. Es ist nicht daran gedacht, die Praxis in Rottenburg auszuweiten. Allerdings muss man umgekehrt auch sagen, was wir planen und worauf Sie möglicherweise in Wirklichkeit zielen. Das ist in der Tat der teilprivatisierte Betrieb in Offenburg. Aber über den brauchen wir uns hier nicht zu unterhalten. Das tun wir an anderer Stelle.
Zu Ihrem Antrag also noch einmal ganz klar: Es ist nicht an eine Ausweitung gedacht. Insofern ist das vielleicht doch ein bescheidener Anlass, den Sie bis zu dieser Diskussion hochgezogen haben.
Jetzt aber zum zweiten Antrag: Darin machen die Grünen geltend, dass das, was wir machen, verfassungswidrig sei. Es handle sich um eine Übertragung hoheitlicher Aufgaben, die mit dem beamtenrechtlichen Funktionsvorbehalt nicht vereinbar sei. Das ist der eine Teil der Argumentation. Der andere Teil lautet: Es fehle eine Begründung, warum ein freier Träger die Aufgabe besser erledigen könne als ein öffentlich-rechtlicher Träger. Dazu sage ich deutlich: Gleich gut würde schon reichen.
Wenn es ein freier Träger gleich gut könnte, würde das schon reichen; da sind wir uns einig. Denn die Beschäftigung beim Staat hat, wie wir wissen, einige Folgen. Wir reden demnächst wieder über Pensionen, Rücklagen und Ähnliches. Ich sage, wenn es gleich gut wäre, würde es schon reichen.
Zu diesen beiden Punkten nehme ich Stellung, möchte aber eine kurze Vorbemerkung machen, um wirklich allen zu verdeutlichen, worum es mir und der baden-württembergischen Justizverwaltung bei diesem Punkt geht. Ich sage Ihnen deutlich: Wir wollen in der Bewährungshilfe die Leistung verbessern. Darum geht es. Wir haben das Problem steigender Probandenzahlen. Wir haben das Problem hoher Belastungen des einzelnen Bewährungshelfers. Wir haben umgekehrt das Problem, dass wir natürlich nirgendwo finanziell können, wie wir wollen. Die Mittel vermehren sich nicht, sondern sie verringern sich eher.
Man muss ein bisschen findig sein, um unter diesen Bedingungen die Leistung zum Wohl aller zu verbessern: zum Wohl der dort Beschäftigten und zum Wohl der Gesellschaft, weil die Ergebnisse bei den Probanden besser sind.
Die inhaltliche Qualitätssteigerung wollen wir unter anderem erreichen – ich nenne nur drei wichtige Punkte –, indem wir Qualitätsstandards definieren, markieren, wie gut die Arbeit sein muss, indem wir die gute Arbeit zu definieren versuchen und – ich komme auf den Punkt zurück – indem wir schließlich eine Fachaufsicht durch Fachleute für Sozialarbeit einführen, damit da einmal hingeschaut wird, ob wir eine Struktur haben, die Qualität sichern kann, und damit darauf geschaut wird, dass überall Qualität geliefert wird – eben durch eine Fachaufsicht durch Fachleute für Sozialarbeit. Dann wollen wir natürlich einen deutlich verstärkten Einsatz von Ehrenamtlichen, denn der ist bei uns in Baden-Württemberg im Verhältnis zu unserem Nachbarland Österreich schwach ausgeprägt. Österreich ist nicht weit. Dort sind die Probleme nicht viel anders als bei uns, das macht mir keiner weis. Trotzdem gibt es dort einen gewaltigen Anteil an Ehrenamtlichen. Das sind also die Ziele, die wir zur Verbesserung der Arbeit erreichen wollen.
Jetzt stellen wir fest, lieber Herr Sakellariou – oder der Antrag kommt von Ihnen, Herr Oelmayer –: Schon das Pilotprojekt, das seit fast zwei Jahren in Stuttgart und Tübingen läuft, hat für jemanden, der hinschauen will, klar gezeigt, dass ein freier Träger diese qualitätssichernden Reformen weit besser und weit schneller umsetzen kann, als wir es in staatlicher Regie je könnten. Der Partner Neustart hat in Österreich seit über 50 Jahren Erfahrungen mit dem Ma