Protocol of the Session on June 30, 2005

Die Landesregierung ist an einem konstruktiven Dialog mit allen Akteuren im Tierschutz interessiert. Deshalb wurde bereits vor 14 Jahren der Landesbeirat für Tierschutz eingerichtet. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dabei geht es nicht darum, dass wir ein Gremium zur Beruhigung einrichten. Vielmehr geht es darum, mit dem Landesbeirat für alle Seiten und alle Akteure, die im Bereich des Tierschutzes miteinander in Berührung kommen, ein konstruktives Forum zu schaffen. Ich habe den Eindruck – zumindest nach den wenigen Wochen, seit ich das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum leiten darf –, dass in dem Landesbeirat für Tierschutz sehr konstruktiv gearbeitet wird.

Wir bekennen uns zur zukunftweisenden Weiterentwicklung im Tierschutz. Aber dieses Ziel kann ich bei Ihren Bemühungen zum Thema Verbandsklage nicht erkennen.

Herr Kollege Winkler, Sie sind einfach zu spät dran. Der Bundesrat hat nämlich bereits in seiner 805. Sitzung am 5. November 2004 der Initiative von Schleswig-Holstein zur Einführung der Verbandsklage im Tierschutz auf Bundesebene eine klare Absage erteilt.

(Abg. Teßmer SPD: Das hat er doch gesagt!)

Das Gesetz war im Bundesrat

(Abg. Teßmer SPD: Das wissen wir doch!)

und ist dort abgelehnt worden. Es gibt auch keine Wiedervorlage. Sie fordern ja, das wieder aufleben zu lassen.

Meine Damen und Herren, dem Gesetzentwurf der Grünen zur Einführung der Verbandsklage auf Landesebene kann aus verschiedenen Gründen ebenfalls nicht zugestimmt werden. Ich will sie jetzt im Einzelnen gar nicht bis in das letz

(Minister Hauk)

te Detail beleuchten. Der Kollege Ulrich Müller hat hierzu aus grundsätzlichen Erwägungen heraus bereits einiges gesagt.

Vielleicht nur so viel: Ich halte es für unseriös, in einem Gesetz zur Einführung der tierschutzrechtlichen Verbandsklage in Baden-Württemberg nicht nur das Klagerecht von Tierschutzorganisationen – das ist der Knackpunkt – gegen sämtliche Einzelfallentscheidungen der zuständigen Behörden im Vollzug zu regeln, sondern auch detailliert die zahlreichen Einzelfälle festzulegen, zu denen anerkannten rechtsfähigen Vereinen die Möglichkeit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten gegeben werden soll, und dann die These aufzustellen, dass hierfür keine zusätzlichen Kosten für den Landeshaushalt entstehen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Frau Rastätter, was Sie fordern, ist schlichtweg utopisch. Ohne Personal- und ohne Sachkosten ist das für die Behörden gar nicht leistbar.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Ich habe den Eindruck, Sie wissen eigentlich selbst nicht genau Bescheid. Vorhin haben Sie gesagt: „eigentlich zu wesentlichen Punkten“. Ihr Gesetzentwurf sieht anders aus. Ihr Gesetzentwurf sagt: „in allen Einzelfällen“, wie ich eben ausgeführt habe. Das bedeutet im Klartext Folgendes: Davon sind auch ein Hundezüchter, der drei oder mehr fortpflanzungsfähige Hündinnen oder drei oder mehr Würfe pro Jahr hat, ein Katzenzüchter, der fünf oder mehr fortpflanzungsfähige Katzen oder fünf oder mehr Würfe pro Jahr hat,

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Das ist alles nicht genehmigungspflichtig!)

ein Vogelzüchter, der regelmäßig Jungtiere verkauft und mehr als 25 Zuchtpaare hat, usw. betroffen.

(Abg. Rüeck CDU: Da können Sie nichts machen, wenn die Katzen die fressen!)

Wollen Sie wirklich, dass diese Leute immer nur dann eine Erlaubnis für das Züchten der Tiere erhalten, wenn zuvor alle anerkannten Vereine die Möglichkeit zu einer Stellungnahme bekommen?

(Abg. Teßmer SPD: Das ist doch gar nicht das Thema! – Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜ- NE)

In meinen Augen ist es ein klares Misstrauensvotum auch gegen die Arbeit der Ethikkommission, wenn die anerkannten Vereine zusätzlich ein Mitwirkungsrecht und eine Klagebefugnis im Zusammenhang mit der Genehmigung von Tierversuchen bekommen sollen.

Mit § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzentwurfs würde die bundesrechtliche Regelung zur Stellung der Kommissionen gemäß dem Tierschutzgesetz unterlaufen. Zudem, Frau Kollegin Rastätter: Ich bin schon jemand, der versucht, den Föderalismus für das Land sehr weit auszulegen. Aber verfassungsrechtlich fraglich ist es natürlich schon, ob der Lan

desgesetzgeber über § 15 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes hinausgehende Regelungen treffen kann, da der Bundesgesetzgeber leider – das muss ich so sagen – von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht hat. Meine Damen und Herren, Frau Künast war jetzt doch einige Jahre Ministerin. Sie wird das ja hoffentlich nicht mehr lange sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Jetzt! Eine bessere Ministerin gibt es nicht! – Abg. Teßmer SPD: Das hat doch mit der Verbandsklage nichts zu tun!)

