Protocol of the Session on February 23, 2005

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Lieber Kollege Birzele, dies enttäuscht mich persönlich sehr. Die „Eßlinger Zeitung“ schrieb schon im Jahre 1991 über die Verhältnisse in der SPD-Fraktion: „Ob Gesetzentwürfe oder Klagen zu formulieren sind – ohne den Rechtsanwalt aus Göppingen läuft dort nichts.“ Dies ist vermutlich bis heute so. Aber wenn dem so ist, muss schon die Frage geprüft werden, ob hier in der täglichen Praxis nicht eine Doppelmoral angewandt wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe der Abg. Carla Bregenzer und Marianne Wonnay SPD)

Kollege Birzele schied nach vier erfolgreichen Ministerjahren mit 56 Jahren aus der Regierung aus.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Er musste nicht aus- scheiden!)

Er ist bis heute Abgeordneter mit einem Gehalt. Er ist Landtagsvizepräsident mit einem weiteren halben Gehalt. Er ist als Rechtsanwalt zugelassen und hat damit die Möglichkeit der freiberuflichen Betätigung und Erwerbstätigkeit. Er ist Beamter des höheren Dienstes geblieben und schied nicht wie Dr. Döring aus dem Beamtenverhältnis aus. Das heißt, auch hier sind ein Pensionsanspruch und ein Rückkehranspruch grundsätzlich gegeben.

(Zurufe von der CDU)

Er bekommt seit seinem Ausscheiden eine gekürzte Ministerversorgung, die man nicht auf den Euro genau kennt, die aber etwa zwischen 3 700 € und 3 800 € liegen muss.

(Oh-Rufe von der CDU – Minister Stächele: Und das läuft seit 1996! – Abg. Drexler SPD: Das woll- ten wir doch alles ändern! Das haben Sie doch nicht mitgemacht! – Unruhe)

Damit das klar ist: Dies steht ihm auch zu. Eine rückwirkende Wegnahme wäre rechtsstaatlich verboten und verfassungsrechtlich falsch. Das steht ihm zu.

(Abg. Drexler SPD: Das glauben die nicht! – Zuruf des Ministers Stächele)

Aber wenn sie ihm zusteht und er sie annimmt und nicht spendet, dann ist das Verfahren der SPD, das von ihm betrieben wird, zutiefst pikant.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Birzele SPD: Wir wollen ja eine Veränderung! – Abg. Teßmer SPD: Er ist aber über 60!)

Am 13. Januar 2005 beantragen Drexler, Stickelberger, Birzele und Fraktion, dass der Anspruch auf die Ministerpensi

on bis zum Beginn des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahrs ruhen soll, und vier Tage später wird Birzele 65 Jahre alt. Gut gemacht!

(Lachen und Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Döring FDP/DVP: Buh! – Zurufe von der SPD – Lebhafte Unruhe)

Da haben Kronjuristen ihre Interessen gekannt, ihre Interessen gewahrt, ihr Scherflein ins Trockene gebracht und sich danach zum Scharfrichter gemacht. Dies halte ich für einen unmöglichen Stil.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP/DVP – Unruhe bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Lauter Steilvorlagen!)

Wenn es um Überlegungen zur Veränderung der Diäten der Abgeordneten, ihres Status und auch der Regelungen des Ministergesetzes geht, sind wir ausdrücklich gesprächsbereit.

(Abg. Drexler SPD: Aber nur gesprächsbereit! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Da passiert nichts!)

Wir schlagen vor, zunächst den Abgeordnetenstatus im Landtag zu beraten. Wir können uns vorstellen, dass eine maßvolle Anhebung der Vergütung in der aktiven Zeit die Eigenvorsorge ermöglicht, damit die Pension nicht in ihrer bisherigen Höhe gehalten werden muss. Wir halten die Umkehrung der gegenwärtigen Praxis mit 10 000 € brutto wie in Nordrhein-Westfalen für nicht durchsetzbar und nicht sachgerecht. Eine maßvolle stufenweise Veränderung – mehr in der aktiven Zeit für die Politiker in Parlament und Regierung, und dann mehr Eigenvorsorge – halten wir durchaus für darstellbar. Diesen Weg bieten wir an. Er gilt für das Parlament. Er kann auch für die Regierung gelten. Aber alles andere, was Sie machen, ist eine Politik der verbrannten Erde. So kann nur jemand handeln, der ganz genau weiß, dass er nie mehr Minister und Staatssekretäre in Baden-Württemberg stellen wird.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Höhe von Einkommen, Bezügen und Gehältern ist natürlich immer ein beliebtes Thema in der Öffentlichkeit. Das betrifft übrigens nicht nur die Gehälter von Politikern, sondern die von allen gesellschaftlichen Gruppen.

(Abg. Schmid SPD: Im Ernst?)

