Protocol of the Session on November 10, 2004

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, für die Berücksichtigung der übergreifenden Belange der Wahrnehmung der Verantwortung von Land und Parlament sind diese Vorbehalte unabdingbar. Gerade in diesem Bereich hat unsere Fraktion bereits im Vorfeld wichtige Verbesserungen erreichen können. So ist nun klargestellt, dass die Zustimmung des Ministeriums zur Struktur- und Entwicklungsplanung der einzelnen Hochschulen nur dann versagt werden darf, wenn diese Planung mit den Rahmenvorgaben des Landes nicht übereinstimmt. Ich halte dies für eine wirklich zukunftweisende Reform.

Zweites Beispiel: Errichtung, Änderung oder Aufhebung von Studiengängen bedürfen der Zustimmung des Ministeriums. Das muss so sein. Wenn diese Maßnahmen jedoch bereits Gegenstand der Struktur- und Entwicklungsplanung der Hochschule sind, ist ein nochmaliger Zustimmungsvorbehalt überflüssig.

Wir haben uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass der Aufsichtsrat in Hochschulen künftig nur noch neun bis elf Personen umfasst. Dass in Zukunft weiter am Widerspruchsrecht des Kanzlers in der bisherigen Weise festgehalten wird, ist richtig, und dass den Hochschulen weiterhin die Möglichkeit gegeben wird, einen erweiterten Fakultätsrat vorzusehen, findet unsere Zustimmung.

Schließlich haben wir uns von Anfang an ganz besonders dafür eingesetzt, die Legitimation der Mitglieder von Aufsichtsrat und Vorstand durch ein Kollegialorgan der Hochschule zu sichern. Der Gesetzentwurf gewährleistet nun die ausreichende Mitwirkung des Senats. Er ist an den personellen Vorschlägen beteiligt und muss abschließend zustimmen. Wir sind davon überzeugt, dass dies eine tragfähige Lösung ist.

Meine Damen und Herren, von Veränderungen sind gerade diejenigen, die sie betreffen, nicht immer begeistert. Das liegt in der Natur der Sache. Wir halten die mit dem Gesetzentwurf für unsere Hochschulen vorgesehenen Änderungen für die Zukunft für richtig. Die bisherigen Reformen haben einen exzellenten Erfolg für die Hochschulen in Baden-Württemberg gezeitigt. Diesen Erfolg wollen wir für die Zukunft weiter ausbauen.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass die Hochschulen in allen rot-grün oder rot-rot oder ähnlich regierten Ländern bei weitem nicht eine so hervorragende Hochschulpolitik machen wie Baden-Württemberg. Wenn wir Benchmarking ernst nehmen, sollten wir uns nicht gerade an den Erfahrungen orientieren, die sich bisher als negativ erwiesen haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bauer.

(Abg. Pfisterer CDU: Jetzt sind wir gespannt! – Zu- ruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Frau Präsidentin, meine lieben Kollegen! Wieder einmal – auch wenn es nur wenige hören können – ist die Stunde gekommen, in der Landesregierung und Regierungsfraktionen hier ihre Superlative formulieren.

(Abg. Alfred Haas CDU: Gott sei Dank! – Abg. Wacker CDU: Jawohl! – Zuruf des Abg. Blenke CDU)

Wir kriegen hier zu hören und in den Presseerklärungen steht, es handle sich bei dem zur Beratung stehenden Entwurf um eines der modernsten Hochschulgesetze in Europa.

(Abg. Wacker CDU: So ist es auch!)

Schauen Sie doch einfach einmal über die Grenzen: Selbst bei den nahen Nachbarn gibt es vielleicht Dinge, die moderner geregelt werden als in Baden-Württemberg.

(Abg. Pfisterer CDU: Fast nicht!)

Schauen Sie einmal nach Rheinland-Pfalz: Rheinland-Pfalz hat ein Landeshochschulgesetz, das als Musterbeispiel dafür gilt, wie man Hochschulen als öffentliche Einrichtungen heutzutage organisiert.

(Abg. Wacker CDU: Das haben die mit Sicherheit in Baden-Württemberg abgeschaut!)

Mit Sicherheit nicht. – Oder schauen Sie nach Bayern: In Bayern wird ein Hochschulgesetz geplant, das bei den Übertragungen von Kompetenzen im Personalbereich sowie im Management von Flächen und Liegenschaften sehr viel weiter geht als das Gesetz, das Baden-Württemberg hier vorlegt.

