Protocol of the Session on December 9, 2004

Zu den wesentlichen Punkten, die noch zu erreichen sind, gehört etwa die umfassende Zuständigkeit für das Personal der Hochschulen, und zwar sowohl im Ernennungs- als auch im Disziplinarbereich. Dazu gehört die völlige Budgetierung der Personalausgaben wie auch der Pensionslasten. Erst wenn wir eine solche Budgetierung haben, können wir mit der gesamten W-Besoldung besser zurechtkommen, als wir es jetzt mit Detailregelungen für die notwendige Beschränkung der Pensionslasten können.

Dazu gehört auch die weitgehende Übertragung der Bauherreneigenschaft mit den entsprechenden Rechten aus der Eigentümerstellung an den Immobilien. Dies wären weitere konsequente Schritte, die Eigenverantwortlichkeit der Hochschulen und ihre Wettbewerbspositionierung zu stärken.

(Abg. Wichmann SPD: Bis wann wollen Sie die Universitäten komplett privatisiert haben?)

Herr Wichmann, es geht gar nicht um Privatisierung, sondern wir werden nach wie vor finanzieren. Ich glaube, es ist ein Unterschied, ob wir etwas privatisieren oder ob wir den staatlichen Einrichtungen Freiheit geben. Das ist noch keine Privatisierung, weil sie nicht privat finanziert sind.

Wir könnten in diesen Bereichen mit Pilothochschulen vorangehen. Weiterentwickeln müssen wir auch das Gesamtfinanzierungsmodell der Hochschulen. Wir haben die staatliche Finanzierungssäule mit mehrjährigen Hochschulverträgen, um weiterhin die Planungs- und Finanzierungssicherheit für die Hochschulen gewährleisten zu können, wie wir das durch den Solidarpakt gemacht haben. Wir haben eine leistungsbezogene Haushaltszuweisung, und wir haben Zusatzmittel über Zielvereinbarungen vorgesehen.

Die staatliche Finanzierung ist also eine Seite, eine notwendige private zusätzliche Finanzierung ist die andere Seite. Es gibt keine Spitzenhochschule, keine unter den 50 ersten dieser Welt, die rein staatlich finanziert wäre, sondern alle haben einen erheblichen privaten Finanzierungsanteil. Ich spreche von den staatlichen Hochschulen, nicht von den privaten Hochschulen in den USA. Zu solchen privaten zusätzlichen Finanzierungen gehören unabdingbar Studiengebühren. Deshalb gehört die Einführung von Studiengebühren, und zwar von sozialverträglichen Studiengebühren, als wesentliches Element zu einer umfassenden Hochschulreform dazu, weil Hochschulreform auch Finanzierung bedeuten muss.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Carla Bregenzer SPD: Zögerlicher Beifall!)

(Minister Dr. Frankenberg)

Das Interessante ist ja, dass dort, wo Studiengebühren erhoben werden, die Absolventen nachher auch erhebliche Spenden an die Hochschulen leisten. Das Motto gilt offenbar in der Welt: Zahle ich vorher, spende ich hinterher. Genauso scheint auch das Umgekehrte zu gelten.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP)

Ein weiteres Element der privaten Finanzierung muss die bessere Nutzung der Angebote in Weiterbildung, im Technologietransfer, in der Verwertung von Patenten und Lizenzen sein. Aber wenn wir uns die Finanzierung der starken staatlichen Hochschulen in dieser Welt anschauen, gerade in den USA, sehen wir, dass die dort in der Forschung starken durch die Forschungsmittelgeber, also etwa die National Science Foundation, auch eine Vollkostenerstattung der Forschung erhalten. Es wird immer noch zu wenig gesehen, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft nur die unmittelbaren Forschungskosten finanziert, aber die erheblichen Belastungen der Infrastruktur, etwa der Verwaltung der Hochschulen, nicht mitfinanziert. Im Grunde genommen sind unsere Hochschulen die erfolgreichsten in der Drittmitteleinwerbung. Die baden-württembergischen Universitäten haben im letzten Jahr über 540 Millionen € eingeworben, aber jeder Euro, der dort eingeworben wird, kostet uns in der Grundfinanzierung zusätzliche Mittel, weil wir keine Vollkostenfinanzierung haben.

