Protocol of the Session on September 26, 2001

(Unruhe bei der SPD)

Urhaushalt 2000/2001 – hören Sie gut zu –: 800 Neustellen, vorgezogen von 2001 auf 2000 400 Neustellen. Erster Nachtrag: Neuschaffung weiterer 940 Neustellen. Insgesamt im Jahr 2001 mit den ersetzten pensionierten Lehrern: 4 000 neue Lehrer. Zweiter Nachtrag: nochmalige Erhöhung von 940 Neustellen um 150 auf 1 090. Im Haushaltsjahr 2002 sind es immerhin mehr, als Sie vorgeschlagen haben. Im Haushalt 2002/2003 sind es insgesamt 3 020 neue Lehrer.

Bei dieser Bilanz sagen Sie uns, 13,5 zusätzliche Personalstellen im Staatsministerium wären nicht gerechtfertigt. Ich will Ihnen das ganz offensiv sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Das Staatsministerium ist auch ein Aushängeschild für Baden-Württemberg. Es ist die höchste Behörde, die Baden-Württemberg repräsentiert.

Ich will Ihnen daher einige Vergleichszahlen nennen. Vergleichen wir doch einmal die Stellen der Staatskanzleien der Bundesländer, bezogen auf die Einwohnerzahl. Da ist Baden-Württemberg mit 17,7 pro Million Einwohner Spitzenreiter. Wir haben am wenigsten. Zum Vergleich: Niedersachsen hat 26,24 Stellen pro Million Einwohner – knapp doppelt so viel –, Schleswig-Holstein 51,08 – das Dreifache –,

(Oh-Rufe von der CDU)

Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern haben das Dreieinhalbfache, und Brandenburg hat viermal so viel Stellen. Das ist die wirkliche Situation.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Nachtrag umfasst zwangsläufige Mehrausgaben und Mindereinnahmen, etwa Maßnahmen im Bereich BSE für 68 Millionen DM. Beim Hockenheimring hatten wir eine erste Tranche der ins Auge gefassten 30 Millionen DM vorgesehen, und was uns Hockenheim wert ist, ist uns auch Iffezheim wert. Wir schlagen Ihnen mit einem Änderungsantrag, den wir heute einbringen,

(Abg. Schmid SPD: Ein bisschen spät!)

vor, die Rückerstattung der Rennwettsteuer von 90 % auf 96 % zu erhöhen. Das gilt für alle Rennbahnen, wirkt sich aber insbesondere natürlich für Iffezheim aus.

Ein zweiter wichtiger Bereich von Investitionen, die wir mit dem zweiten Nachtragshaushalt vorhaben, betrifft die Zukunftsoffensive III. Es geht insgesamt um 1,1 Milliarden DM. Wir planen jetzt erste Tranchen: 121 Millionen DM und 174 Millionen DM an Verpflichtungsermächtigungen.

Ein dritter Bereich des Nachtragshaushalts betrifft die Übernahme einer neuen stillen Beteiligung bei der Landesbank. Wir beteiligen uns mit einem Betrag von 2 Milliarden DM. Das ist ein gutes Geschäft, weil es dem Land jährlich 24 Millionen DM erbringen wird.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: In den Jahren 2000 und 2001 haben wir unseren Kurs des Sparens und Investierens fortgesetzt und haben unser Land BadenWürttemberg nach vorne gebracht. Deswegen haben wir, Frau Kollegin, auch die Landtagswahlen überzeugend gewonnen. Auf diesem erfolgreichen Weg werden wir fortfahren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Moser.

(Abg. Capezzuto SPD: Gibs ihm!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Scheffold, Sie haben weitgehend über Berlin geredet, weil Ihnen zu Stuttgart offensichtlich nichts eingefallen ist.

(Beifall bei der SPD)

Ein bisschen mehr als Aussagen zu Hockenheim und Iffezheim hätte ich schon erwartet. Zu Iffezheim so viel: Wenn Sie dem dortigen Bürgermeister schon erklären, Sie wollten mit der Opposition darüber reden, ob dieser Antrag gemeinsam formuliert werden soll, weil es ja auch ein heikler Antrag ist, dann sollten Sie das, bitte schön, auch tun. Dann sollten Sie nicht erst heute Morgen im Aufzug die Leute ansprechen und uns den fertigen Antrag auf den Tisch legen. Das ist unkollegial.

