Protocol of the Session on July 28, 2004

Beide sind sich nicht darüber im Klaren, dass das Projekt nicht nur für Stuttgart und die Region Stuttgart eine massiv wichtige Entscheidung ist, sondern ganz Baden-Württemberg betrifft.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Eben!)

Denn Stuttgart 21 ist ein maßgeblicher Teil der Magistrale Paris–Budapest.

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Ich meine, die Höhe unseres Bruttosozialprodukts in Baden-Württemberg würde deutlich unterschiedlich aussehen, je nachdem, ob diese Magistrale über Karlsruhe, Stuttgart und Ulm verläuft oder ob sie womöglich über Frankfurt und Nürnberg nach München führt.

(Beifall der Abg. Dr. Noll und Beate Fauser FDP/ DVP – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Genau! Das ist doch der Punkt!)

Hier müssen wir ansetzen. Deshalb muss auch die Verbindung zwischen Kehl und Appenweier zügig gebaut werden. Gestern stand in der Zeitung, die Bahn habe das wieder einmal versprochen. Ich glaube das erst, wenn der Bau tatsächlich erfolgt. Wir müssen aber dringend daran arbeiten, dass diese Maßnahme kommt.

Auch der Ausbau der Rheintalstrecke ist im Übrigen dringend notwendig. Spätestens wenn der Gotthardtunnel fertig ist, wird die bisherige Strecke überlastet sein.

Im Bundesverkehrswegeplan kommt Baden-Württemberg schlecht weg. Darüber haben wir schon öfter diskutiert. Ich möchte nur daran erinnern: In der Region Stuttgart fehlt die Anbindung der B 312 an die B 10. Deshalb müssen Autofahrer, die von der B 312 zur B 10 wollen, nach wie vor über den Charlottenplatz in Stuttgart fahren, wenn sie Bundesstraßen benutzen wollen. Auch der Nordostring ist nur im weiteren Bedarf enthalten, und dies auch noch unter Anführung ökologischer Bedenken. Das kann einfach nicht sein.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Gott sei Dank!)

Wir haben in der letzten Woche im Ausschuss besprochen, was alles durch den Ausfall der Maut nicht zustande kam. Ich zähle Ihnen das nicht auf, aber ich zeige es Ihnen.

(Die Rednerin hält einige Blätter Papier in die Hö- he.)

Das sind drei Seiten. Sie enthalten mindestens 30 einzelne Projekte. Vor allem stehen darin gewaltig geringere Investitionssummen. Das kann einfach nicht reichen.

(Zuruf des Abg. Knapp SPD)

Unter anderem wird zurzeit die B 464 zwischen Renningen und Sindelfingen nicht gebaut, obwohl diese Maßnahme dringend nötig wäre, um die A 8 und die A 81 zu entlasten. Das Stuttgarter Kreuz ist eines der am meisten befahrenen Autobahnkreuze in Deutschland. Wer darüber fahren muss, weiß, dass er dort meistens steht. Das hätte man mit diesem Ausbau locker von allen Seiten entlasten können. Aber das Geld dafür ist nicht da, weil im Bund Mist gebaut wurde und die Mauteinnahmen fehlen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Bei den Wasserstraßen besteht das gleiche Problem. Man weigert sich, den Neckar auszubauen, obwohl man ganz genau weiß, dass man die Schifffahrtsstraße Neckar damit mittelfristig tötet. Deswegen noch einmal der Appell: Jeweils eine Schleuse muss verlängert werden.

Ich habe aber den Eindruck, die Grünen – das weiß man ja – wollen die Verkehrsinfrastruktur nicht der Wirtschaft anpassen. Jetzt gehen sie den umgekehrten Weg nach dem Motto: Wenn es der Wirtschaft schlecht genug geht, wird sie schon so weit zurückgehen, dass unsere Straßen ausreichen.

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Absurd! Absurd ist das!)

Das, meine Damen und Herren, kann es aber nicht sein.

Die Messe wurde schon angesprochen. Weitere Standortfaktoren wie Forschung, Bildung und Kinderbetreuung sind zu nennen, genauso Kunst und Kultur, weil das alles wichtig ist, wenn man qualifizierte Mitarbeiter gewinnen will. Hier kommen bei der Aufstellung des nächsten Landeshaushalts besondere Herausforderungen auf uns zu. Leider haben wir ja nicht unbedingt vollen Einfluss auf die Einnahmehöhe, sondern das sind Bundesrahmenbedingungen. Aber wir werden schauen, dass wir damit ordentlich zurechtkommen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Wieser.

(Abg. Fischer SPD: Oh, der Herr Wieser!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich gerne den Glückwünschen an den neuen Wirtschaftsminister anschließen und freue mich auf die konstruktive Zusammenarbeit mit ihm. Ich möchte aber auch dem ehemaligen Wirtschaftsminister Dr. Döring ganz herzlich für seine Arbeit danken.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Drittens möchte ich hinzufügen, dass die Debatte, die wir heute über den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg führen, in weiten Teilen eine große Übereinstimmung gezeigt hat. Damit möchte ich auch allen meinen Vorrednern danken und jetzt darauf eingehen, wo ich gewisse Unterschiede sehe.