(Zuruf des Abg. Mack CDU)

Wer modernisiert, muss vor allem selber glaubwürdig sein. Er muss auch in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich für Modernisierung stehen. Schauen wir uns einmal die in Baden-Württemberg vorgesehene Umstellung auf Bachelorund Master-Studiengänge an: Für alle Studiengänge sollen künftig Bachelor- und Master-Abschlüsse gelten, ausgenommen sämtliche Staatsexamens-Studiengänge. Für Ärzte, Juristen und Lehrer soll die Reform also nicht gelten. Da, wo der Staat anfängt, hört es also mit der Reform auf. Hier ist der Modernisierer Frankenberg einfach unglaubwürdig. So kann man bei den Hochschulen, bei denen ja noch viel Überzeugungsarbeit für Bachelor und Master zu leisten ist, und auch bei der Wirtschaft nicht wirklich überzeugend auftreten.

(Beifall bei den Grünen)

Ausgerechnet das Land selber nimmt sich von der Studienreform aus, muss aber in den Bereichen Psychologie, Ingenieurwesen und Architektur dafür werben, die anerkannten Diplomstudiengänge aufzugeben. Darüber hinaus leistet man sich dadurch bei der Lehrerausbildung den Luxus, aufwendige und außerordentlich ineffektive Doppelstrukturen fortzuführen.

Sehr geehrter Herr Frankenberg, in Bezug auf Bachelor und Master fallen mir durchaus ein paar Bundesländer ein, die mehr Modernität unter Beweis stellen. Wer von Modernisierung redet, muss sich fragen lassen: Welches Ziel verfolgen wir? Welche Visionen stecken dahinter? Stimmt die Richtung der Modernisierung? Beim Landeshochschulge

setz, dem neuen Bauplan für die baden-württembergischen Hochschulen, meine ich: Die Richtung stimmt nicht, und der Bauplan ist in sich nicht stimmig.

Ich will das an vier Punkten erläutern.

Der Bauplan ist erstens nicht stimmig, weil Versatzstücke aus Begrifflichkeiten der Unternehmenswelt kopiert und auf die Hochschulen übertragen werden, ob es passt oder nicht. Der Rektor wird zum Vorstandsvorsitzenden,

(Zuruf des Abg. Pfisterer CDU)

der Hochschulrat wird zum Aufsichtsrat. Man mag das ja schick finden, oder man mag es auch unangemessen finden. Das ist unerheblich. Zum Glück haben sich die Hochschulen ja das Recht erkämpft, selbst zu entscheiden, ob sie die Begriffe anwenden wollen.

(Zuruf des Abg. Seltenreich SPD)

Allerdings: Aus dem Aufkleben eines solchen Etiketts wird noch lange kein neues Leitbild. Zweitens: Es werden unternehmerische Freiheiten herausgepickt. Die daraus erwachsenen unternehmerischen Pflichten jedoch erscheinen nicht im Gesetzentwurf.

Die neuen Spielräume zum Beispiel für Unternehmensgründungen und Beteiligungen gehen nicht mit den entsprechend notwendigen Publizitätspflichten einher. Sie könnten sich ja durchaus ein Beispiel an innovativen Unternehmensstrukturen nehmen. Dagegen ist ja nichts einzuwenden. Sie könnten sich auch ein Beispiel an dem Kodex für Corporate Governance nehmen, also der Selbstverpflichtung für gute Unternehmensführung. Es wäre doch einmal spannend, das auf die Hochschulen zu übertragen. Aber davon findet sich keine Spur.

(Beifall bei den Grünen)

Was Sie allerdings tun, ist, das Ziel des Studiums zu verkürzen. Es soll auf eine reine berufliche Tätigkeit vorbereiten – und Schluss. Alle weiteren Ziele werden unter den Teppich gekehrt. Die Wissensgesellschaft braucht aber auch in Zukunft Menschen mit ausgeprägter Urteilskraft, mit eigenem Denkvermögen, Menschen, die auch zu verantwortlichem Handeln in unserer Gesellschaft in der Lage sind. Diesem Ziel hat Hochschulbildung auch zukünftig zu dienen.

