Protocol of the Session on March 17, 2005

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 88. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Urlaub für heute habe ich Frau Abg. Schmidt-Kühner und Herrn Abg. Dr. Christoph Palmer erteilt.

Krank gemeldet sind die Herren Abg. Seimetz und Kurz.

Dienstlich verhindert sind Herr Ministerpräsident Teufel, Herr Minister Müller, Herr Minister Köberle und – heute Nachmittag – Frau Ministerin Dr. Schavan.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Justizministeriums – Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie durch die Bundesregierung – Drucksache 13/3982

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Abg. Dr. Schüle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit dem gestrigen Abend sind, wenn die Informationen aus Berlin zutreffen, die Chancen enorm gestiegen, dass die Forderungen der CDU erfüllt werden, das Antidiskriminierungsgesetz in der aktuellen Fassung nicht in Kraft treten zu lassen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Al- fred Haas CDU: Hervorragend! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Rot-Grün scheint hinsichtlich einer 1:1-Umsetzung des EURechts eingelenkt zu haben. Ich stelle fest, dass das ein Erfolg der CDU sowie der FDP ist, die ja von Anfang an klar Position bezogen haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hillebrand CDU: Sehr gut! – Abg. Stickelberger SPD: Abwarten und Tee trinken!)

Aber noch ist das Gesetz nicht endgültig vom Tisch.

(Abg. Stickelberger SPD: So ist es!)

Deshalb ist die Debatte sinnvoll,

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Weitere Zurufe)

und deshalb ist es auch richtig, dass wir uns mit diesem Thema befassen.

Selbstverständlich ist es Aufgabe von uns allen, sich gegen jegliche Form von Diskriminierung zur Wehr zu setzen. Dazu ist auch ein Mindestmaß an gesetzlichen Regelungen notwendig; das ist keine Frage. Auch sind die EU-Richtlinien umzusetzen.

(Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Aber der jetzige Entwurf, Herr Kollege Walter, ist über dieses Ziel weit hinausgeschossen. Ich habe ja eingangs erwähnt, dass Rot-Grün dies eingesehen hat. Jetzt gilt es, aus den Fehlern in dem vorliegenden Gesetzentwurf im Hinblick auf den nächsten Entwurf, der ja kommen wird, zu lernen.

(Abg. Stickelberger SPD: Sie sind doch schon ge- gen die EU-Richtlinie!)

Der jetzige Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes beinhaltet viele Grundfehler. Zum einen schränkt er die Freiheit des Einzelnen in unerträglicher Weise ein.

(Abg. Hillebrand CDU: Richtig!)

Das Gesetz führt zum anderen zu einer immensen Bürokratieflut. Angesichts der Zahl von 5,2 Millionen Arbeitslosen in unserem Land ist das das Letzte, was wir brauchen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Drittens hilft das Gesetz dem zu schützenden Personenkreis im Übrigen nicht nachhaltig, sondern führt stattdessen teilweise zu Benachteiligungen bei anderen Personenkreisen.

An drei Fallkonstellationen lege ich Ihnen dar, wo besonders gravierende Fehler im Gesetzentwurf enthalten sind.

(Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Erstens: Der Gesetzentwurf sieht in § 15 vor, dass der Arbeitgeber in Zukunft die Beweislast dafür trägt, dass er einen Arbeitnehmer nicht diskriminiert hat.

(Zurufe von der CDU: Unglaublich!)

Es reicht aus, dass der Arbeitnehmer so genannte Vermutungstatsachen für eine Diskriminierung in der Art und Weise vorträgt, dass das Gericht sie für wahrscheinlich hält. Kann der Arbeitgeber das nicht entkräften, muss er Schadenersatz oder eine Entschädigung in unbegrenzter Höhe – sie ist nach oben nicht begrenzt – bezahlen.

Die Folge daraus wäre: Um sich zu schützen – so zu Recht die Befürchtung vieler Arbeitgeber –, muss bei Einstellungsverfahren eine umfassende Dokumentation angelegt werden. Und die Konsequenz daraus ist: Zukünftig werden objektiv gerichtsfeste Tatsachen, wie beispielsweise die Note, dominierend sein. Aber Teamfähigkeit, soziale Kompetenz und andere Kriterien, die man nicht so direkt gerichtsfest feststellen kann, werden keine entscheidende Rolle mehr spielen. Das sind entscheidende Nachteile für die Betriebe.

