Protocol of the Session on October 12, 2006

Wir brauchen eine solche Dokumentation nicht zuletzt auch deshalb, um ganz nüchtern evaluieren zu können, ob wir die Rasterfahndung wirklich brauchen. Machen wir uns an diesem Punkt nichts vor: Bisher hat die Rasterfahndung viel Geld gekostet, aber im Ergebnis nichts gebracht. Es gibt nun einmal bis heute keinen Beleg dafür, dass sie vor allem im Kampf gegen den internationalen Terrorismus so unverzichtbar ist, wie es die Landesregierung immer wieder betont. Weder die Kofferbombenleger vom Sommer dieses Jahres noch die aus Deutschland stammenden Beteiligten am Attentat des 11. September 2001 hätten mit der Rasterfahndung entdeckt und an ihren Terrorakten gehindert werden können.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Ja!)

Es gibt keinen einzigen Fall,

(Abg. Hans Heinz CDU: Doch, gibt es! Falsch!)

wonach mit der Rasterfahndung ein „Schläfer“ enttarnt oder wonach aufgrund gewonnener Erkenntnisse Anklage gegen solche Personen erhoben werden konnte. Schauen Sie sich die Ergebnisse der Rasterfahndung von 2001 an: Über 8 Millionen erhobene Datensätze, und kein einziger Fall ist ermittlungstechnisch und strafrechtlich letztlich virulent geworden.

Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, haben wir auch eine zeitliche Befristung der Fahndung in unseren Gesetzentwurf aufgenommen. Wir wollen nach zwei Jahren weiterer Erfahrungen mit diesem Instrument endgültig entscheiden, ob es sich in der Praxis bewährt.

Schlussendlich halten wir den Entwurf, den wir vorgelegt haben, in den Hauptpunkten aus verfassungsrechtlicher Sicht für unstreitig. Wir bitten, den Vorschlägen zur Dokumentationspflicht und zu der Befristung auf zwei Jahre zuzustimmen, setzen auf konstruktive Beratungen im Innenausschuss und hoffen, dass wir uns in dieser Frage bis zur Zweiten Beratung einvernehmlich verständigen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Heinz.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Der macht es kurz!)

Es wurde schon beantragt, den Gesetzentwurf an den Innenausschuss zu überweisen, oder?

Gut.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Sckerl, Sie haben die Gründe richtig beschrieben, warum wir bei der Rasterfahndung eine

Änderung anstreben müssen. Aber eines haben Sie nach meiner Meinung nicht richtig dargestellt: Die Rasterfahndung hatte schon Erfolg. Ich will noch einmal daran erinnern: Man hat das ja nicht erst nach dem 11. September 2001 gemacht. Damals hat man zwar eine Rasterfahndung in die Wege geleitet, aber die Grundlagen dafür gehen ja schon weiter zurück.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Diese Datei funktioniert doch gar nicht!)

Man hat immerhin – das mögen Sie gar nicht gern hören – auch einen Terroristen geschnappt. Sie müssen nur in Wikipedia hineinschauen und „Rasterfahndung“ eingeben, dann sehen Sie, dass da einmal einer geschnappt worden ist.

Wir von der CDU-Fraktion, lieber Herr Sckerl, wollen unabhängig von der Frage, dass wir das Gesetz ändern müssen, die Rasterfahndung als effektives Mittel der Polizei erhalten.

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Man muss das nur immer dann anwenden, wenn es denn Erfolg versprechend ist. Da sind wir der Meinung, das wäre bei Ihnen viel zu kurz gesprungen. Der Duktus Ihrer Fraktion und Ihres Antrags lässt klar erkennen: Sie wollen das am liebsten gar nicht machen. Das steht eindeutig drin. Die Indizien, die Sie genannt haben – Verfallsdatum und andere Dinge wie den Datenschutz einschalten –, sind eigentlich alles Beweise dafür, dass Sie an die Rasterfahndung – Sie haben es vorhin selbst gesagt – eigentlich gar nicht glauben. Wir von der CDU-Fraktion meinen, wir wollen unsere Polizei in die Lage versetzen,

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Wann hat sie denn einmal zum Erfolg geführt, Kollege Heinz?)

dass man dieses Instrument dann, wenn es Erfolg versprechend ist, auch einsetzen kann. – Ich habe Ihnen doch gerade gesagt: Wir haben einen Terroristen geschnappt.

