Protocol of the Session on June 30, 2005

(Zuruf des Abg. Gustav-Adolf Haas SPD)

Ich könnte jetzt noch ein paar Sätze sagen, will aber nur bestätigen, was Winfried Scheuermann zum Thema Wasserstraßen gesagt hat, und betonen, dass wir die Bedeutung des Verkehrsträgers Wasserstraße massiv unterschätzen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: So ist es!)

Die Wasserstraßen machen 80 bis 90 % des Gütertransports aus – von der Kapazität her, nicht vom Wert –, gemessen an dem, was auf der Schiene transportiert wird. Wir haben auf der Schiene überall Engpässe – das habe ich gerade dargestellt –, aber wir haben auf den Wasserstraßen mit überschaubaren Investitionen – nämlich dann, wenn wir die teilweise 70 Jahre alten Schleusen modernisieren – die Möglichkeit, weitere Kapazitäten zu schaffen. Deshalb kämpfen wir auch im dritten Bereich des Sonderprogramms dafür, dass es doch möglich wird, die eine oder andere Schleuse zwischen Stuttgart und Plochingen ins Programm aufzunehmen.

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, ich will jetzt zu Schlussfolgerungen kommen. Wir können natürlich noch viel länger Zahlen bewerten und – jeder aus seiner Sicht – interpretieren. Aber ich glaube, wir können gemeinsam feststellen: Das Geld reicht hinten und vorne nicht für das aus, was im Interesse des Landes Baden-Württemberg getan werden muss. Deshalb ziehe ich folgende Schlussfolgerungen:

Erstens: Wir brauchen eine Erhöhung der Investitionsmittel entsprechend den Vorgaben des Bundesverkehrswegeplans.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das habe ich vorhin bereits gesagt.

Zweitens: Wir brauchen vor allem Stetigkeit und Verlässlichkeit in der Verkehrsfinanzierung.

Drittens: Wir müssen und werden jedes neue Projekt daraufhin prüfen, ob es ein Projekt ist, das sich für eine private Finanzierungsform eignet. Ich mache mir da nicht zu viele Hoffnungen, aber geprüft werden sollte jedes Projekt. Wir wissen, dass technische Voraussetzungen fehlen; aber das wäre bei dem einen oder anderen Projekt sicher ein sinnvoller Weg.

Viertens – das halte ich für ganz wichtig – brauchen wir eine Umstellung von der Steuer- zur Nutzerfinanzierung.

In diesen Tagen hat der Bundesverkehrsminister eine erste Halbjahresbilanz der Maut vorgelegt. Diese Bilanz ist, nach allen Anlaufschwierigkeiten, erfreulich. Das befürchtete Chaos ist nicht eingetreten.

(Abg. Zeller SPD: Das von Ihnen befürchtete Cha- os!)

Es gibt natürlich Probleme, wie etwa das der Verlagerung von Verkehren auf Bundesstraßen, die wir jetzt überall diskutieren. Auch da empfehle ich – ich habe manchen Pressebericht gelesen, auch von Kollegen aus dem Landtag, zum Beispiel von Herrn Zeller am Bodensee –: Lesen Sie genau, was Ihr Bundesverkehrsminister, unser Bundesverkehrsminister zu dem Thema sagt, was der richtige Zeitpunkt ist, um auf verlagerte Verkehre entsprechend zu reagieren.

Als politisch Verantwortlicher sollte man der Bevölkerung gegenüber die Erwartungen einmal wesentlich herunternehmen, die Auswertung der Zahlen abwarten und dann dort handeln, wo es wirklich möglich ist, zu handeln.

(Zuruf des Abg. Gustav-Adolf Haas SPD)

Die Lkw-Maut, meine Damen und Herren, könnte ein Modell für eine Maut für leichte Lkws und für Pkws sein. Diese Fragen müssen wir vorurteilsfrei und ergebnisoffen aufarbeiten – allerdings immer, und das soll gleich vorweg gesagt werden und vor der Klammer stehen, unter zwei Bedingungen: Mit Einführung einer Pkw-Maut muss die Mineralölsteuer angemessen gesenkt oder die Kfz-Steuer abgeschafft werden. Das ist das eine. Das andere ist: Wir müssen garantieren, dass dann auch jeder eingenommene Euro wirklich dem Straßenbau zufließt.

Meine Damen und Herren, abschließend will ich nochmals an den Bund appellieren, Baden-Württemberg nicht weiter zu vernachlässigen. Dieser Appell geht natürlich – so lautet das Thema der heutigen Debatte – an die rot-grüne Bundesregierung, und er richtet sich auch an die Regierung, die nach dem 18. September in Deutschland die Verantwortung übernehmen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Scheuermann.

(Zuruf des Abg. Gustav-Adolf Haas SPD – Abg. Capezzuto SPD zu Abg. Scheuermann CDU: Nicht aufregen!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe vorhin bewusst versucht, nicht rückwärts gewandt zu argumentieren und Geld zu zählen oder zu sagen, in diesem Jahr hätten wir von der rot-grünen Regierung mehr bekommen als von der Kohl-Regierung,

(Zuruf von der SPD: In jedem Jahr!)

weil uns das nicht weiterbringt.

(Abg. Capezzuto SPD: Aber was wahr ist, muss wahr bleiben!)

Vielleicht können wir uns nach der bisherigen Debatte wenigstens auf folgende Feststellung einigen: Ihre Zahlen unterstellt – die will ich jetzt einmal gar nicht bestreiten –,

(Abg. Kaufmann SPD: Kann man auch nicht!)

ist doch aber das Ergebnis, dass trotz der von Ihnen behaupteten höheren Anteile die Schere zwischen Investitionen und Bedarf von Jahr zu Jahr immer weiter auseinander geht. Können wir uns wenigstens darauf verständigen, ohne dass wir gleich wieder gegenseitig in die Höhe gehen?

