Protocol of the Session on February 18, 2005

(Abg. Capezzuto SPD: Der liest Zeitung!)

denn es genügt nicht, immer nur billige Zwischenrufe zu machen, sondern manchmal muss man auch einmal die Ohren aufsperren;

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

ich zitiere –:

Wenn ich überhaupt in einem Bereich Selbstkritik an der CDU Baden-Württemberg übe, dann haben wir in 20 Jahren Alleinregierung

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

von 1972 bis 1992 die Probleme der Verkehrskapazitäten von Schiene, Straße und lange auch vom Flugverkehr unterschätzt. Da haben wir Nachholbedarf.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Schmiedel SPD: Sehr richtig! 20 Jahre Nachholbedarf! – Abg. Alfred Haas CDU: Es gab doch Jahre, da haben Sie die Straßenbauhaus- halte abgelehnt!)

Meine Damen und Herren, auch später ist dieser Nachholbedarf keineswegs ausgeglichen worden, sondern im Gegenteil: Er wird zusehends größer. Auch die etwas kreative Finanzierung des Landesstraßenbaus trägt nicht dazu bei, die Defizite in diesem Bereich zu decken. Das Gegenteil ist der Fall.

Ich will beginnen bei Bus und Bahn, bei Schiene und ÖPNV, soweit wir im Lande zuständig sind. Die Koalition hat allein in diesem Doppelhaushalt 30 Millionen € gestri

chen. Dies wird zwar abgemildert durch Regionalisierungsmittel des Bundes, die dynamisch anwachsen: 2004 711 Millionen €, 2005 736 Millionen €, 2006 747 Millionen € – also der Bund tut, was er kann –, aber gleichzeitig streicht das Land seinen eigenen Anteil daran auf null mit der Folge, dass man im Bundesfinanzministerium natürlich hellhörig wird und überlegt: Wenn die Länder beim ÖPNV streichen, dann wollen wir nicht der Zahlmeister der Länder sein, sondern wir überlegen auch, wie wir diese Mittel sinnvoller und unmittelbarer dem öffentlichen Verkehr zukommen lassen können.

(Abg. Schebesta CDU: Wir setzen sie jedenfalls ef- fektiver ein!)

Ich begrüße das nicht, aber ich habe Verständnis, dass angesichts der Finanznot auch beim Bundeshaushalt solche Überlegungen angestellt werden.

Meine Damen und Herren, früher einmal – daran können sich einige sicher erinnern – hat das Land über 100 Millionen € originäre Landesmittel in diesen Bereich gesteckt. Das Zurückfahren auf null ist nun wirklich kein Ruhmesblatt. Ich erinnere auch daran, dass die SPD im Laufe der letzten Jahre – seit 1997 – jeweils Erhöhungsanträge mit einem Gesamtvolumen von 97,3 Millionen € gestellt hat – leider immer wieder abgeschmettert durch die Koalition.

Eigentlich müsste unser Verkehrsminister Mappus dem Bund auf Knien dafür danken – ich verlange ja nicht, dass er es täglich tut, aber einmal im Monat wäre wirklich angebracht –,

(Heiterkeit bei der SPD und den Grünen – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

dass GVFG-Mittel des Bundes weitgehend unverändert bleiben und die Regionalisierungsmittel dynamisch weiter wachsen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Was heißt „des Bundes“? Das sind Steuergelder!)

Ohne dieses Geld sähe es wirklich schlimm aus.