(Beifall bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es! – Abg. Capezzuto SPD: Unglaub- lich!)

Das Haushaltsjahr 2001 ist finanzpolitisch gesehen im Grunde genommen weitgehend gelaufen. Dieser Nachtragshaushalt vollzieht den Willen der Mehrheitsfraktion, die Zukunftsoffensive auf die Reihe zu bekommen und Geld für gemeinnützige Projekte aus dem Verkaufserlös der EnBW-Aktien auszugeben.

Die Einnahmen und Ausgaben erhöhen sich auf 62,3 Milliarden DM. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt des Landes sind dies rund 11 %.

Wir haben in den vorbereitenden Finanzausschussberatungen viele Positionen zustimmend zur Kenntnis genommen, nicht jedoch die stark steigenden Kosten für die Vertretung des Landes Baden-Württemberg in Brüssel. Es wäre besser gewesen, wenn Sie drei Staatsanwälte für den FlowTexProzess zur Verfügung gestellt hätten statt 12 oder 13 Beamte in Brüssel.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD hält es, auch wenn wir einiges zustimmend zur Kenntnis genommen haben, jedoch grundsätzlich für falsch und für finanzpolitisch abwegig, sich zunehmend in die Abhängigkeit der Gemeinnützigkeit zu begeben und Milliardenbeträge nicht der Schuldentilgung zuzuführen, Herr Scheffold. Das ist nämlich Stuttgart: Schulden machen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Zur Erinnerung: Der Schuldenstand des Landes beträgt rund 62 Milliarden DM, entspricht also dem Volumen eines Jahreshaushalts. Die Zinslast liegt bei 3,5 Milliarden DM pro Jahr. Schauen Sie einmal, wie viele Ressorts so viel für ihre Aufgaben ausgeben können wie das, was wir an Zinsen bezahlen.

Den im Nachtrag ausgewiesenen Zukunftsinvestitionen versagen wir in weiten Teilen nicht die Unterstützung; ich sage das ausdrücklich.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Gut!)

Insoweit signalisiere ich Ihnen den Burgfrieden, den die einzelnen sinnvollen Projekte brauchen, auch wenn die finanzpolitische Konstruktion falsch bleibt.

Dies gilt, nebenbei gesagt, auch für die Landesstiftung gGmbH, über die wir auch einmal reden müssen. Hierzu die Bemerkung, dass die Stiftung praktisch der Parlamentskontrolle entzogen ist.

(Abg. Alfred Haas CDU: Was?)

Ich bin selber Mitglied des Aufsichtsrats, aber ich sage Ihnen einmal, wie das läuft: Es herrscht die Mehrheit der Minister, die ihre Projekte durchsetzen. Das Parlament ist mit seinen Vertretern im Aufsichtsrat immer in der Minderheit.

(Abg. Oettinger CDU: Das stimmt doch gar nicht, Herr Kollege!)

Der Ministerpräsident als Aufsichtsratsvorsitzender dirigiert und bestimmt und kann dann durch das Land reisen

und Projekte verkünden. Für die Regierung ist dies sicherlich angenehm.

(Abg. Alfred Haas CDU: Wie oft haben Sie das gemacht?)