Wenn das so ist, komme ich auf die letzten Ansätze in der Rede des Staatssekretärs zurück. Dann muss man doch einmal die Frage stellen dürfen: Sind denn unsere Instrumente, die wir im Bundesfernstraßenbau anwenden, noch zeitgemäß? Vor allem: Taugen sie, um die uns gestellten Aufgaben zu erledigen?

Da kommt man wohl eher zu der Antwort, dass sie dazu nicht mehr taugen, als zu der Aussage, man könne einfach so weitermachen. Wenn man so weit ist, muss man wirklich überlegen, ob man den Bundesfernstraßenbau nicht aus dem ganzen Konzept der Haushaltsfinanzierung herausnimmt, indem man die Maut, die bisher für Lkws funktioniert, auf alle Fahrzeuge ausdehnt und das Geld nicht mehr in den Bundeshaushalt fließen lässt, sondern in eine Extrakasse. Diese Extrakasse dient dann eben nur noch der Aufgabe, Straßeninvestitionen, Straßenerhalt und Straßenunterhalt zu finanzieren.

Selbst wenn ich Ihre Zahlen als richtig unterstelle, so kann ich auf jeden Fall einen Vorwurf erheben: Was an Mauteinnahmen zusätzlich eingegangen ist, ist nicht auf Euro und Cent genau zusätzlich draufgesattelt worden.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das war auch rich- tig!)

Ich stelle jetzt ganz einfach einmal fest: Bei meiner Aussage, dass wir andere Systeme für den Bundesfernstraßenbau brauchen, habe ich von niemandem Protest gehört. Das wäre schon einmal eine ganz wesentliche Feststellung in dieser Debatte.

Dann setze ich noch eines obendrauf. Wir haben ja ein wunderbares Beispiel, wie wir als Land eine Zuständigkeit

besser ausfüllen, als es die Bahn oder der Bund in der Vergangenheit getan haben. Der Bund hat uns eine bestimmte Summe an Regionalisierungsmitteln gegeben und gesagt: „Dafür habt ihr den Schienenpersonennahverkehr zu übernehmen.“ Diese Handhabung hat bedeutet, dass wir in Baden-Württemberg – da können wir jetzt lange darüber reden, ob es genug ist oder nicht – eine deutliche Verbesserung des ÖPNV und vor allem des SPNV erreicht haben.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Jawohl!)

Von einer Verlagerung der Finanzierung des Bundesfernstraßenbaus vom Haushalt auf eine gesonderte Kasse oder Gesellschaft, davon, dass wir uns einmal darüber streiten, wie hoch der einzelne Länderanteil an dieser Kasse sein kann, und davon, dass die Länder das Geld für den Bundesfernstraßenbau zur eigenen Verwaltung bekommen, verspreche ich mir, dass wir in Baden-Württemberg Straßen schneller und vor allem bedarfsgerechter bauen, als das bisher der Fall ist. Dessen bin ich mir sicher. Das ist aber überhaupt kein Vorwurf an Rot-Grün. Das haben wir doch früher auch so gemacht.

(Abg. Göschel SPD: Windhundprinzip!)

Es führt doch nicht weiter, wenn Sie hier auf der einen Seite sagen: „So viel Geld hat Baden-Württemberg noch nie bekommen“, auf der anderen Seite aber erklären: Wenn der Scheuermann sagt, der Bedarf sei noch lange nicht erfüllt, hat er doch Recht.

Ich gebe Ihnen noch eine Anregung. Sie sollten wenigstens in dem Umfang, wie Sie Ihre rot-grüne Bundesregierung verteidigen, auch baden-württembergische Interessen im Auge haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Mappus CDU: Sehr gut! – Abg. Sti- ckelberger SPD: Sagen Sie das einmal Ihren Bür- germeistern und CDU-Landräten im Markgräfler Land!)

Nun, meine Damen und Herren, noch drei oder vier Sätze zum Schienenverkehr. Beim Schienenverkehr ist es eben so, dass die Bahn durch ihre Verkehre – also Güterverkehr und Personenverkehr – gerade so viel einnimmt, dass sie ihren Aufwand decken kann und kaum etwas für Investitionen erwirtschaftet. Das heißt, wenn wir Anliegen und Ansprüche an die Bahn haben, sind es wirklich Ansprüche an den Bundeshaushalt.

Da kann man nur sagen: Nach dem, was der Staatssekretär hier aufgezählt hat, kommen wir in Baden-Württemberg um die baldige Realisierung von zwei Vorhaben sicherlich nicht herum, nämlich um die Verlängerung der Neubaustrecke – plus Bahnhof in Stuttgart – und um unsere Zulaufstrecken zu den Alpentransversalen in der Schweiz. Es wäre doch schier ein Treppenwitz der Geschichte, wenn die da unten fertig wären und wir sagen würden: Die Lkws fahren halt bis an die Grenze in der Schweiz, und dort

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Werden sie umgeladen!)

kommen sie auf die Bahn.

(Abg. Göschel SPD: Und die CDU-Bürgermeister blockieren wieder!)

Etwas Dümmeres könnten wir ja nicht machen.

Jetzt rede ich doch gar nicht rückwärts gewandt, sondern ich sage: Lasst uns – wir wissen ja gar nicht, wie die neue Bundesregierung aussieht – zusammenstehen und gegenüber der neuen Bundesregierung sagen: So, wie Verkehrsinvestitionen bisher vorgenommen worden sind, kann es nicht weitergehen; denn das führt nur zum Chaos und zum Kollaps.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Mappus CDU: Sehr gut!)