Deswegen sage ich Ihnen noch einmal: Ergreifen Sie die Chancen mit dem neuen Gesetzentwurf, in Baden-Württemberg endlich initiativ zu werden, damit Sie vorankommen und nicht mehr als Schlusslicht bezeichnet werden müssen.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags.
Sie beantragen Überweisung an den Ausschuss Ländlicher Raum und Landwirtschaft. – Meine Damen und Herren, Sie stimmen der Überweisung zu. Es ist so beschlossen.
Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Erhebung von Unterrichtsversorgung und Unterrichtsausfall an baden-württembergischen Schulen – Starttermin und Kosten des Projekts „Schulverwaltung am Netz“ – Drucksache 13/2563
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten wir einen Antrag unserer Fraktion, der vermeintlich bereits am 4. Dezember 2003 beantwortet wurde. Ich benutze das Wort „vermeintlich“ ganz bewusst, denn wir machen mit dieser Landesregierung immer wieder die Erfahrung: Wo sie konkrete Fragen der Opposition nicht beantworten kann oder will, wo Versäumnisse, Missstände oder fehlende Konzepte bemän
telt werden sollen, werden Nebelkerzen geworfen oder vertagt man die Lösung der Probleme in die Zukunft und hofft wohl manchmal insgeheim darauf, dass die Opposition, die Medien oder, wie in der Bildungspolitik, Eltern, Lehrer und Schüler später schon nicht so genau hinschauen, was aus vielen der Ankündigungen geworden ist. Wir sprechen heute also keineswegs über einen alten Antrag, vielmehr messen wir die Realität an den baden-württembergischen Schulen an den Maßstäben dieser Regierung, wie sie nicht zuletzt in der Stellungnahme zu unserem Antrag definiert wurden. Diesen Zielvorgaben werden Sie nicht gerecht. Ich komme noch im Detail darauf zu sprechen.
Zunächst einmal: Über die Intention von „Schulverwaltung am Netz“ insgesamt möchte ich mich nicht kritisch äußern.
Im Kommunikationszeitalter ist es sinnvoll und geboten, dass Schulverwaltung und Schulen, aber auch Schulen untereinander und langfristig auch Lehrerinnen und Lehrer miteinander auf modernste Weise kommunizieren, das heißt E-Mails senden und empfangen sowie Daten austauschen können. Dies alles ist unbestritten.
Auch das zweite Ziel ist zu befürworten, nämlich die Einführung der digitalen Übermittlung schulstatistischer Daten ohne Medienbrüche zur zielgenauen Planung und Steuerung der Unterrichtsversorgung. Wir alle hoffen, dass, wenn E-Stat eines Tages richtig funktioniert – bisher tut es dies noch nicht, der von der Landesregierung angegebene Termin „Ende 2003“ ist längst überschritten –, gut geschulte Schulsekretärinnen und Schulleiter oder für die Datenerfassung abgestelltes Personal die Statistiken mit deutlich geringerem Zeitaufwand abgeben können.
Bei allen Veröffentlichungen zu SVN – Schulverwaltung am Netz – kann man lesen, wie wichtig die Sicherheit beim Datenaustausch genommen wird. Von gesichertem zentralem Internetzugang ist die Rede, der den Betrieb von Sicherheitstools ermöglicht und damit den notwendigen Schutz sensibler Daten im Verwaltungsbereich garantiert. Ein Jahr nach der Stellungnahme zu unserem Antrag – zu diesem Zeitpunkt steckte das Projekt noch immer in den Kinderschuhen – wurde bereits der Datenschutzbeauftragte des Landes aktiv. Zum Datenschutzbericht fragte die „Stuttgarter Zeitung“ süffisant, ob wir auf dem Weg zum gläsernen Schüler seien, und die „Schwäbische Zeitung“ titelte am 11. Dezember 2004: „Heikelste Daten auf dem Präsentierteller“. Unter der Zwischenüberschrift „Peinlichkeiten – Schülerdateien in der Kritik“ heißt es da – ich zitiere –:
Etwa 1 000 Seiten umfasst das Konzept des Kultusministeriums für eine zentrale und personenbezogene Schülerdatei. Warum sich das Kultusministerium zum Herrn der Daten aufschwingen wolle, war für Zimmermann nicht nachvollziehbar. Der umfangreiche Datenkatalog für Schüler – selbst Telefonnummern mancher Eleven sollten gespeichert werden – gehe weit über den Kreis der bisher für die Schulstatistik verwendeten Daten hinaus. Da könne man nur spekulieren, ob das Kultusministerium die Schulen wieder mehr an die Kandare nehmen wolle, hieß es.
