Protocol of the Session on June 1, 2005

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Da haben wir im Land eine ganze Menge vorzuweisen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es! Das ist der Punkt! – Abg. Capezzuto SPD: Jetzt klatscht der auch noch! Das gibt es ja nicht!)

Wir haben eben nicht nur einen formalen Schritt vollzogen, sondern wir haben vielfältige Ansätze der Beteiligung Jugendlicher unterstützt und gepflegt.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Jawohl!)

Unverändert gilt die jugendpolitische Konzeption der Landesregierung, Jugendliche stärker auf unterschiedliche Weise in das kommunalpolitische Geschehen einzubeziehen. Deshalb wird nicht nur die Arbeit von Jugendgemeinderäten, sondern auch von Jugendausschüssen und von Jugendforen zur direkten Beteiligung Jugendlicher am politischen Leben unterstützt. Durch die 1998 erfolgte Änderung der Gemeindeordnung

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

wurde den Gemeinden die Möglichkeit eröffnet, einen Jugendgemeinderat einzurichten und an den Sitzungen des Gemeinderats zu beteiligen. Wir haben durch Kabinettsbeschluss von gestern die Initiative von Volker Schebesta und der CDU-Fraktion aufgegriffen und für andere Jugendvertretungen eine Ausgangslage geschaffen, die sie ebenfalls an Gemeinderatssitzungen beteiligen kann – ich halte das für wichtig –, weil sich herausgestellt hat, dass man den Jugendlichen nicht nur in der einen Form der Jugendgemeinderäte Mitwirkungsmöglichkeiten anbieten sollte. Wir haben ja die Beispiele, dass Jugendgemeinderäte

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Funktionieren!)

sang- und klanglos wieder aufgelöst wurden, aber andere Formen der Beteiligung durchaus für angemessen gehalten werden – offene Formen, Partizipation entsprechend den Anliegen und den Handlungsformen der Jugendlichen.

Um die Partizipationsformen weiterzuentwickeln, haben wir in den vergangenen zwei Jahren ein umfangreiches Modellprojekt „Gelingende Beteiligung vor Ort“ initiiert und unterstützt, an dem sich alle wichtigen im Jugendbereich Verantwortung tragenden Institutionen des Landes beteiligt haben.

In ausgewählten Modellgemeinden wurden Bausteine für eine gelingende Beteiligung entwickelt und erprobt. Dabei wurden die Verantwortlichen in den Verwaltungen eng einbezogen. Im Ergebnis zeigt sich, dass in erster Linie kinderund jugendgerechte Methoden der Aktivierung und Motivierung zum Erfolg führen. Die Berücksichtigung des Ideenpotenzials von Kindern und Jugendlichen führt zu wirklicher und gelingender Partizipation. Beteiligung hat viele Gesichter.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig! – Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Nach den Erkenntnissen des Partizipationsprogramms beteiligen sich Jugendliche besonders gern, wenn folgende Faktoren berücksichtigt werden: zeitlich überschaubarer Einsatz,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Mitberücksichtigung ihrer Vorschläge, Beratung und Begleitung durch kompetente Erwachsene, erkennbare Erfolge bereits am Ende des Projekts.

Lang anhaltende Verpflichtungen sind schwieriger zu erfüllen als projekthafte Arbeit.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Unsere Erfahrungen decken sich hier im Übrigen voll mit den Erkenntnissen der Shell-Jugendstudie.

Thematisch kümmern sich Jugendliche – das ist in der Shell-Studie auch belegt – gerne um soziale Fragen, um Umweltfragen, aber auch um eigene Anliegen wie Jugendräume. Eines der besten Programme, das im Land BadenWürttemberg je aufgelegt wurde, ist den Jugendlichen zugewandt. Es ist das Programm „Der Jugend Räume schaffen“. Dieses Programm lebt davon, dass die Jugendlichen selbst in der Konzeption und durch Eigenarbeit an den Projekten teilhaben müssen. Das Ergebnis sind bis jetzt 700 offene Jugendräume in Baden-Württemberg. Das Programm läuft weiter. So gestaltet man Partizipation von Jugendlichen, die diese nachher auch verstehen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Weil vorhin die Schule angesprochen wurde, möchte ich sagen, dass in den laufenden Schulreformen auch die Beteiligungsrechte der Jugendlichen entscheidend weiterentwickelt worden sind. In einer Schulkultur, die die Erarbeitung von Schulcurricula zum Inhalt hat, die Evaluationen vorhat, geht es nicht ohne die Beteiligung von Schülerinnen und

(Staatssekretär Rau)

Schülern. Deshalb haben wir Bausteine in die neuen Bildungspläne aufgenommen – „In Gemeinschaft leben“ und „Demokratie lernen“ –, die nicht nur theoretische Erkenntnisse, sondern auch praktische Teilhabe beinhalten. Jedes Schulcurriculum muss durch die Schulkonferenz, in der die Schüler beteiligt werden. Auch die Ergebnisse von Evaluationen werden durch die Schulkonferenz behandelt werden müssen, und dort werden wiederum die Schülerinnen und Schüler beteiligt.