Wie kommen die Spitzenhochschulen in den USA zustande? Indem es eine solche Vollkostenfinanzierung gibt. Wenn die Bundesministerin Bulmahn Spitzenhochschulen haben will, braucht sie dazu kein zusätzliches Instrument, braucht sie dazu keine zusätzliche Bürokratie, sondern müsste nur gewährleisten, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft eine Vollkostenfinanzierung der Forschung leistet. Dann würden die Gelder nämlich dorthin gehen, wo man in der Forschung am Exzellentesten ist. Sie könnte dann allerdings auch nicht irgendeine Spitzenhochschule einweihen, weil diese ohne ihr Zutun durch eigene Leistung zustande käme.

(Abg. Fischer SPD: Das ist ein bisschen eigenwil- lig!)

Insofern müsste man sich fragen, ob ein solches Spitzenhochschulprogramm in erster Linie ein Wahlkampf-Einweihungsprogramm sein soll oder eine Stärkung der Hochschulen in der Forschung bedeuten soll.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Carla Bregenzer SPD: Deshalb werden ja auch alle Hochschulbauten immer als Landesleistung mit glanzvollen Reden eröffnet! – Gegenruf von der CDU: Das ist die Wahrheit!)

Ich danke Ihnen, Frau Bregenzer, dass Sie sagen, es seien glanzvolle Reden. Das ehrt uns.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Carla Bregenzer SPD: Glanzvoller als die heute hier!)

Zu diesen zusätzlichen Einnahmen der Hochschulen gehört auch die Frage von Overheads aus Nebentätigkeiten. Wenn

wir uns einmal mit den Vereinigten Staaten in Bezug auf den Anteil am Bruttosozialprodukt für Hochschulen und den Anteil am Bruttosozialprodukt für Forschung und Entwicklung vergleichen, sind wir in Baden-Württemberg durchaus vergleichsweise unter den ersten zehn US-amerikanischen Bundesstaaten. Aber die Bundesrepublik Deutschland gibt insgesamt nur knapp ein Drittel der Hochschulausgaben, bezogen auf das Bruttosozialprodukt, im Vergleich mit den USA aus, Baden-Württemberg weit mehr als jedes andere Bundesland; aber über 50 % der Hochschulausgaben der Vereinigten Staaten sind private Ausgaben, sind nicht staatliche Mittel, und diese Hälfte fehlt uns. Wenn wir diese Hälfte nicht schaffen, dann werden wir keine adäquate Finanzierung der Hochschulen, um sie in den Spitzengruppen zu etablieren, haben.

Wir haben in Deutschland noch ein weiteres Hemmnis der Hochschulentwicklung, um in die Spitzengruppe zu kommen, und das ist das Kapazitätsrecht. Das ist zum Teil Bundesrecht und zum Teil höchstrichterliche Rechtsprechung. Dieses Kapazitätsrecht verpflichtet zur größtmöglichen Ausschöpfung der Personalressourcen an den Hochschulen. Damit haben wir gesetzlich festgeschriebene Betreuungsverhältnisse an den Hochschulen, die schlechter sind, als es international üblich ist. Wenn wir nicht von diesem System der personalbezogenen Curricularnormwerte wegkommen, wenn wir den Hochschulen nicht die Freiheit geben können, mit uns, nämlich den Mittelgebern, bessere Betreuungsverhältnisse zu verhandeln, dann werden wir keine Verbesserungen in der Lehre, wie wir sie brauchen, erreichen können.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Dann werden wir wieder Fälle haben, wie es sie durch Verwaltungsgerichtsurteile gegeben hat, dass man sagt: Nicht vier Stunden Lehre bei Juniorprofessoren werden zugrunde gelegt, sondern sechs Stunden. Dies führt dann zur Überfüllung der Lehrveranstaltungen.

Wir müssen endlich begreifen, dass Lehre an Hochschulen nicht in erster Linie eine quantitative, sondern eine qualitative Frage ist.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut!)

Herr Professor Müller-Böling, der Leiter des Centrums für Hochschulentwicklung, hat vor einigen Monaten zu Recht das Kapazitätsrecht als eine der vermeintlich sakrosankten Kühe der Hochschulpolitik bezeichnet, die trotz aller Reformen leider noch immer auf der Weide stünden. Nach dem gegenwärtigen Recht müssten wir Länder gemeinsam mit der Bundesregierung diese Kühe schlachten. Es wäre aber besser, wenn die Föderalismuskommission den Ländern diese Freiheit geben würde.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wir müssen auch daran denken, für die Hochschulen andere Personalstrukturen zu schaffen. Wir haben eine sehr breite Personalpyramide, die aber oben breit und unten schmal ist. Andere Länder schaffen dadurch bessere Betreuungsrelatio

(Minister Dr. Frankenberg)

nen, dass sie eine viel feingliedrigere Personalstruktur haben, etwa mit der Lecturer-Ebene in den angelsächsischen Ländern.