(Zuruf des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)

Ich persönlich meine, lieber Kollege Oelmayer, wenn man mit diesem Instrument auch nur einen Terroristen schnappt, wie es schon geschehen ist – nicht nach dem 11. September, aber davor –, dann hat sich dieses Instrument für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes bei Weitem gelohnt, aber bei Weitem!

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Wen habt ihr denn da geschnappt?)

Wenn ich mir nun das Urteil vornehme – ich habe mir die Mühe gemacht und es einmal durchgelesen –, dann muss man sehen, dass die großen Vorbehalte, die es da gibt, eigentlich gar nicht so groß sind. Es gab nämlich auch Vorinstanzen, die gesagt haben: Es ist alles in Ordnung. Deshalb müssen wir genau prüfen. Deshalb braucht man auch die Zeit in diesem AK, Herr Sckerl, damit man nun auslotet: Was sind denn die Dinge, die wir ändern müssen, damit diese Maßnahmen rechtmäßig sind? Das wollen wir sauber prüfen. Dann werden wir im Rahmen einer umfassenden Novellierung, die wir auf Antrag des Kollegen Gall ja auch schon im Innenausschuss behandelt haben, das Polizeige

setz im kommenden Frühjahr novellieren. Dann werden wir im Detail auch über diese Veränderungen reden.

Im Übrigen ist mein Rechtsverständnis so: Wenn wir eine höchstrichterliche Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht haben und jetzt eine Rasterfahndungsproblematik vorläge, dann müssten wir dieses Urteil in der Rechtsfindung, in der Anwendung schon berücksichtigen. Sie können sich also wieder ruhig zurücklehnen. So dramatisch ist es nicht. Deshalb, glaube ich, gehen wir in Ruhe in die Ausschussberatungen hinein. Wir werden aus Sicht der CDU sorgfältig prüfen und im Frühjahr einen Entwurf vorlegen,

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Wollen Sie da- mit sagen, wir hätten nicht sorgfältig geprüft? Oh Mann!)

der die Rasterfahndung im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten erlaubt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile das Wort Herrn Abg. Junginger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Herr Innenminister, nachdem wir uns zeitaufwendig mit Entschließungsanträgen zu Themen wie „Internetfähiger PC und Rundfunkgebühr“ sowie Stuttgart 21 beschäftigt haben, kommen wir nun wieder zum parlamentarischen Alltagsgeschäft zurück, nämlich zu einem Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE und der Aufgabe dieses Parlaments, sich damit auseinanderzusetzen. Das halte ich für wichtig, weil wir da in einer anderen Weise miteinander umgehen – gerade was die innere Sicherheit anbetrifft –, als bei den beiden anderen Themen teilweise erkennbar geworden ist.

Anlass für den Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE war eine Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. April 2006 zur Rasterfahndung gemäß § 31 des Polizeigesetzes von Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 1990. Der wesentliche Inhalt dieses Beschlusses lässt sich wie folgt zusammenfassen: Rasterfahndung ist nur bei konkreter Gefahr für hochrangige Rechtsgüter zulässig. Das Verfassungsgericht hat mit seinem Beschluss Beschwerdeentscheidungen des Amtsgerichts, des Landgerichts und des Oberlandesgerichts Düsseldorf als verfassungswidrig bewertet, weil ein marokkanischer Student islamischen Glaubens in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Rasterfahndung verletzt worden sei.

Über die Aufhebung dieser drei Gerichtsbeschlüsse hinaus hat das Bundesverfassungsgericht dann allerdings auch bei seiner zu Ziffer 2 mehrheitlich mit 6 : 2 Stimmen ergangenen Entscheidung grundsätzliche Ausführungen zur Zulässigkeit einer präventiven Rasterfahndung gemacht, und zwar angebunden an die nordrhein-westfälische Polizeigesetzregelung, aber generell selbstverständlich auch für andere Polizeigesetze gültig. Ich möchte in diesem Zusammenhang wie folgt zitieren:

1. Eine präventive polizeiliche Rasterfahndung der in § 31 PolG NW 1990 geregelten Art ist mit dem

Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) nur vereinbar, wenn eine konkrete Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person gegeben ist. Im Vorfeld der Gefahrenabwehr scheidet eine solche Rasterfahndung aus.