Schüler lernen in der Schule, wie man Verantwortung für die Gemeinschaft übernimmt. Verantwortung zu übernehmen ist eine wichtige Voraussetzung, um mitzuentscheiden. Ein herausragendes Programm des Landes ist die Ausbildung von Schülermentoren. Über 14 000 Schülerinnen und Schüler sind in den letzten Jahren in unterschiedlichen Bereichen mit gesellschaftspolitischen Bezügen ausgebildet worden, um Verantwortung für Gruppen und Gemeinschaften zu übernehmen.

Das alles ist wesentlich wichtiger als die Frage,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Wahlalter!)

ob wir hier wieder einmal über das Wahlrecht diskutieren

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

und damit so tun, als ob davon abhinge, wie sich Jugendliche in unserer Demokratie beteiligen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ob sie ernst genom- men werden!)

Wir müssen ihnen sinnvolle Aufgaben geben, dann wird das gelingen. Daran werden wir weiter arbeiten.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut!)

Das Wort erhält Herr Abg. Bayer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär Rau, ich halte es für ein starkes Stück, die Bemühungen und das Ringen um gute Formen der Partizipation von Jugendlichen in unserem Land als Showeinlage zu bezeichnen. Das spricht nicht für die Ernsthaftigkeit, die dem Thema eigentlich gebührt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Ich möchte noch eine grundsätzliche Überlegung nachschieben: Politische Entscheidungen haben insgesamt ein Strukturproblem, nämlich die Tendenz der Bevorzugung der Gegenwart bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Zukunft.

(Abg. Schebesta CDU: Insbesondere bei Rot-Grün in Berlin!)

Jeder fasse sich an die eigene Nase! – Ich nenne beispielhaft drei Problemkreise aus der Jugendperspektive: Staatsverschuldung, Umweltzerstörung und unzureichende Investitionen in Bildung und Forschung. Vor diesem Hintergrund sehe ich auch nach dieser Debatte keine in sich schlüssige

Argumentation, warum man dem oder der 16-Jährigen, der oder die wählen will, das Wählen verbieten sollte.

Wir tun so, als wenn wir bei dieser Angelegenheit etwas zu verlieren hätten. Das haben wir doch nicht. Wir haben nichts zu verlieren, aber wir können einiges gewinnen. Denn das Weiterbestehen und die Weiterentwicklung einer demokratischen Ordnung können nur gesichert werden, wenn es uns gelingt, der nachwachsenden Generation nicht nur allein Loyalität abzuverlangen, sondern den jungen Menschen auch handfeste und effektive Beteiligungsmöglichkeiten zu eröffnen. Warum denn nicht durch Aufwertung der Rechte von Jugendgemeinderäten? Warum denn nicht durch die verbindliche Verankerung von weiteren Partizipationsformen? Warum denn nicht durch die Senkung des Wahlalters bei Kommunalwahlen wie in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen? In Hessen ist eine entsprechende Regelung wieder einkassiert worden, als Koch ans Ruder kam.

Übrigens, Herr Staatssekretär, in der Tat ist die Wahlbeteiligung von jungen Leuten, von jungen Erstwählern überall erschreckend niedrig.

(Abg. Wacker CDU: Das ändert sich aber nicht durch die Herabsetzung des Wahlalters!)

Aber gerade in Nordrhein-Westfalen zeigt sich, dass die Altersgruppe der 16- und 17-Jährigen immerhin zu einem höheren Prozentsatz gewählt hat als die ihr nachfolgende Gruppe der 18- bis 21-Jährigen.

Hannah Arendt versteht unter Politik ganz allgemein und ganz basal, etwas blumig ausgedrückt, die angewandte Liebe zur Welt. Ich meine, wir sollten Kinder und Jugendliche möglichst früh an dieser Form von Politik teilhaben lassen.

(Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU – Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange- zeigt.)

Ich komme gleich zum Ende.

Der Landesjugendring kritisiert in einer Presseerklärung von gestern den Zeitpunkt der Einbringung dieses Gesetzentwurfs. Er kritisiert nicht den Inhalt; er geht inhaltlich ja weit darüber hinaus. Der Landesjugendring spricht von größeren Chancen, wenn die Debatte im Rahmen der Diskussion der Enquetekommission „Demografischer Wandel“ im Herbst geführt würde. Ich kann mir nicht richtig vorstellen, dass dies ernst gemeint ist. In einer von Wahlkampfrhetorik geprägten Zeit Ende dieses Jahres besteht meines Erachtens eher weniger Spielraum für Konsens in einer möglicherweise strittigen Angelegenheit.

Im Übrigen – das sage ich ganz persönlich – bin ich es auch leid, einmal gestartete parlamentarische Initiativen zurückzustellen, nur weil vonseiten der Regierungsfraktionen die Möglichkeit einer eventuellen oder kurz bevorstehenden Bewegung signalisiert wird.

(Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Im Interesse einer echten Realisierungschance habe ich dies mehrfach getan, und zwar bei dem Versuch, die Altersgrenze für Sonderurlaub von Jugendgruppenleitern von 18 Jah