Protocol of the Session on June 2, 2005

(Beifall bei der SPD)

Ich selbst kenne seit der vergangenen Kommunalwahl nun auch das Landratsamt in Reutlingen. Das ist bei Gott kein Neubau. Wissen Sie, was der Kreistag in Reutlingen am 16. März dieses Jahres mehrheitlich beschloss, weil niemand eine Erhöhung der Kreisumlage riskieren wollte? Die Erhöhung der Eigenanteile für die Schülerinnen und Schüler.

Unser Kreis war nicht allein. Landauf, landab blieb den Kreisräten auch im Zusammenhang mit dem Subventionsabbau – bekannt als Koch/Steinbrück-Papier – nichts anderes übrig, als die nicht gedeckten Schülerbeförderungskosten an die Eltern weiterzugeben. Der Alb-Donau-Kreis zum Beispiel hat in diesem Jahr eine Erhöhung um 6,50 € auf 28,50 € beschlossen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Was?)

Diese Situation wird sich in den kommenden Jahren noch verschärfen. Die schrittweise Kürzung der Ausgleichszahlungen beträgt in diesem Jahr 4 %, im nächsten Jahr 8 %, 2007 dann schon 12 %. Im Grunde handelt es sich um eine Verschlechterung der Chancengleichheit auf Bildung. Denn wer wird seit Jahren immer stärker zur Kasse gebeten? Die Eltern von Grundschülern, von Hauptschülern und von Förderschülern, wie auch die Stellungnahme zu unserem Antrag deutlich gemacht hat.

Was bleibt übrig vom Recht auf kostenfreien Besuch der Pflichtschule? Vor Jahren war genau für diese Gruppe die Schülerbeförderung noch kostenfrei. Heute werden die Eltern dieser Kinder kräftig geschröpft – ein weiterer Beweis dafür, dass Sie an der Sozialauslese unbeirrt und angesichts der PISA-Ergebnisse offensichtlich auch ohne jede Einsicht weiter festhalten.

(Beifall bei der SPD – Abg. Carla Bregenzer SPD: Schlimm ist das! – Zuruf des Abg. Göschel SPD)

Auch der Landeselternbeirat beobachtet die Entwicklung der Elternanteile an der Schülerbeförderung mit Sorge. Im vergangenen Jahr befürchtete der LEB eine weitere Erhöhungswelle nach der Kreistagswahl. Nun wissen wir: Die Befürchtungen haben sich bewahrheitet.

Inzwischen sagen Sie das auch offen, wie zum Beispiel beim CDU-Forum in Biberach – ich zitiere aus einem Artikel aus der „Schwäbischen Zeitung“ vom 13. Mai dieses Jahres –:

Die Bildungsbudgets werden nicht erhöht werden können. Hier müsse man auch an mögliches „Schlachten heiliger Kühe“ heran, wie die Lernmittelfreiheit und/ oder die kostenlose Schülerbeförderung.

(Abg. Göschel SPD: Das ist Familienfreundlich- keit!)

So, wie Sie das über die Verlagerung der Zuständigkeit nach unten bei gleichzeitigem Einfrieren der Landeszuschüsse machen, erinnert mich das Vorgehen an den langsamen Tod durch Verdursten. Wie können Sie vom „Kinderland Baden-Württemberg“ sprechen, gleichzeitig aber diejenigen, die sich für Kinder entschieden haben, in unverhältnismäßig starkem Ausmaß zur Kasse bitten? Wie überzeugen Sie junge Leute zur Gründung von Familien, wenn diese in der Zeitung lesen, dass sie dann, wenn ihre Kinder in die Schule kommen, enorm hohe Schülerbeförderungskosten zu tragen haben, von anderen Kosten ganz zu schweigen?

Sie senden an Eltern und Schüler bildungsferner und damit meist auch sozial unterprivilegierter Schichten ein fatales Signal. Man kann und sollte von dieser Gruppe durchaus mehr individuelle Anstrengungen in Schule und Ausbildung einfordern, wozu nicht zuletzt auch die Bereitschaft gehören muss, lange Fahrzeiten in Kauf zu nehmen. Ihnen aber noch zusätzlich in die Tasche zu greifen ist nicht nur sozial ungerecht, sondern blockiert in bestimmten sozialen Milieus jede Einsicht in die Notwendigkeit einer guten Ausbildung zur Verbesserung der eigenen Lebensperspektive.

(Beifall bei der SPD – Abg. Zeller SPD: Genau so ist es!)

Einmal mehr benachteiligt ist der ländliche Raum. 95 % der Fahrgäste im ländlichen Raum sind Schüler und Azubis. Das heißt, dort wirken sich die Kürzungen überproportional aus. Die Eigenanteile der Eltern werden weiterhin deutlich ansteigen. Die Ausdünnung der Fahrpläne ist als Einsparungsmaßnahme untauglich.

Am Beispiel meiner zwei Söhne, die ein berufliches Gymnasium in Reutlingen besuchten, möchte ich Ihnen dies ver

deutlichen: Abfahrt morgens in meinem Heimatort Zwiefalten – also typisch ländlicher Raum – um 5:25 Uhr,

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Rückkehr gegen 18 Uhr, bei längerem Unterricht gegen 20 Uhr.

Was ist zu tun? Das Land darf die Landkreise nicht im Regen stehen lassen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Carla Bregenzer SPD: So ist es! – Abg. Zeller SPD: Diese Landesregie- rung macht das aber!)