Finanzpolitisch muss jedoch auf die Kehrseite der Medaille hingewiesen werden. Üblicherweise bleiben die Fraktionen bei den Haushaltsberatungen innerhalb des Finanzrahmens, den das Finanzministerium vorgibt. Dies bedeutet jedoch, dass ohne die Mobilisierung anderer Einnahmequellen wie beispielsweise durch eine weitere Neuordnung des Landesvermögens vielleicht noch ein Spar- und Umschichtungsrahmen von ca. 200 bis 250 Millionen DM pro Jahr seriös erarbeitet werden kann – mit fallender Tendenz übrigens –, also, wenn es hoch kommt, 4 bis 5 Promille. Die Landesstiftung dagegen schüttet pro Jahr rund 130 bis 140 Millionen DM aus – am Parlament vorbei. Hier liegt das Problem: Die Spielräume des Landesparlaments werden kleiner; die Landesstiftung dagegen handelt außerhalb des Parlaments mit stabilen Ausschüttungen. Ziehen die Zinsen wieder an, dann steigen die Möglichkeiten der Stiftung in einem höheren Maße als die des Parlaments bzw. des Haushaltsplans, weil steigende Zinsen für uns zunehmende Belastungen bedeuten, während es bei der Stiftung zusätzliche Einnahme- und Ausgabemöglichkeiten sind. Diese Konstruktion ist fatal. Sie entmachtet uns schleichend und ist schon deshalb falsch.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Ich sage aber noch einmal: Ich rede nur von der Konstruktion, ich rede nicht von dem, was Gutes damit gemacht wird, weil ich als Parlamentarier eine andere Auffassung davon habe, wie die Kontrolle des Staatshaushalts und der Staatsausgaben und von allem, was damit zusammenhängt, aussehen muss, als die Gegenseite hier im Haus.

Überschattet wurden und werden die Nachtragsberatungen in der Öffentlichkeit aber bereits von den Auseinandersetzungen um den Doppelhaushalt 2002/2003. Da, meine Damen und Herren von CDU und FDP/DVP, sind Sie dabei, die Grundsätze zu verspielen und Vertrauen bei der Bevölkerung zu verlieren. Das Koalitionspapier ist schon nichts mehr wert. Denn eines Ihrer wichtigsten Projekte, nämlich den Verschuldungsanstieg bis 2006 zu stoppen, werden Sie, wenn Sie so weitermachen wie bisher, nicht erreichen. Kaum hatten Teufel und Döring die Nullverschuldung verkündet, durfte oder musste CDU-Generalsekretär Kauder, der diesem Parlament gar nicht angehört und somit keine Verantwortung hier bei uns trägt, verlauten lassen, dass die Nullverschuldung bis 2006 nicht zu erreichen ist. Sie kündigen die Kapitulation an, bevor Sie überhaupt angefangen haben.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Ursu- la Haußmann SPD: So ist es! – Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP)

Man muss sich einmal in aller Ruhe durch den Kopf gehen lassen, was sich hier abzeichnet: Seit Jahren warnt der Landesrechnungshof vor einer Verschlechterung der Haushaltsstrukturen und vor einer Verschlechterung bei den Schulden bei uns hier im Land. Seit Jahren ziehen CDU

und FDP/DVP durchs Land und warnen vor den Lasten, die wir unserer Jugend und den zukünftigen Generationen hinterlassen. Aber was tun Sie auf der Regierungsseite in der Praxis? Das genaue Gegenteil von dem, was Sie sagen: Sie verschulden sich weiter. Zu solchen Leuten, meine sehr verehrten Damen und Herren, habe ich kein Vertrauen. Da ist mir Hans Eichel in Berlin schon lieber,

(Beifall bei der SPD)

der nicht bei jedem Windlein, das finanzpolitisch durch das Land weht, das Fähnlein umsteckt und nach dem Motto handelt: „Was geht mich mein saudummes Geschwätz von gestern an?“

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Heike Dederer GRÜNE – Zuruf des Abg. Fleischer CDU – Abg. Seimetz CDU: Ob er das wohl selber glaubt?)

Dann darf ich auch einmal im Lichte dieser ganzen Verschuldungsdebatte das, was der Kollege Scheffold und CDU und FDP als neues Kampfinstrument entdeckt haben, ansprechen, nämlich das Vorziehen der Steuerreform. Sind Sie von der Regierungsseite sich eigentlich darüber im Klaren, dass Sie bei weiteren Einnahmeausfällen – und die sind sicher, wenn Sie die Steuerreform vorziehen – blindlings in eine neue Schuldendimension für Baden-Württemberg hineinlaufen würden, wie wir sie bisher noch gar nicht gekannt haben?

(Abg. Alfred Haas CDU: Das ist schnell wieder ausgezahlt!)

Sind Sie sich darüber eigentlich im Klaren?