Zwischenzeitlich konnte ich einer Präsentation zur „Schulverwaltung am Netz“ entnehmen, dass auf die zentral gespeicherten Schülerdaten nur die jeweilige Schule zugreifen darf. Das ist zu begrüßen, und das ist die logische Konsequenz der harschen Kritik von Fachleuten. Ich würde aber keine Wette dazu eingehen, ob das dann tatsächlich auch so funktioniert oder ob sich die Kultusverwaltung, für welche Zwecke auch immer, ein Guckloch offen hält.
Zur Datenerhebung über Unterrichtsversorgung und Unterrichtsausfall, der eigentlichen Intention unseres Antrags, erhielten wir mit der Stellungnahme vom 4. Dezember 2003 folgende Auskunft – ich zitiere –:
Mit dem schulischen Berichtswesen „E-Stat“, das mit „Schulverwaltung am Netz“ (SVN) eingeführt wird, stehen nach jetzigem Zeitplan ab dem kommenden Schuljahr alle Informationen zur Unterrichtsversorgung zur Verfügung. Deshalb kann auf Stichprobenerhebungen verzichtet werden.
Genau diese Stichprobenerhebungen hatte die SPD in ihrem Antrag gefordert, analog zu den Jahren 2000 bis 2002. Unter dem „kommenden Schuljahr“ war in der Stellungnahme wohl das Schuljahr 2004/2005 gemeint. Nun erfuhr ich durch einen Anruf beim Helpdesk des Kultusministeriums am 18. Mai dieses Jahres, dass das Projekt bzw. die Technik nebst allen Applikationen inzwischen voll funktionsfähig sei und dass die E-Stat-Datenerhebung zwar laufe, jedoch noch nicht flächendeckend.
Erlauben Sie mir einen kurzen Ausblick in die Zukunft: Auch zu Beginn des kommenden Schuljahres 2005/2006 wird es also noch keine flächendeckende elektronische Datenerhebung geben, die uns Auskunft über die tatsächliche Unterrichtsversorgung und über den Unterrichtsausfall gibt. Sie wollten uns darüber schlicht keine Auskunft geben, und deswegen sage ich hier in aller Deutlichkeit: Sie haben uns bei der Wahrnehmung eines zentralen Rechts des Parlaments, des Rechts auf Information über die Handlungen der Regierung, hintergangen.
Warum Sie das tun, liegt klar auf der Hand. Die E-Stat-Daten werden belegen, dass es mit der flächendeckenden und ausreichenden Unterrichtsversorgung nicht weit her ist. Diese Erkenntnis werden Sie den Betroffenen kaum vorenthalten können. Nur sollen es die Menschen erst nach der Landtagswahl im März nächsten Jahres erfahren.
Zwischenzeitlich erzählen Sie dem Parlament, man könne auf Stichprobenerhebungen verzichten, weil ja die Daten bald komplett verfügbar seien, und wahrscheinlich werden Sie uns heute – neun Monate vor der Wahl – mitteilen, das Projekt habe Anlaufschwierigkeiten, sodass jetzt leider überhaupt keine Daten zur Verfügung stünden. Eine solche Argumentation entspräche nachweislich nicht den Tatsa
chen und wäre zudem intellektuell unredlich. Denn selbstverständlich können Schwierigkeiten bei der Schnittstelle zur Schulverwaltungssoftware eintreten und wird es bei der Einführung einer neuen Technologie und der durch sie bedingten Reorganisationsmaßnahmen immer auch zu Verzögerungen kommen. Aber genau deshalb wäre es gerade Ihre Pflicht gewesen, die von uns geforderten Stichprobenerhebungen parallel durchzuführen.