Wir fordern die Landesregierung deshalb in unserem Änderungsantrag auf, eine Konzeption vorzulegen, mit der sich das Land an den Kostensteigerungen bei der Schülerbeförderung zur Hälfte beteiligt bzw. mit der die 1997 eingefrorenen Beiträge wieder dynamisiert werden.

(Abg. Scheuermann CDU: Womit? – Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Ich möchte Ihnen einige sehr konkrete Vorschläge machen, wie ein finanzieller Ausgleich geschaffen werden kann:

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Entzerren Sie die Fahrgastspitzen durch einen späteren Schulbeginn! Dies wäre ohnehin lernpsychologisch vernünftiger.

(Zurufe der Abg. Scheuermann CDU und Heidero- se Berroth FDP/DVP)

Schaffen Sie die Zwangstickets für Studierende dort ab, wo sie im Vergleich zu den Schülermonatskarten unverschämt billig sind, wie zum Beispiel in Pforzheim, wo der Student 1,66 € zahlt, der Schüler aber 33 €.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Oi! – Abg. Hofer FDP/ DVP: Das zahlt die Stadt Pforzheim! Die Stadt Pforzheim zahlt das doch!)

Wohlgemerkt: Die Studierenden zahlen 1,66 € im Monat, nicht pro Fahrt.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Sag einmal! – Abg. Braun SPD: Unglaublich!)

Setzen Sie verstärkt auf Ganztagsschulen! Dann entfallen die zwei Fahrten über die Mittagszeit, die für die Schüler und Schülerinnen angeboten werden müssen, die Nachmittagsunterricht haben.

Nebenbei: Warum verlangen Sie keinen Nachweis von den Kommunen über die Verwendung der nicht unerheblichen Landeszuschüsse? Dann wäre schnell nachzuvollziehen, ob die Kreise mit dem Geld wirklich teure Neubauten von Landratsämtern bezahlt haben

(Abg. Scheuermann CDU: Ach!)

oder damit den eigenen ÖPNV finanzieren.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch noch etwas zu den Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen sagen.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Wer hat dir denn das auf- geschrieben?)

Unser bestehendes Beziehungsgeflecht mit Umlagen und Ausgleichstock, organisiert durch Städte und Gemeinden, Landkreise, Regierungspräsidien und Ministerien, funktioniert nicht mehr richtig. Ich beobachte prosperierende Kommunen, die sich jeden Fördertopf greifen können, weil es für sie kein Problem darstellt, die Kofinanzierung zu gewährleisten. Aber es gibt auch Städte und Gemeinden in strukturschwachen Regionen, wo genau dieses Geld für den Eigenanteil an den Förderprogrammen nicht mehr aufgebracht werden kann mit der Folge, dass Anträge schon gar nicht mehr gestellt werden oder erst nach mühseligem Diskussions- und Abwägungsprozess und dann unter Umständen zu spät.

Meine Damen und Herren von der Regierungsbank und von der Regierungskoalition, auch hier besteht Handlungsbedarf.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erhält Frau Abg. Lazarus.

(Abg. Zeller SPD: Jetzt kommt der Rechtferti- gungsversuch!)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion vom November 2003 ist ein Berichtsantrag, dessen Fragen im Wesentlichen durch ein Tabellenwerk, für dessen Erstellung es eines großen Zeitaufwands bedurfte, beantwortet wurden. Es ist zuzugeben, dass dieser landesweite Überblick durchaus interessant ist. Zum einen liefert er eine Momentaufnahme der Jahre 2002 und 2003, zum anderen wird die Verschiedenheit der Lösungen von Stadt- und Landkreisen bei der Schülerbeförderung sichtbar.

So weit, so gut. Aber die Absicht der SPD war natürlich nicht nur, Zahlen zu bekommen, sondern sie auch zu bewerten sowie Kritik und Forderungen damit zu verbinden.

Die Kritik an den Landeszuschüssen zu den Schülerbeförderungskosten steckt im Antrag zumindest in der Begründung. Die damit verbundene Forderung nach der Erhöhung des Landesanteils ist im Frühjahr 2004 verbal sehr heftig vorgetragen worden. Dieser Zeitpunkt lag ja auch kurz vor der Kommunalwahl 2004. Es gab sogar einen Antrag – so wie heute wieder –, jeweils die durch Tariferhöhungen entstehenden Verschlechterungen auszugleichen. Doch an der Stelle, wo es schließlich zum Schwur kommt, nämlich bei den Haushaltsberatungen, herrschte Schweigen. Da gab es keinen Antrag.

(Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es!)

Die Finanzer – so nennen sich ja die Mitglieder des Finanzausschusses häufig – in der SPD haben wohl eingesehen, dass es enormer Summen bedürfte, wenn sie nicht die Wirkung eines Tropfens haben sollten.

Der 1997 eingeschlagene Weg der Deckelung auf die 170 Millionen € hatte jedoch nicht nur finanzielle Gründe. Dazu muss ich ganz kurz die Entwicklungsgeschichte der Schülerbeförderungskosten darstellen, die übrigens viele gar nicht mehr kennen, weil deren Ursprung so lange zurückliegt.

Es gab nämlich schon immer Schülerbeförderung, vor allem im ländlichen Raum,

(Abg. Walter GRÜNE: Das ist klar!)