Es gibt aber schon Unterschiede – dazu stehe ich –, und man muss natürlich da, wo der Steuerzahler aufzukommen hat, in der Tat noch genauer und kritischer hinschauen, ob bestehende Regelungen in Ordnung sind, ob sie überzogen sind oder nicht.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Ich bitte Sie jetzt einfach einmal, dieses Thema ohne Schaum vor dem Mund zu diskutieren. Dies muss natürlich auch unter dem Aspekt geschehen, wo überzogene Regelungen bestehen, aber andererseits auch mit dem gewissen Selbstbewusstsein, dass wir nicht grundsätzlich in Sack und Asche zu gehen und uns nicht zu verstecken haben. Denn wer gute Leistung bietet, hat natürlich auch Anspruch auf eine ordentliche Bezahlung.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Herr Kollege Stickelberger, ich bin zwar kein Jurist und habe mir übrigens, bevor ich mich politisch engagierte, auch nie überlegt, was man wohl in der Politik verdienen kann –

(Abg. Fischer SPD: Das sagt jeder, der vorne sitzt!)

das mag mich möglicherweise von anderen unterscheiden –, aber es ist ja glasklar dargelegt worden, dass Ihr Vorwurf der „schamlosen Selbstbedienungsmentalität“, der Untreue und, und, und rechtlich überhaupt nicht zu halten war. Vermutlich haben Sie das gewusst, aber nach dem Motto „Semper aliquid haeret“ haben Sie billigend in Kauf genommen, dass nicht nur das Ansehen Einzelner, sondern das Ansehen der Politik insgesamt und damit auch das eigene Ansehen beschädigt wird. Darüber sollten Sie schon einmal nachdenken.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf des Abg. Junginger SPD)

Herr Stickelberger, Sie sind ja ansonsten ein sehr sympathischer Mensch.

(Abg. Stickelberger SPD: Sie auch!)

Aber dass Sie zu so billiger Polemik wie diesem Wortspiel „Hamburger – Homburger“ greifen mussten, zeigt ja, dass Sie wissen, dass Sie in dieser Debatte auf verlorenem Posten stehen. Da bitte ich Sie, ein etwas anderes Niveau einzuhalten.

Ich will mich auch nicht vor dem Beschluss drücken, der auf Initiative von Frau Homburger beim Dreikönigstreffen der FDP gefasst wurde. Dabei ist es wie bei vielen anderen Dingen auch: Die Liberalen bringen einmal etwas ins Gespräch, und das braucht dann ein paar Jahre

(Lachen bei der SPD und den Grünen – Abg. Hei- derose Berroth FDP/DVP zur SPD: Hört ruhig mal zu! – Unruhe)

ja, das braucht ein paar Jahre –, und auf einmal entdecken es wieder irgendwelche anderen. Sie wissen ganz genau, dass das Modell „Politikerbezahlung nach Leistung“ im ersten Moment merkwürdig klingt, aber in Kanada funktioniert. Was hindert uns denn daran, einen Sockelbetrag zu schaffen – das ist ein langfristiger Vorschlag –

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Dann schlagen Sie es doch vor, Herr Noll! – Abg. Drexler SPD: Schlagen Sie es doch vor! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Sie sind doch in der Regierung, dann ma- chen Sie es doch!)

und Leistungsprämien sozusagen nach Erreichen von Zielvereinbarungen vorzusehen? Dass Ihre Bundesregierung im Moment damit ein Problem hätte, davon gehen wir aus. Aber davon, dass diese Idee nicht abstrus ist, können Sie auch ausgehen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zurufe und Unruhe)

Nun zu den Zielen. Noch einmal: Es ist jetzt deutlich gesagt worden, dass es immer glaubwürdiger ist, Gesetze zu ändern, wenn man selbst davon betroffen ist, anstatt hinterher, sobald man die Vorteile eines bestehenden Gesetzes genossen hat, in Einzelfällen zu kommen und zu sagen: „Skandal! Das muss geändert werden!“ Im Übrigen haben wir das Gesetz ja nachvollziehbar in zwei Schritten geändert und haben die Mindestamtszeit für einen Pensionsanspruch angehoben.

Frage an Sie, Herr Drexler: Warum haben Sie als Fraktionsvorsitzender damals eigentlich nicht auch für die Landtagsabgeordneten ins Gespräch gebracht, mit der Verlängerung der Dauer der Legislaturperiode auch die Anwartschaftszeit auf zehn Jahre heraufzusetzen? Wir haben immer noch die zweimal vier Jahre, also eine Amtszeit von acht Jahren. Das hätten Sie auch tun können.

Ich finde, wir müssen an dieser Stelle das Einkommen aller im politischen Bereich Tätigen sehen. Dabei geht es in allererster Linie um Transparenz. Genau in dieser Hinsicht scheint uns das Modell, das wir – die Kollegen Oettinger, Drexler, Kretschmann und ich – derzeit ja in Bezug auf die Abgeordnetendiäten diskutieren, nämlich die Überlegung, auf ein Bruttokostenmodell

(Abg. Drexler SPD: Das sind Sie doch schon leid! – Abg. Oelmayer GRÜNE: Dann machen Sie es doch!)

umzusteigen, das richtige Modell für die Bezahlung von Regierungsmitgliedern zu sein.

(Zurufe von der SPD und den Grünen)

Ja, noch einmal: Wenn Sie jetzt einen Gesetzentwurf, der sich auf das bestehende System bezieht, einbringen, dann ist doch erkennbar, dass wir möglicherweise in rascher Folge wieder einen Systemwechsel hinkriegen müssen.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Ja und?)

Also lassen Sie uns doch einmal von der Diskussion „60 oder 65?“ usw. wegkommen,