(Abg. Gall SPD: Das ist Unsinn, was Sie da erzäh- len! Völliger Unsinn!)

Deshalb ist dieser Punkt abzulehnen.

Aber das allein reicht noch nicht. In § 16 – das ist absurd – ist geregelt, dass der Unternehmer auch für Diskriminierungen von Mitarbeitern durch Dritte verantwortlich gemacht werden soll,

(Zuruf des Abg. Birzele SPD)

und das auch verschuldensunabhängig.

(Abg. Hillebrand CDU: Unglaublich!)

Ein Beispiel: Wenn ein streng gläubiger Moslem in eine Bank kommt und sich dort von einer Frau nicht bedienen lassen möchte, dann ist der Arbeitgeber verpflichtet, Abhilfe zu schaffen, und dies verschuldensunabhängig und mit Schadenersatzansprüchen. Meine Damen und Herren, das kann nicht Sinn der Übung sein.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Theurer FDP/ DVP)

Zweitens: Ich komme zu den Einschränkungen der Vertragsfreiheit im Mietrecht. Im gewerbsmäßigen Mietrecht könnte der Vermieter zukünftig nicht mehr frei entscheiden. Jedenfalls muss er sich mit Rücksicht auf mögliche Klagen an objektive Kriterien halten, die gerichtsfest vertreten werden können. Das ist aus der Sicht des Vermieters – das hat sich inzwischen herauskristallisiert – aus der Diskussion. Das objektivste Kriterium für einen Vermieter ist die wirtschaftliche Potenz des Mieters, also die Sicherheit der Einnahmen des Vermieters. Das bedeutet aber konkret: Hat ein Vermieter mehrere Bewerber, beispielsweise eine junge Familienmutter mit geringem Einkommen, einen Senior – Stichwort „Alter als Diskriminierungstatbestand“ – mit geringem Einkommen und einen Single mit hohem Einkommen, muss er, wenn er ganz sichergehen will, den Single nehmen, weil er hier nachweisen kann,

(Abg. Birzele SPD: Das ist doch Unsinn! Das ist doch kompletter Unsinn, was Sie da erzählen! – Gegenruf des Abg. Alfred Haas CDU: Ja, das ist Unsinn, genau! – Abg. Theurer FDP/DVP: Da ha- ben Sie Recht, Herr Birzele! Das ist Unsinn!)

dass er, Herr Kollege Birzele, objektiv richtig handelt. Da kommen Sie recht, und da machen Sie bei uns mit.

(Abg. Birzele SPD: So etwas sagt ein Jurist! – Ge- genruf des Abg. Alfred Haas CDU: Sie sollten den Unsinn mal lesen!)

Drittens – das sollten wir uns auch vor Augen führen –: In diesem Gesetzentwurf haben so genannte Antidiskriminierungsverbände ein Klagerecht erhalten. Das heißt, ein Betroffener kann seinen Anspruch an diese Verbände abgeben, und diese Verbände können dann klagen. Was meinen Sie, was das für eine Prozessflut in unserem Land auslösen wird!

(Abg. Drexler SPD: Das geht doch nach dem deut- schen Recht schon jetzt! Das geht doch schon jetzt! – Abg. Birzele SPD: Sie haben keine Ahnung!)

Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen gerne die Gelegenheit, Zwischenfragen zu stellen.

Ich komme zur Zusammenfassung. Wir, die CDU, sind für eine verantwortliche, auf die Freiheit des Einzelnen ausgerichtete Politik. Wir sind dagegen, dass ein grundsätzliches Misstrauen gegen die Menschen – so ist es in diesem Gesetzentwurf angelegt – formuliert wird. Helfen Sie mit, dass wir beim nächsten Gesetzentwurf – inzwischen ist ja eingesehen worden, dass die bisherige Fassung falsch ist – zu anderen, besseren Regelungen kommen werden.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Sie wissen aber schon, dass das Diskriminierungsverbot in unserer Verfassung steht! – Abg. Birzele SPD: Das ist alles schon möglich!)

Vielen Dank.