All diese Dinge sind kompliziert, und dem sollten wir Rechnung tragen mit sachlichen Beiträgen und mit einer Sprache, wie sie in der deutschen Rechtstradition steht: angemessen, distanziert und auf dem Boden unserer Verfassung. Darauf sollten auch Sie, Herr Justizminister, sich bewegen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst noch einmal kurz einen Satz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zitieren, weil er noch einmal das Grundthema klar macht. Bei Ziffer 46 heißt es:
Die Gleichmäßigkeit der Erhebung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen sowie die Verhinderung des Bezugs von Sozialleistungen bei Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen sind gewichtige Gemeinwohlbelange.
Meine Damen und Herren, genau darum geht es. Herr Stickelberger hat gesagt, die kleinen Leute hätten mit dem Gesetz kein Problem. Ich würde formulieren: Die Ehrlichen haben mit diesem Gesetz kein Problem. Meine Damen und Herren, möglicherweise ist das eine gute Ergänzung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Blenke CDU – Abg. Stickelberger SPD: Ja, das sind ja genau die! Die Kleinen sind die Ehrlichen! – Gegenruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP: So kann man auch Folter begründen: „Der Ehrliche braucht nichts zu befürchten“! – Gegenruf des Abg. Braun SPD: Herr Noll, es wird immer schlimmer!)
Jetzt noch einmal zum Kern: Schon jetzt besteht ja die Verpflichtung des Steuerpflichtigen, vollständige Angaben zu machen. Das ist ganz normal.
Die betreffenden Behörden haben schon jetzt das Recht, bei einer Bank die Kontostandsdaten abzufragen, wenn sie wissen, dass dort ein Konto vorhanden ist. Es geht doch jetzt lediglich darum, dass man den Behörden den Aufwand erspart, angesichts der 2 400 Bankinstitute, die wir in Deutschland haben, auf Goodwill-Basis da und dort nachzufragen. Es geht darum, die Daten, die es bereits gibt, beim Bundesamt für Finanzen zur Verfügung stellen zu können. Darum geht es, und deswegen sage ich noch einmal: mehr Sachlichkeit.
Zweitens – darauf ist noch nicht detailliert eingegangen worden –: Die Zahlen zeigen, dass es sich im Augenblick um eine unaufgeregte Angelegenheit handelt. Im Übrigen kann man immer noch korrigierend eingreifen.
Korrigierend eingreifen muss man jetzt allerdings, um auf der sicheren Seite zu sein. Sehr geehrter Herr Goll, der Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, den Sie kurz erwähnt haben, sagt ja nicht: „Weg mit dem Gesetz!“, sondern er sagt, das Gesetz müsse in bestimmten Punkten verbessert werden. Im Kern geht es dabei darum, dass die Anwendungsvorschriften, die es im Moment gibt, in Gesetzestechnik gegossen werden. Das ist der Kern der Angelegenheit.
Ich möchte zum Abschluss meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass unser Finanzminister einmal mehr gestärkt aus dieser Debatte hervorgeht.
Zur Fragwürdigkeit des Gesetzes: Im Grunde genommen hat mir Ihr Beitrag, Herr Birzele, klar gemacht, wie fragwürdig schon der erste Teil war: das Geld durch Prämien aus dem Ausland zu locken.
Damit sind diejenigen, die ihre Steuern bisher immer ehrlich hier bezahlt haben, in der Tat veräppelt worden. Deswegen war schon der erste Teil, den Sie beschlossen haben, aus meiner Sicht – auch rechtsstaatlich gesehen – hochproblematisch, lieber Herr Oelmayer – um das einmal klar zu machen.
(Abg. Braun SPD: Aber Sie wollten das doch! – Abg. Birzele SPD: Da haben Sie Recht! Aber wa- ren Sie gegen die Amnestie?)
Als zweiten Teil hat man etwas hinzugefügt, was einer Bloßstellung eines wichtigen Bereichs privater Lebensgestaltung, vom Bundesverfassungsgericht geschützt, gleichkommt. Bis jetzt musste ich nicht jedem offenbaren, wo ich Geld habe.
(Abg. Birzele SPD: Aber dem Finanzamt! – Abg. Ruth Weckenmann SPD: Dem Finanzamt mussten Sie das doch offenbaren! Was für ein Finanzamt haben Sie denn? – Zuruf der Abg. Regina Schmidt- Kühner SPD)
Ich möchte den Tag auch nicht erleben, an dem jeder unbescholtene Bürger offenbaren muss, wo er eigentlich irgendwelches Geld hat. Das war bisher kein Merkmal unseres Staates. Dieses ganze Gesetz, das Sie jetzt mitverteidigen – was mich übrigens irritiert –, braucht, auf Deutsch gesagt, niemand. Niemand würde das brauchen, wenn wir eine Abgeltungssteuer von pauschal 25 % einführen würden.
Das wäre übrigens nichts anderes als ein Vorgriff auf die Steuermodelle von Kirchhof, Solms, Merz und anderen.
Dann brauchten wir keine goldenen Brücken, um Gelder zurückzuholen, und wir brauchten keine Einrichtungen zum Schnüffeln – wenn ich das doch noch einmal sagen darf –; die wären überflüssig,
In diesem Zusammenhang will ich noch eines klarstellen: Sie sagten: „Gesetz ist Gesetz“, nachdem es beschlossen war.
Ich sage: „Gelinkt ist gelinkt“, weil Eichel mit der Abgeltungssteuer nämlich nicht kam. Damit hat er uns eine Zustimmung entlockt, und Sie haben das Recht verloren, uns darauf hinzuweisen – abgesehen davon, dass ich sowieso nicht nur das mache, was der Bund mir vorschreibt. Das kommt noch hinzu. Wir dürfen uns hier ja auch selbst noch überlegen, was falsch und was richtig ist.
Lieber Herr Oelmayer, Ihnen darf ich eines ins Stammbuch schreiben: Die Verfassungsbeschwerde, die Sie ständig heruntermachen, wird immerhin von einem sehr profilierten Juristen vertreten; das wissen auch Sie. Das ist kein Hans oder Michel. Herr Professor Dr. Gunter Widmaier ist ein sehr bekannter Jurist,
der exakt dieselben Positionen vertritt wie ich, nur noch etwas prononcierter als ich. Von dem können Sie sich noch einiges mehr anhören als von mir.
Letzte Bemerkung: An einem Punkt lasse ich mir das Wort nicht herumdrehen. Ich habe nicht gesagt, sie kämen mit Recht nicht zurück.
(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Doch! Das können Sie im Protokoll nachlesen! Haben wir alle gehört! – Weitere Zurufe von der SPD)
Nein. Sie können das nachher im Protokoll lesen. Ich habe gesagt, sie misstrauen den Zuständen bei uns mit Recht.
(Widerspruch bei der SPD – Abg. Ruth Wecken- mann SPD: Nein, das haben Sie nicht gesagt! – Weitere lebhafte Zurufe von der SPD – Gegenruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Unruhe)
Das ist unser Problem. Diesem überregulierten Staat Bundesrepublik Deutschland misstrauen mittlerweile viele, die sich in sichere Entfernung begeben haben,
(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sehr richtig! – Abg. Bir- zele SPD: Das ist ein Skandal! – Abg. Ruth We- ckenmann SPD: Sie sind doch ein Minister in die- sem Staat! – Zuruf von der SPD: Absurd!)
und zwar wegen dieser Überregulierung und wegen dieser Angst vor totaler Kontrolle – genau aus diesen Gründen.