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Herr Kollege Schmiedel, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie den Vorwurf der „baden-württembergischen Krankheit“ zurückgewiesen haben. Dieser Vorwurf ist eine Unverschämtheit. Weil eine Untergruppierung bestimmte Verträge gemacht hat, wird in den Zeitungen von der „baden-württembergischen Krankheit“ gesprochen. Das Abstimmungsverhalten der Menschen mit den Füßen, ihr Abstimmungsverhalten aufgrund von Wirtschaftsstandortfaktoren sagt genau das Gegenteil: Baden-Württemberg ist ein erstklassiger Standort.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das heißt nicht, dass wir nicht noch bestimmte Aufgaben zu erledigen hätten.

Herr Kollege Schmiedel, Sie haben gefragt, was die badenwürttembergische Politik im Zusammenhang mit dem, was bei Daimler-Chrysler vereinbart wurde, getan habe. Ich bin dankbar dafür, dass wir zur Tarifautonomie und zur Verantwortung der Tarifpartner hier eine so durchgängig positive Meinung gebildet haben.

Was soll die Politik tun? Die Politik hat die Rahmenbedingungen herzustellen. Wenn es schon den Tarifpartnern durch eine Betriebsvereinbarung gelingt, 500 Millionen € freizuschaufeln, um Wettbewerbsfähigkeit – die einzig entscheidende Überlebensfrage für unsere Wirtschaft – und die Arbeitsplätze zu sichern, dann frage ich mich: Was soll die Politik da machen? Immer dann, wenn die Politik den Menschen Arbeitsplätze auf fremde Rechnung versprochen hat, ist das schief gegangen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Sie müssen einmal diese Omnipotenz von der Politik wegnehmen. Sie müssen der Wirtschaft Rahmenbedingungen geben, wie es die Kollegin Berroth gesagt hat, und auch in der Verkehrspolitik und im Tarifrecht Rahmenbedingungen setzen, damit Flexibilität möglich ist,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Wohl wahr!)

um zu maßgeschneiderten Anzügen zu kommen, wie es der Herr Wirtschaftsminister formuliert hat.

Ich komme zu diesen Rahmenbedingungen. Sie sind zum Teil genannt worden. Sie, Herr Kollege Schmiedel, haben freundlicherweise eine Karte gezeigt. Natürlich war das keine CDU-Karte. Es ist in erster Linie der Erfolg der Menschen dieses Landes, der Tüftler, der Denker und derjenigen, die für ihre Ausbildung mit gesorgt haben. Denn neben Messe, neben Infrastruktur und neben Verkehr gibt es das, was der Kollege Dr. Birk gesagt hat: eine konsequente Mittelstandspolitik. Denn immer noch sind 90 % der Arbeitsplätze und auch der Ausbildungsplätze für unsere junge Generation beim Mittelstand. Wenn wir es nicht fertig bringen, dem Mittelstand die Luft zum Atmen zu geben, dann nützt auch der Tarifkompromiss, diese Betriebsvereinbarung bei Daimler-Chrysler, nichts, obwohl ich sie uneingeschränkt befürworte. Aber wir müssen erst einmal lesen, ob dieser Kompromiss am Ende nicht durch Zulieferbetriebe und andere bezahlt werden muss. Es würde nichts nützen, wenn die einen die Beschäftigungsgarantie hätten, aber die anderen die Rechnung bezahlen müssten. Aber ich freue mich,

und der Kompromiss ist ein Ausdruck des partnerschaftlichen Denkens in den Betrieben.

Nun zu den Rahmenbedingungen. Den Mittelstand hat mein Kollege Dr. Birk genannt, den Verkehr Frau Berroth. Ich will auf eines hinweisen: Unser Kapital sind die Menschen. Wenn ich an die berufliche Bildung denke, wenn ich an Forschung und Hochschulen denke, an Infrastruktur, dann stelle ich eben fest, dass wir dort Spitze sind, auch wenn wir in dem einen oder anderen Punkt noch Nachholbedarf haben. Das ist doch die Abstimmung pro Baden-Württemberg, wenn wir die Menschen auf ihr Leben vorbereiten, wenn wir den Menschen nicht mit Neid begegnen, sondern uns freuen, wenn sie Leistung erbringen, und uns auch freuen, wenn sie für ihre Leistung bezahlt werden.

(Beifall des Abg. Kurz CDU)

Unser Problem ist doch nicht, dass manche erfolgreich sind, sondern unser Problem ist, dass viele nicht erfolgreich sind. Das ist doch unser Problem.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wenn wir diese Fragen auch einmal im Psychologischen wegräumen und den Menschen Mut zur eigenen Qualifikation machen und ein differenziertes Angebot an Hochschulen, Fachhochschulen, Berufsakademien, Technikerklassen, Meisterkursen, im dualen System machen,

(Abg. Dr. Birk CDU: Sehr richtig!)

dann werden wir zukunftsfähig sein. Wir werden doch nicht mit Feiertagen unsere Konkurrenzfähigkeit sichern. Wir werden das nur durch entsprechende Lohnstückkosten schaffen. Das heißt, wir brauchen Qualifikation, Kreativität, Vitalität und Leistungsbereitschaft.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Und geringere Lohn- nebenkosten!)

Das ist unser Punkt.

Ich danke Ihnen für Ihr Zuhören.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)