2. Eine allgemeine Bedrohungslage, wie sie im Hinblick auf terroristische Anschläge seit dem 11. September 2001 durchgehend bestanden hat, oder außenpolitische Spannungslagen reichen für die Anordnung der Rasterfahndung nicht aus. Vorausgesetzt ist vielmehr das Vorliegen weiterer Tatsachen, aus denen sich eine konkrete Gefahr, etwa für die Vorbereitung oder Durchführung terroristischer Anschläge, ergibt.

Notabene: In Nordrhein-Westfalen sind 11 000 Personen bei der Rasterfahndung im Netz gelandet, von denen kein einziger als „Schläfer“ identifiziert werden konnte. In Baden-Württemberg waren es 4 000 Personen, deren Daten über einen längeren Zeitraum abgearbeitet wurden, ohne dass ein einziger „Schläfer“ ermittelt worden wäre.

Man kann das Fazit ziehen: Es gab keine polizeiliche Vorfeldbefugnis, keine gegenwärtige und keine konkrete Gefahr.

Der Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE gibt im Wesentlichen die Richtlinien, die das Verfassungsgericht aufgestellt hat, 1 : 1 wieder. Es wird aber verkannt, dass unsere Regelung nicht etwa aus sich heraus verfassungswidrig ist, sondern dass zunächst in der Auslegung und Anwendung die Grenze enger gezogen werden müsste. Deswegen ist es nicht unbedingt zwingend notwendig – wie Kollege Sckerl gesagt hat –, sofort eine Änderung vorzunehmen. Wichtig ist es, die Grundzüge dieser bemerkenswerten Verfassungsgerichtsentscheidung in die Praxis umzusetzen und dabei zu prüfen, wo wir bei den bisherigen Maßnahmen eigentlich von konkreten Gefährdungslagen ausgehen konnten.

Wir meinen allerdings, dass es sinnvoll ist, im Polizeigesetz klar und deutlich herauszustellen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Maßgaben derartige Rasterfahndungen sinnvoll sind.

Mich würde heute auch interessieren, was der Innenminister zu dem Gesetzentwurf der Grünen sagt, denn der Hinweis, dass wir das Gesetz dann irgendwann in einem anderen Zusammenhang novellieren, ersetzt natürlich noch nicht die Stellungnahme zu einem konkreten Gesetzentwurf. Inhaltlich und betreffend seiner Zielsetzung können wir diesen Gesetzentwurf durchaus mittragen. Ich glaube, das ganze Haus kann ihn in seiner Zielsetzung mittragen. Trotzdem würde ich gern hören, was Sie zu den Einzelheiten sagen.

Dabei stellt sich auch die spannende Frage, ob man einzelne Regelungen eines Gesetzes mit einer Befristung versehen sollte und ob das in der Systematik überhaupt sinnvoll ist.

(Abg. Hans Heinz CDU: Wir wollen das doch überhaupt nicht!)

Trotzdem, das ist meine Zusatzfrage: Kann der, der das für richtig hält, das auch mit einzelnen Vorschriften eines geschlossenen Systems so machen?

Ich stelle auch die Frage, was denn nun sonst zur Novellierung ansteht, weil nicht erkennbar ist, dass wir schon seit Jahr und Tag eine Novellierung des Polizeigesetzes verlangt hätten. Das hätte ich heute auch gern gehört, weil wir im Innenausschuss noch einmal ganz konkret abzuwägen haben, welche Änderungen sinnvoll sind, um die notwendige Klarstellung unter Beachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vorzunehmen.

Für unsere Fraktion kann ich sagen: Die Grundsätze einer entsprechenden Klarstellung tragen wir uneingeschränkt mit. Einzelheiten werden wir im Innenausschuss besprechen müssen. Aber ich finde es verdienstvoll, dass man aus dem Verfassungsgerichtsurteil zeitnah Konsequenzen gezogen hat, die uns miteinander über diese spannenden und schwierigen Fragen nachdenken lassen.