Die Zukunft hat viele Namen: Für die Schwachen ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen ist sie das Unbekannte, für die Tapferen ist sie die Chance.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Dr. Murschel, wenn es nicht Ihre Jungfernrede gewesen wäre, hätte ich mich gerne in den Saal gesetzt, weil mich schon während Ihrer Rede einiges zu Zwischenrufen gereizt hätte.
Ja, genau. So machen wir es. Dann gewinnt die Debatte mit Sicherheit noch ein Stück weit an Lebhaftigkeit.
Zunächst einmal muss man festhalten: Jeder zweite Europäer ist mittlerweile zuversichtlich, dass die Anwendung der Biotechnologie die Lebensqualität der Menschen in der Summe verbessern wird, vor allem im medizinischen Bereich und auch in der Industrie.
(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Andere Baustelle! – Weitere Zurufe von der SPD und den Grünen, u. a.: Das ist ein anderes Thema! – Abg. Dr. Carmi- na Brenner CDU: Aber nicht mit der Gentechnik! – Abg. Stephan Braun SPD: Nebelwerfer ohne En- de!)
Andererseits werden gentechnisch veränderte Lebensmittel von den Verbrauchern gerade in Deutschland nicht akzeptiert. So kann man die Ergebnisse der neuen Eurobarometer-Umfrage zur Biotechnologie im Wesentlichen zusammenfassen.
In der Tat haben die auf weltweit rund 90 Millionen ha angebauten, gentechnisch veränderten Mais-, Soja-, Raps- und Baumwollpflanzen lediglich agronomische Vorteile für den Erzeuger und für die Umwelt. Für den Verbraucher selber gibt es hinsichtlich der Qualität der Produkte bisher allerdings keine Vorteile.
Man muss aber auch sehen, dass bereits heute in großem Umfang Lebensmittel verbraucht werden, die mit gentechnisch veränderten Organismen hergestellt sind, ohne dass diese in den Nahrungsmitteln analytisch überhaupt nachgewiesen werden könnten. Sie sind deshalb nach geltendem europäischen Recht auch nicht kennzeichnungspflichtig. Laut Angaben von Wissenschaftlern sind etwa 70 % der Lebensmittel in irgendeiner Form mit Gentechnik in Berührung gekommen.
Anders sieht es bei kennzeichnungspflichtigen Lebensmitteln aus, die in Deutschland nach wie vor praktisch nicht auf dem Markt sind. Kritiker der grünen Gentechnik verweisen auf den zweiten Erfahrungsfaktor und heben hervor, dass die Langzeitfolgen noch nicht genügend erforscht seien. Diese Sorgen und Bedenken nehmen wir genauso ernst.
Meine Damen und Herren, jetzt kommen wir zur konkreten Praxis und damit auch zu den Anliegen Ihres Antrags. Da muss man einmal darauf achten, dass man keine Geschichtsklitterung – auch nicht in diesem Hause – betreibt. Das Bundessortenamt hat im Jahr 2005 erstmalig gentechnisch veränderte Maissorten zugelassen. Damit leben wir nicht mehr in einem Stadium wie vor drei, vier, fünf oder acht Jahren, weil die Rechtsetzung in der Europäischen Union und die Rechtsetzung auf Bundesebene fortgeschritten ist. Herr Kollege Winkler, all das geschah damals nicht mit Beteiligung der Union in der Bundesregierung. Vielmehr war es damals die rot-grüne Bundesregierung, die beides auf den Weg gebracht hat, sowohl die Rechtsetzung in der Europäischen Union als auch die Rechtsetzung durch Bundestag und Bundesrat.
Jetzt kann man sich hier nicht hinstellen und einfach so tun, als würden wir noch in der Zeit vor fünf oder acht Jahren leben – nach dem Motto: Die Landesregierung kann schon alles heben, und wir können gerade wieder von Neuem beginnen.
(Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP zur SPD: Die Sie damals selber geschaffen haben!)
Nicht wir, sondern Sie haben auf europäischer Ebene und in Berlin an der Rechtsetzung mitgewirkt. Jetzt ist die Frage: Wo stehen wir?
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Genau! Wo stehen Sie? – Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Ja, wo stehen Sie denn?)
Da gibt es eine klare Koexistenzvorschrift. Das ist das eine. Das Zweite ist: Wenn eine Kulturart – bei uns ist das derzeit der Mais – zum Anbau zugelassen wird, dann kann der Landwirt sie auch anbauen. Das ist die Rechtslage, und da gibt es niemanden, der ihn daran hindern kann. Das ist der Punkt.
Aufgrund dieser Rechtsetzung haben wir inzwischen, was zu erwarten war, zugelassene Maissorten. Das Rechtsgebäude steht mittlerweile. Der Anbau von Mais wurde zugelassen. Jetzt müssen wir damit leben und abschätzen, ob er für unsere Landwirtschaft in Baden-Württemberg Risiken birgt oder nicht.
Meine Damen und Herren, dann stellen Sie sich hin, gerade Sie von den Grünen, und sagen: Anbauversuche stoppen, keine Feldversuche und dergleichen mehr. Das sei alles überflüssig, man hätte das alles schon gemacht.
Frau Kollegin Kipfer, ich bin durchaus wirtschaftsfreundlich. Aber gerade aus der Sorge um die Risiken will ich der Wirtschaft nicht alles überlassen,
(Abg. Alfred Winkler SPD: Aha! Jetzt trauen Sie dem selbst nicht mehr! – Abg. Reinhold Gall SPD: Risiken sind vorhanden! Das ist interessant!)
sondern ich will auch als Staat neutrale Erkenntnisse gewinnen. Diese neutralen Erkenntnisse gewinnen wir nur dann, wenn wir auch tatsächlich praktische Feldversuche machen. Das ist doch ganz klar.
Mich wundert das. Sie haben die Regierung – jetzt meine ich die Grünen – verlassen und sind in der Meinungsbildung komplett umgeschwenkt; denn Frau Künast war derselben Meinung wie wir.
Der Antrag des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Braunschweig und der Frau Künast war damals, genau diese Feldversuche und Koexistenzversuche zu machen. Damals ist der Bund an die Länder und auch an Baden-Württemberg herangetreten mit der Bitte, sich an diesen Feldversuchen zu beteiligen. Genau dies haben wir mit der gleichen Intention gemacht.
Dann predigen Sie noch im Zuge des Wahlkampfs und danach Ihren eigenen Anhängern, wie kritisch all dies wäre, was Sie selber vor einigen Monaten noch unterstützt und sogar nachhaltig gefordert haben.
Herr Minister, zu den Anbauversuchen, die das Land macht und um die es ja auch in dem Antrag geht, möchte ich fragen: Halten Sie die Verhältnisse in den einzelnen Ländern wirklich für so elementar unterschiedlich, dass in Bayern, in Baden-Württemberg, in der Pfalz, überall die gleichen gentechnischen Anbauversuche gemacht werden müssen? Sind Sie wirklich der Meinung, dass das nötig ist, und sind Sie nicht der Meinung, dass das die Industrie leisten muss?
Herr Kollege Winkler, wenn Sie mit derselben Wirtschaftsgläubigkeit in anderen Bereichen versehen wären, würde mich das freuen. Sie würden mir morgen genau diese von Ihnen eingeforderte Wirtschaftsgläubigkeit und deren Ergebnisse zum Vorwurf machen und mir vorhalten, wir hätten diese Ergebnisse nicht von neutraler Seite überprüfen lassen.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das kann man doch bündeln! – Abg. Alfred Winkler SPD: Müssen das alle machen?)