Aber da wir ja wissen, dass der ÖPNV bei Teilen der Koalition nicht den allerhöchsten Stellenwert hat

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

bei Teilen der Koalition, habe ich gesagt; Herr Scheuermann, ich weiß, dass es bei Ihnen anders ist –,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Aber das ist dann ein kleiner Teil!)

müssten wir eigentlich vermuten: Jetzt müsste es im Landesstraßenbau ganz toll aussehen, denn einige Kollegen der Union gerieren sich in ihren Wahlkreisen so, als wären sie die Gralshüter des Landesstraßenbaus. Wenn man aber die Sache einmal näher betrachtet, dann stellt man fest, dass das Gegenteil der Fall ist. Dort, wo das Land unmittelbar zuständig ist, und weil das Land dort keine Bundesmittel bekommt, sieht es ganz mau aus. Mittlerweile ist es so weit gekommen – der Kollege Scheuermann hat es ja auch mit Bedenken angesprochen –, dass die Sondermittel im Inves

titionsprogramm teilweise schon für Erhaltungsmaßnahmen missbraucht werden müssen, weil dafür das Geld hinten und vorne fehlt. Wenn diese Mittel gar noch zur Sanierung des Landeshaushalts missbraucht werden, dann ist der Gipfel des Unvermögens erreicht.

Alle wissen: Kreisstraßen und Bundesstraßen sind in einem wesentlich besseren Zustand als die Landesstraßen. Die Landesstraßen sind wirklich objektiv die Straßen im schlechtesten Zustand. Wenn auch der Landrat des RheinNeckar-Kreises, Dr. Schütz, der designierte Präsident des Landkreistags von Baden-Württemberg, immer wieder betont, er erkenne Landesstraßen mit geschlossenen Augen – er hat einen Fahrer und kann deshalb beim Autofahren die Augen schließen –,

(Heiterkeit bei den Grünen – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Was fährt denn der für ein Auto?)

dann ist das ein weiterer Beweis dafür – er gehört der CDU an und bestreitet das auch nie, er bekennt sich dazu –, dass da wirklich etwas dran ist und dass das nicht das böse Gerede einer Opposition ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vergeblich müssen viele Menschen, die an Ortsdurchfahrten wohnen, auf die längst versprochene Ortsumfahrung warten. Dabei wird immer wieder abgelenkt und gesagt, der Bund tue nichts. Wenn man aber einmal sieht, was der Bund tut und was das Land nicht tut, erkennt man, dass die Situation hier noch sehr viel schlimmer ist. Deswegen nützt es nichts, ständig große Krokodilstränen zu vergießen.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Ich will Ihnen eines sagen: Wer wie Herr Minister Mappus ständig aus dem Glashaus heraus mit großen Steinbrocken nach Berlin wirft, müsste eigentlich gespickt mit Glassplittern herumlaufen. Allerdings verdankt er es seiner Dickhäutigkeit, dass er nicht merkt, dass er in den Scherben sitzt.

(Heiterkeit – Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ich will aber nicht sagen, dass die Verkehrssituation in Baden-Württemberg insgesamt ein Scherbenhaufen wäre. Wir haben insbesondere im ÖPNV viele Fortschritte erreicht, wir haben vieles verbessert. Baden-Württemberg hat den 3Löwen-Takt; das ist eine schöne Einrichtung, die allerdings noch viel besser sein könnte, wenn nicht auch da ständig gekürzt würde, weil die Eigenmittel auf null gefahren worden sind. Vieles läuft gut, aber der Herr Minister müsste eben auch eingestehen, dass nur durch großzügige zweckgebundene Mittel des Bundes bei Bus und Bahn noch etwas läuft. Ohne Bundesmittel wäre der Verkehrsminister ein Minister ohne Portefeuille.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Meine Damen und Herren, damit der designierte Ministerpräsident, Ihr Freund Günther Oettinger, nicht von vornherein mit abgesägten Hosenbeinen dasteht – ich habe ihn ja vorhin zitiert –, wollen wir ihm helfen

(Heiterkeit der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wie großzü- gig!)

und haben die entsprechenden Anträge gestellt, bei Bus und Bahn, bei Schiene und Straße etwas draufzusatteln. Helfen Sie mit, dass Ihr Ministerpräsident da nicht schon bei seinem Start völlig danebengeschossen hat und keinen Fehlstart hinlegt! Stimmen Sie unseren entsprechenden Anträgen zur Verbesserung der Finanzsituation im öffentlichen Personennahverkehr, aber auch im Landesstraßenbau zu!

