Protocol of the Session on March 16, 2005

Das heißt, wir müssen uns um das Konzept kümmern. Bei allem anderen rate ich uns, immer zu bedenken, dass wir viele Partner haben.

Jetzt gibt es das Thema Sprachförderung, das Konzept der interministeriellen Arbeitsgruppe. Sie haben es von den Vorrednern der Regierungsfraktionen gehört, und ich habe es übrigens in der letzten Debatte auch gesagt: Das Konzept der interministeriellen Arbeitsgruppe wird umgesetzt. Es wird mit dem Kindergartenjahr 2005/06 umgesetzt. Dabei gibt es überhaupt keinen Dissens innerhalb der Regierung oder im Blick auf den künftigen Ministerpräsidenten oder die Regierungsfraktionen. Das geschieht alles im Konsens. Sie wissen, dass es nicht ganz einfach ist, die damit verbundenen finanziellen Konsequenzen

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Eben!)

in den Haushalten der künftigen Jahre unterzubringen. Auch darüber gibt es Konsens. Die Regierung wird dafür Sorge tragen, dass das in der notwendigen Weise finanziert wird.

Dann ist auch klar: Es ist Gemeinschaftsaufgabe. Unser Anteil ist auch deshalb wichtig, weil es auch einen Anteil der Gemeinden gibt. Damit wird neben die bestehenden Sprachförderkonzepte ein zusätzliches Element treten, integriert in die Kindergartenarbeit plus Möglichkeiten, über Hausaufgaben-, Lern- und Sprachhilfe zusätzliche Angebote zu machen, mit dem Schwerpunkt der Kinder mit Migrationshintergrund, aber auch der Kinder ohne Migrationshintergrund, von denen wir wissen, dass sie mit der Sprache ein Problem haben.

Deshalb sage ich noch einmal: Baden-Württemberg hat Mitte der Neunzigerjahre den Prozess begonnen, Bildung vor der Schule ernst zu nehmen, klar zu machen, dass Bildung nicht erst in der Schule beginnt. Wir haben viele Impulse gesetzt.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig! – Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Wir haben viel mehr Sprachförderung, als wahrgenommen wird. Wir haben bei Schuleingangsuntersuchungen in bestimmten Regionen unseres Landes erste Feststellungen, die zeigen, dass der Anteil der Kinder mit Sprachstörungen deutlich zurückgegangen ist. Die Erfahrungen, die wir gesammelt haben, gehen in das Konzept ein. Und das Konzept – das sage ich noch einmal – geht dann in das ein, was ich angekündigt habe.

(Zuruf der Abg. Marianne Wonnay SPD)

Frau Wonnay, auch Sie wissen aus all den Jahren, dass es in der Bildungspolitik des Landes keine Ankündigung gibt, die nicht umgesetzt worden wäre. Deshalb wird auch diese Ankündigung umgesetzt: Baden-Württemberg wird das Land sein, das als erstes den Versuch macht,

(Abg. Teßmer SPD: Die Botschaft hör’ ich wohl!)

die Zeit des Kindergartens und der Grundschule so miteinander zu verknüpfen, dass das, was jetzt in vielen Einzelprojekten geschieht, in eine organisatorische Verbindung aufgenommen werden wird.

(Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Ich halte das für ein Zukunftsmodell. Wir werden in den nächsten Jahren an vereinzelten Standorten damit Erfahrungen sammeln. Sie können sicher sein, dass das schneller kommt, als Sie denken.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: So ist es!)

Damit wird Stück um Stück dieser Prozess überzeugend fortgesetzt.

Aber ich sage auch bei jeder Etappe: Es muss den Kindern nützen. Es nützt uns überhaupt nichts, auf jeden Trend und jede Mode zu springen. Es muss bei den Kindern wirken.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Reinhart CDU: Sehr gut!)