Ob es nun zu der von Ihnen angekündigten flächendeckenden Auswertung der Unterrichtssituation und des Unterrichtsausfalls an öffentlichen Schulen bei Bedarf kommt, steht in den Sternen. Zu Beginn des Projekts erweckten Sie den Eindruck, durch E-Stat würde mit einem Mausklick eine Übersicht über die aktuelle Situation an allen Schulen im Land abgerufen werden können, sodass Arbeitskraft pädagogisch und unterrichtlich sinnvoller genutzt werden könnte als für das Zusammentragen von Daten zur Beantwortung von Landtagsanfragen der Opposition, weil diese dann sowieso in kürzester Zeit beantwortet werden könnten.
Wir möchten – und darauf bestehen wir – in Zukunft nicht nur den Istzustand für den Tag der Abgabe der Statistik irgendwann im Herbst erfahren, sondern wir möchten die neue Technik auch für uns als Opposition genutzt wissen, um stichprobenartig über Umfang und Ausmaß von Unterrichtsausfall informiert zu werden. Vielleicht passen dann die Klagen von Eltern, Lehrern und Schulleitern genauer mit den uns von Ihnen vorgelegten Zahlen zusammen.
Ich sagte es bereits: Wir sind überzeugt, dass, wenn wir das Ist der tatsächlich erteilten Stunden vom Soll abziehen, die Zahl der nicht gehaltenen Stunden deutlich zutage tritt. Dann wird das strukturelle Defizit an den Berufsschulen deutlich. Dann sehen wir, dass an den Sonderschulen eine Verschlechterung der Unterrichtsversorgung eingetreten ist. Dann erfahren wir, dass an Hauptschulen kaum noch Arbeitsgemeinschaften, erweitertes Bildungsangebot sowie Stütz- und Fördermaßnahmen angeboten werden, und dann werden wir amtlich bzw. digital mitgeteilt bekommen, dass sich die Schüler/Lehrer-Relation in den letzten Jahren trotz der zusätzlichen Neueinstellungen und trotz der Deputatserhöhung im gymnasialen Bereich verschlechtert hat. Vielleicht nutzt das Ganze dann auch der Argumentationskunst der Kultusministerin gegenüber dem Finanzminister, damit bei rückläufigen Schülerzahlen nicht heute schon von Einsparungen und Personalabbau gesprochen werden muss, sondern der Grad der Unterrichtsversorgung wieder erreicht werden kann, den wir schon einmal hatten.
Übrigens: Der Rechnungshof hat Ihr Projekt „Schulverwaltung am Netz“ schon Mitte Juli 2003 in der Denkschrift 2003 kritisiert. Ich zitiere wörtlich:
Der Rechnungshof hat das Kultusministerium darauf hingewiesen, dass das Projekt erheblich teurer werde als geplant und seine Umsetzung zu lange dauere.
In Nordrhein-Westfalen jammerte die CDU im Landtagswahlkampf über den offenbar zu hohen Unterrichtsausfall. In Baden-Württemberg wird dies Eltern und Schulleitungen, dem Parlament und der Öffentlichkeit nicht einmal mitgeteilt; das alles mit der Begründung, das Projekt „Schulverwaltung am Netz“ sei im Entstehen. Dabei zögern Sie den
Start dieses Projektes so lange hinaus, bis die Landtagswahl in Baden-Württemberg vorbei ist. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Deshalb unsere Forderung an Sie, in Bezug auf Unterrichtsausfall sofort eine Stichprobe zu veranlassen und uns nicht länger zu verheimlichen, wie hoch bei uns im Land der Unterrichtsausfall tatsächlich ist.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Herr Kollege Käppeler, eigentlich liegen wir gar nicht so weit auseinander. Aber die Unterstellungen, die Sie am Schluss in Richtung Ministerium gemacht haben, möchte ich zurückweisen. Es waren scharfe Geschütze, die Sie aufgefahren haben, die aber sicherlich nicht gerechtfertigt sind.
Das Projekt „Schulverwaltung am Netz“ ist sehr zu begrüßen. Es muss möglichst bald und endgültig eingeführt werden und auch funktionieren. Darin sind wir uns einig.
Die Modernisierung und Vereinfachung von Verwaltungsabläufen und der Kommunikation zwischen Schulen und Schulverwaltung ist unbestritten sinnvoll. Gerade bei den Diskussionen im Schulausschuss – da sind Sie ja immer wieder dabei –