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.

Meine Damen und Herren! Wie versprochen, jetzt auch noch einige Aussagen zum Bereich Umwelt. Seit dem letzten Mittwochmorgen um 6 Uhr gilt das Kyoto-Protokoll, und die Koalitionsfraktionen haben im Finanzausschuss zukunftsorientiert Mittel für alternative Energien erhöht. Es wurde schon angesprochen: Es gibt Geothermieprojekte im Umweltministerium genauso wie im Wirtschaftsministerium, und im Wirtschaftsministerium gibt es ferner die Förderung eines weltweit bisher einzigartigen Projekts, bei dem Biogas aus Kompostvergärung mittels Brennstoffzelle für effiziente und umweltschonende Wärme- und Energiegewinnung genutzt wird. Da kompostierbarer Abfall überall im Land vorhanden ist, könnte ein solches Verfahren auf mittlere und lange Sicht ein wesentlicher Energieträger werden.

Zunächst müssen wir allerdings auf die schon heute in großem Maß nutzbaren alternativen Energien zurückgreifen. Ich habe es schon angedeutet: In Baden-Württemberg muss da der ganz große Brocken aus der Wasserkraft kommen. Der rot-grüne Traum der Windenergie ist für unser Land schlicht ungeeignet.

(Beifall des Abg. Zimmermann CDU)

Zur Klimathematik im Weiteren: Wir müssen tun, was wir können, aber wir sollten auch darauf achten, nicht in Hysterie zu verfallen. In der letzten Woche kam im Fernsehen ein interessanter Bericht über Klimaveränderungen im letzten Jahrtausend. Es ist viel zu wenig bekannt, welche Klimaschwankungen es im letzten Jahrtausend gab, die weit über das hinausgingen, was wir im Moment erleben.

Da nun immer gleich in Panik zu verfallen und alles Mögliche schlechtzureden, kann nicht die richtige Richtung sein. Auch kann es nicht gut sein, jedes Bedürfnis gleich wieder in ein Gesetz oder eine Vorschrift münden zu lassen. Sonst gefährden wir nämlich etwas ganz anderes: Wir sind schon nahe daran, dass unsere Bürgerinnen und Bürger der Meinung sind, alles was nicht verboten sei, sei erlaubt.

Dabei kommt der gesunde Menschenverstand um, der mitdenkt und überlegt, was sinnvoll ist und was man tun oder was man lassen sollte. Dieser gesunde Menschenverstand ist mir aber ein ganz wichtiges Kulturgut,

(Oh-Rufe von der SPD)

und ich werde nicht zulassen, dass wir das Biotop „Freiheit und Verantwortung“, in dem er gedeiht, weiter zurückschneiden.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Stellen wir Frau Berroth unter Naturschutz!)

Wer sich intensiv um den gemeinen Feldhamster kümmert, darf auch nicht zulassen, dass der gemeine gesunde Menschenverstand auf die Rote Liste der gefährdeten Arten kommt. Schließlich ist der für unser aller Zusammenleben noch um einiges wichtiger.

Zum Thema Luftverschmutzung. Kollege Scheuermann hat schon speziell das Problem der Dieselfeinstäube angesprochen. Die deutsche Industrie hatte ursprünglich ein anderes Konzept als das des Filters. Sie wollte diese Feinstäube durch entsprechendes Motormanagement verringern. Leider ist die Konkurrenz mit den Dieselfiltern schneller nach vorne geprescht, sodass das nun nicht zum Tragen kommt.

Ich will erneut darauf hinweisen: Wer nur auf die Feinstäube schaut, sollte bedenken, dass dabei dann das Thema NOX ein Problem wird. Sobald man die Feinstäube reduziert, steigt das NOX an. Wie gefährlich das ist, haben wir noch nicht genau festgestellt. Da kann durchaus noch eine Zeitbombe ticken.