Zweiter Baufehler: Die Stabilität der Hochschule als Ganzes wird durch diese Reform nicht verbessert. Die neuen Leitungsebenen werden gestärkt – in gewisser Weise wird ein Anbau geschaffen –, sie werden aber gleichzeitig nach außen verlagert, und die Hochschulen geraten als Gesamtkomplex in eine Schieflage. Rektor, Rektorat und Aufsichtsrat erhalten also neue Kompetenzen, und in gleichem Maß wird die Anbindung an die eigenen Hochschulmitglieder zurückgefahren, indem zum Beispiel die Hochschulmitglieder den Rektor nicht mehr auswählen können. Das wurde auch bislang schon unterlaufen, so gut man es konnte, indem man zum Beispiel keine Dreierlisten vorlegte. Aber der Anspruch war ein anderer. Auch der Einfluss der Hochschulmitglieder auf die Besetzung des Hochschulrats geht künftig zurück.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es auch kein Zufall, dass die Kritik unisono aus den Hochschulen kommt –

(Abg. Pfisterer CDU: Welche?)

von Hochschulleitungen gleichermaßen wie von Hochschulmitgliedern –, die sagen: „Dieses Leitungsmodell stärkt die Hochschulen nicht, sondern schwächt sie.“ Wir Grüne begrüßen durchaus die Idee, Hochschulleitungen zu stärken. Wir wollen Hochschulleitungen, die mehr Verantwortung übernehmen. Sie müssen und sollen das tun. Wir sagen aber auch: Eine starke Leitung braucht eine starke Legitimation.

Deshalb möchten wir einen neuen Vorschlag machen, wie man das organisieren könnte.

Wir schlagen vor – erstens –: Der gestärkte Rektor oder die gestärkte Rektorin soll zukünftig in einer Direktwahl durch alle Hochschulmitglieder gewählt werden.

(Abg. Wacker CDU: Wie in China! – Abg. Pfiste- rer CDU: Noch mehr Demokratisierung!)

Wir wollen Profilbildung und Unterscheidbarkeit von Hochschulen. Lassen Sie uns doch diese Debatte in den Hochschulen führen! Das lässt sich verfassungsgemäß gestalten – mit gewichteten Stimmen für die verschiedenen Hochschulgruppen. Wer als Rektor oder Rektorin auf diese Art gewählt und demokratisch legitimiert wurde, wird wirklich zu einer starken Figur für die Hochschulen.

(Abg. Pfisterer CDU: Mitgliederbefragung! – Zuruf des Abg. Wacker CDU)

Ja, genau. Sie machen doch gerade die ersten zaghaften Schritte in diese Richtung.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Abg. Pfisterer CDU: Die wir nicht wollten!)

Das werden Sie schaffen.

Zweiter Vorschlag: Die Hochschulräte möchten wir als Gesamtlisten durch den Landtag und nicht durch das Ministerium bestätigt und bestellt wissen. Jetzt ist ja die Bestellung durch das Ministerium und mit der Möglichkeit, einzelne Personen auch wieder abzuberufen, vorgesehen. Wir meinen: Der Hochschulrat muss Ausdruck der Pluralität der Gesellschaft sein. Er muss deshalb gegenüber dem Landtag rechenschaftspflichtig sein und ist nicht der verlängerte Arm des Ministeriums.

(Abg. Pfisterer CDU: Autonom!)

Dritter Baufehler: Modernes Bauen heißt auch transparentes Bauen. Transparentes Bauen findet aber nicht statt. Gerade für Hochschulen, die ja Orte des öffentlichen Wissens sind, wäre es ein richtiges und wichtiges Leitbild, diese Gebäude zu konstruieren mit Einblick, mit Einsicht, mit einer Möglichkeit, von außen hineinzuschauen und, wenn sie einladend sind, sich vielleicht hineinzubegeben und mitzumachen. Der Wissenschaftsminister dagegen zieht neue Wände auf, macht die Fenster dicht und schottet ab.

Ein Beispiel: Im neuen LHG wird erleichtert, dass Hochschulen und Universitätsklinika Unternehmen gründen oder sich an Unternehmen beteiligen. Gleichzeitig werden die Prüfrechte des Rechnungshofs in diesem Bereich beschnitten. In Zukunft soll der Rechnungshof nur noch bei einer Mehrheitsbeteiligung der Hochschulen ein Prüfrecht haben. Eine solche Reduktion der Einsichtnahme ist angesichts der letzten Denkschrift zu dem Thema, die Sie hoffentlich gelesen haben, und der Vorwürfe, die da gemacht wurden, eine regelrechte Provokation nicht nur gegenüber dem Rechnungshof, sondern auch gegenüber dem Parlament.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)