Ich bin davon überzeugt, dass das, wovon wir alle reden, sich in einem Schwerpunkt der Bildungs- und Kinderpolitik unseres Landes in den nächsten Jahren fortsetzen und verstärken wird. Wir werden deutlich machen: Die ersten Jahre, die Jahre vor der Schule sind die Jahre, in denen wir die große Chance haben, das Fundament dafür zu legen, dass auch die weitere Bildungsbiografie der Kinder aus unterschiedlichen sozialen Schichten zum Erfolg führt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Lösch.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Reden angehört hat, hat man eine große Übereinstimmung festgestellt, und zwar in der Weise,

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Zustimmen!)

dass wir uns alle in der Wichtigkeit der frühkindlichen Bildung einig sind. Das hat überhaupt niemand bestritten.

Sie haben vor allem Allgemeinplätze zum Ausdruck gebracht,

(Abg. Hauk CDU: Nein, nein! – Abg. Dr. Reinhart CDU: Wieso wollen Sie Streit, wo es keinen gibt? Wir sind da weiter!)

ohne konkret darzustellen, wie Sie die frühkindliche Bildung im Kindergarten umsetzen wollen. Die Kollegin Stolz hat gesagt: schnellstmöglich, zeitnah. Was heißt schnellstmöglich? Dass wir keine Schnellschüsse machen, dass wir nichts übers Knie brechen? Das ist in der Politik auch richtig. Aber, meine Damen und Herren, wir diskutieren über die frühkindliche Bildung nicht erst seit Januar 2005, sondern seit 2002. Innerhalb von zweieinhalb Jahren die Umsetzung eines Sprachförderkonzepts zu erwarten ist doch wirklich nicht zu viel verlangt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wir haben ein Kindergartengesetz. Das haben wir verabschiedet. Es gilt seit 1. Januar 2004. In diesem Kindergartengesetz sind der Bildungsauftrag und die Sprachförderung verankert. Das heißt, das Land ist auch in der Verantwortung,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das haben wir doch sel- ber gemacht!)

zu sagen, wie dieser Auftrag umgesetzt und vor allem finanziert wird.

(Beifall bei den Grünen)

Ich habe kein einziges Wort über die Finanzen gehört.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Doch!)

Wir diskutieren, wir streiten über 6 Millionen € für die Sprachförderung. Im Ganzen sind es 16 Millionen €. Ich habe von Ihnen keine Vorschläge gehört, wie Sie das finanzieren wollen, auch vom Kollegen Haas nicht. Wir haben bei den Haushaltsplanberatungen Vorschläge gemacht und gesagt, wir möchten eine schrittweise Umwidmung des Landeserziehungsgeldes. Ich frage Sie, wann Sie diesen Vorschlag aufgreifen. Ich kann mir nicht erklären, wie der Kollege Oettinger die Umsetzung der Kindergartenpflicht finanzieren möchte. Da geht es um 51 Millionen €, Kollege Haas. Sagen Sie doch einmal, wie Sie diese 51 Millionen € finanzieren wollen. Sagen Sie bitte nicht, dass das die Kommunen bezahlen sollen. Wenn das Land eine Kindergartenpflicht einführt, ist das Land nach der Landesverfassung analog der Schulpflicht auch in der Verantwortung, die Kosten dieser Kindergartenpflicht zu tragen.

(Beifall bei den Grünen)

Also nicht bloß Luftschlösser bauen und Ballons steigen lassen, sondern auch sagen, wie es finanziert wird!

Dass die Bedeutung des Kindergartens für die frühkindliche Bildung wichtig ist, darin sind wir uns einig. Der Kindergarten ist eine eigenständige pädagogische Einrichtung auf

gleicher Augenhöhe mit der Grundschule, und die Kindertageseinrichtungen darf man nicht auf eine Zubringerfunktion für die Schule reduzieren. Das sind zwei pädagogische Einrichtungen, die sich auf gleicher Augenhöhe begegnen und wo man die Kooperationsmöglichkeiten auf jeden Fall verstärken muss. Es gibt das Modell „Grundschule auf neuen Wegen“ – leider nur in einem Viertel aller Grundschulen. Es ist dringend notwendig, dass diese Kooperationsmodelle in Baden-Württemberg flächenhaft ausgebaut werden.