Wir brauchen auch einen Wissenschaftstarifvertrag für die Drittmittelmitarbeiter. Es ist ein Unding, dass es keine Befristungsmöglichkeit in Abhängigkeit von der Laufzeit von Drittmitteln gibt, sondern dass man immer wieder vor der Frage steht, ob jemand auf Dauer oder gar nicht als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt ist. Das ist einer der größten Standortnachteile der Forschung in Deutschland. Wenn wir dies nicht begreifen – und auch das ist wieder eine bundesweite Frage –, werden wir diesen Nachteil nie aufholen.

Wettbewerb der Hochschulen heißt auch Wettbewerb der Länder. Der Föderalismus muss ein Wettbewerbsföderalismus sein, sonst werden wir keinen Wettbewerb der Hochschulen haben. Dieser muss auf einer Kultur der Differenzierung basieren. Es muss, wie Professor Erhardt beim Villa-Hügel-Gespräch gesagt hat, einen Wettbewerb der Länder geben, einen Gestaltungsföderalismus um die besten Modelle und Lösungen.

Deshalb war es völlig inkonsequent, dass der Bundestag den auf Antrag des Landes Baden-Württemberg von einer Mehrheit des Bundesrats eingebrachten Gesetzentwurf, die Zuständigkeit für Juniorprofessuren auf die Länder zu übertragen, abgelehnt hat. Wir meinen, dass Mobilität und Wettbewerb durch Unterschiede und nicht durch Standardisierung geschaffen werden.

Wir haben dann erreicht, dass das, was die Bundesregierung machte, sozusagen eine zweitbeste Lösung war; die beste Lösung wären länderseitig differenzierte Dienstrechte gewesen. Es ist ein völliger Irrtum, anzunehmen, die Mobilität von einer Hochschule zur anderen würde deshalb erreicht, weil die Bedingungen überall gleich sind. Auch in der Physik erfolgt kein Fluss von A nach B, wenn es keine Spannungsdifferenzen gibt. Genau dies brauchen wir in den Hochschulen. Deshalb müssen wir mit dem Irrtum aufräumen, dass bundesweite Standardisierung notwendig wäre, um die Qualität des Systems zu sichern. Bundesweite Standardisierung verhindert Wettbewerb, Qualitätssicherung und Qualitätssteigerung.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Die internationalen Hochschulen, die weit vorn sind, haben ein eigenes Dienstrecht. Dort gibt es kein Dienstrecht des Landes und schon gar kein Dienstrecht einer Nation.

Frau Bregenzer, Sie haben ja vorhin selbst angesprochen, dass wir diese Freiheit brauchen. Ich darf Sie bitten, mit Frau Bulmahn einmal in eine Klausur zu gehen, um ihr diese Philosophie nahe zu bringen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Vetter CDU: Jawohl!)

Unser Hochschulrecht geht von dieser Philosophie der Freiheit aus.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Oje! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das ist ja Bloch! – Abg. Klein- mann FDP/DVP: Das ist aber schön, dass der das auch weiß! – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Das ist mir schon klar, Herr Boris Palmer.

(Heiterkeit)

Dieses Hochschulrecht wird uns in den Strukturen an die Spitze der Länder stellen. Wenn Sie es mit dem rheinlandpfälzischen Hochschulgesetz oder selbst mit dem Reformstatut der Technischen Universität Darmstadt oder auch mit den bayerischen Entwürfen vergleichen, so sehen Sie, dass wir sehr viel weiter gehen.

Ich darf denen danken, die dazu beigetragen haben. Wir haben so früh wie noch nie auch die Beteiligten einbezogen, und im Dialog mit den Beteiligten sind sehr wesentliche Änderungen zustande gekommen. Ich danke aber insbesondere dem Arbeitskreis VIII der CDU-Fraktion und seinem Vorsitzenden Werner Pfisterer sowie der gesamten Fraktion.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Ich danke der FDP/DVP-Fraktion

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Dass sie keinen Ärger gemacht hat!)

für den langen gemeinsamen Weg, und ich danke den Hochschulen, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Lassen Sie mich auf einige Punkte eingehen,

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Nein! – Abg. Teßmer SPD: Nein, wir lassen Sie nicht!)

die Sie, Frau Bregenzer und Frau Bauer, genannt haben. Zunächst einmal ist es schon erstaunlich: Wenn man sich an die letzte Hochschulreform erinnert – das betrifft jetzt nicht die Grünen, aber die SPD –, so weiß man, dass man damals gegen die von Trotha’schen Reformen war,