Aber Sie hätten in dieser Zeit, nachdem Sie schon die konkurrierende Gesetzgebung im Tierschutz zu sich, zum Bund herangezogen haben, diese Möglichkeit zumindest auch im Bundesrecht entsprechend nutzen können.

Meine Damen und Herren, fachlich würde dieses Gesetz also nichts anderes als eine gewaltige Aufblähung von Verwaltungsverfahren im Tierschutz bedeuten.

(Abg. Teßmer SPD: Das ist eine Annahme! Das ist nicht bewiesen!)

Nach § 3 Abs. 1 des Gesetzentwurfs soll anerkannten rechtsfähigen Vereinen die Möglichkeit eingeräumt werden, gegen die gesamte Arbeit der zuständigen Behörden Rechtsbehelfe einzulegen. Meine Damen und Herren von den Grünen, das zeigt ein tiefes Misstrauen gegenüber der Arbeit der zuständigen Behörden. Nichts anderes ist das. Sie sind noch immer in der 68er Generation.

(Lebhafter Widerspruch bei den Grünen – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Dafür sind wir doch zu jung! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das ist so. Sie stehen in einer getreuen Nachfolge und bringen allen Behörden und Institutionen zunächst einmal Misstrauen entgegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, so ist es nicht. Der Staat ist zur Neutralität

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Dafür haben wir Vertrauen in die Bundesregierung! – Unruhe)

und zu einem klaren, rechtmäßigen Gesetzesvollzug verpflichtet. Das ist der Knackpunkt. Trauen Sie doch bitte den zuständigen Behörden auch die notwendige Neutralität im Gesetzesvollzug zu.

(Beifall bei der CDU)

Zudem, Frau Rastätter – wo sind Sie denn?; ach ja, da –:

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Dann bräuchte man ja keine Gerichte!)

Auch die Behörden in Baden-Württemberg – das wissen Sie ja selbst – zeigen im Tierschutz ein großes Engagement.

Ich sage ganz offen: Ziel des Gesetzentwurfs der Grünen ist nicht der seriöse Tierschutz, sondern ein neues Instrument, um die Betriebe der Tierhalter und Tierzüchter aus Baden

(Minister Hauk)

Württemberg zu gängeln und unter Umständen auch zu verdrängen.

Sie, Frau Kollegin Rastätter, haben mir vorhin mit den Legehennen ein willkommenes Stichwort geliefert. Da wird auch die Doppelmoral ein Stück weit deutlich, unter der Sie agieren. Bleiben wir jetzt einmal bei den Legehennen. Jetzt haben wir eine europäische Vorschrift, nach der die Käfighaltung der Legehennen abgeschafft werden soll. Die Europäische Union sagt: Das machen wir bis Ende des Jahres 2012.

Meine Damen und Herren, es ist auch verständlich: Die Verbraucher sind der Meinung, die Hühner müssten aus den engen Käfigen befreit werden, und rufen zur Revolution auf. Deswegen kommen wir also diesem Aufruf durch eine Revolution nach und befreien die Hühner.

(Widerspruch bei der SPD und den Grünen)

Aber was Sie jetzt machen – und eben das ist die heuchlerische Doppelstrategie –, ist Folgendes: Sie haben sich im Bundesgesetz darauf verständigt – ein anderer Kompromiss war im Bundesrat auch nicht erzielbar; wir wollten eine weitere Übergangsregelung –, dass bereits ab dem Jahr 2007 die Hühner aus den engen Käfigen befreit werden. Was folgt, Frau Kollegin Rastätter? Ein Großteil derer, die neu investieren müssen, da sie ihre Hühnerhaltung ändern müssen, investieren nun nicht mehr in Deutschland, sondern gehen in andere Staaten der Europäischen Union oder gar ins weitere Ausland.

(Abg. Walter GRÜNE: Das sind doch Mythen!)

Nein, es ist so, Herr Kollege Walter. Die ersten dahin gehenden Investitionsentscheidungen sind ja bereits getroffen.

Das Ende vom Lied ist: Der Verbraucher, der den Hühnern ja zu Recht mehr Freiheit schenken will, schaut aber, wenn er tagtäglich seinen Eierkonsum decken will, eben nicht darauf, wo diese Eier letztendlich produziert werden. Das ist das eigentliche Problem. Wir verlieren Marktanteile in Baden-Württemberg, wir verlieren Marktanteile in Deutschland, und unter dem Strich haben Sie mehr unbefreite Hühner jenseits der deutschen Grenzen, als Sie befreite Hühner in Deutschland haben.

(Glocke der Präsidentin)

Das ist die grundsätzliche Krux.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Walter?

Ja, aber gerne.