(Beifall bei den Grünen)

Das zweite Thema: Orientierungsplan. Über einen Orientierungsplan haben wir viel geredet. Der Orientierungsplan wird jetzt im Mai vorgestellt und verabschiedet. Daran ist vom Prinzip her nichts zu kritisieren. Was zu kritisieren ist, ist die Umsetzung. Frau Ministerin Schavan, Sie haben gesagt, wir diskutieren schon seit langer Zeit und beginnen nicht am Punkt null. Das stimmt. Wir beginnen nicht am Punkt null. Aber es herrscht große Verunsicherung bei der Umsetzung dieses Orientierungsplans. Wie wird denn die Verbindlichkeit kontrolliert? Ein Bildungsplan ist verbindlich. Das ist keine freiwillige Aufgabe, sondern der Plan hat eine Verbindlichkeit für alle Träger. Die spannende Frage ist, wie die Implementierungsphase umgesetzt wird. Wie viele Kindergärten haben denn die Möglichkeit, sich modellhaft an dieser Implementierungsphase zu beteiligen? Sind es 30 Kindergärten, oder sind es 100 Kindergärten, wie es in Bayern der Fall war? Wie werden diese Kindergärten begleitet? Wer macht die Evaluation? Das sind lauter ungeklärte Fragen.

Die Sprachförderung ist im Orientierungsplan als wichtiger Bestandteil vorgesehen. Es kann nicht sein, dass die Sprachförderung analog dem Orientierungsplan erst bis 2009 oder 2010 modellhaft umgesetzt werden kann. Mit der Sprachförderung muss sofort nach der Sommerpause begonnen werden.

Das dritte Thema: Qualifikation der Erzieherinnen. Ich habe vorhin schon gesagt: Die Erzieherinnen leisten eine gute Arbeit, und die Erzieherinnen machen schon seit langer Zeit in den Kindertageseinrichtungen Bildungsarbeit. Aber es hat sich einiges verändert: Die Lebenswelten haben sich verändert, und die Arbeitsbedingungen haben sich verändert. Jedes vierte Kind – das haben wir erst gestern beim Psychiatrietag wieder gehört – kommt mit Verzögerungen in der Sprachentwicklung in die Schule. Der „automatische“ Spracherwerb hat einen Knick bekommen; auch deutsche Kinder haben Schwierigkeiten, sich auszudrücken.

Deshalb muss man einfach sagen: Wenn sich die Bedingungen der Erziehung verändert haben, dann muss sich auch die Ausbildung der Erzieherinnen verändern. Wir haben eine Reform durchgeführt, in der die Sprachentwicklung jetzt eine größere Rolle spielt. Trotz alledem muss es mittelfristig möglich sein, dass Leiterinnen von Kindertageseinrichtungen die Chance eingeräumt wird, ein Hochschulstudium zu absolvieren, damit wir auf die gestiegenen Anforderungen reagieren können.

In Baden-Württemberg gibt es bisher eine einzige, private Fachhochschule, und zwar in Freiburg, an der Erzieherinnen und Leiterinnen von Einrichtungen frühkindliche Pädagogik studieren können. Die Landesregierung verwehrt den

staatlichen Hochschulen in Baden-Württemberg bisher, einen solchen Studiengang anzubieten. Das darf nicht sein. Geben Sie Ihre Blockadehaltung auf, damit sich die Leiterinnen von Kindergärten auf die Herausforderungen einstellen können.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Wonnay.

Schön, wie immer sind wir uns in der Erkenntnis einig,

(Abg. Walter GRÜNE: Auch nicht immer!)