Protocol of the Session on July 18, 2001

Gerade sie dürfen deshalb nicht die Verlierer an den Schulen sein.

Im Bereich der beruflichen Schulen haben wir die gleiche Situation. Es fehlen – und man muss sich diese Zahl vor Augen führen – 26 479 Wochenstunden, nämlich 1 060 Deputate, um den Pflichtunterricht an den beruflichen Schulen zu gewährleisten.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ist dabei der Religi- onsunterricht eingerechnet?)

Diese Probleme sind hausgemacht. Die Berufsverbände haben schon Mitte der Neunzigerjahre massiv vor dem Lehrermangel und besonders vor dem Fachlehrermangel an beruflichen Schulen gewarnt. 1995, als viele Ingenieure wegen einer Wirtschaftskrise von der Wirtschaft entlassen oder nicht eingestellt wurden, kam die Forderung, diese auf Vorrat einzustellen. Damals haben Sie gesagt: „Was, auf Vorrat? Jetzt schon?“ Die Idee, dass man an die Zukunft denken muss, kam Ihnen offensichtlich nicht. Solche Fachexperten fehlen uns jetzt an den beruflichen Schulen.

(Beifall bei den Grünen)

Ich muss hier eines sagen: Wenn Sie immer betonen, wie wichtig Ihnen Mittelstand und Handwerk in Baden-Württemberg seien, und wenn Sie auf die Leistungen dieser Wirtschaftsbereiche stolz sind, müssen Sie auch dafür sorgen, dass die beruflichen Schulen die bestmögliche Bildung vermitteln. Denn die berufliche Bildung ist das Rückgrat der mittelständischen Wirtschaft in Baden-Württemberg.

(Beifall bei den Grünen, der SPD und der FDP/ DVP)

Deshalb sagen wir Grünen: Natürlich kann man die Defizite der Vergangenheit nicht von heute auf morgen beseitigen. Wir brauchen dafür einen Stufenplan. Wir schlagen vor, fünf Jahre lang jeweils 400 zusätzliche Lehrerstellen für die beruflichen Schulen zur Verfügung zu stellen. Dann können wir in fünf Jahren das Defizit abbauen, und wir können genügend Lehrerstellen bereitstellen, um die steigenden Schülerzahlen auszugleichen; denn in den beruflichen Schulen werden wir noch bis zum Jahr 2008 steigende Schülerzahlen haben.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Ein zweiter Punkt ist die Krankheitsreserve. Wir Grünen haben jahrelang für die Einrichtung einer festen Krankheitsreserve gekämpft.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Die haben wir jetzt!)

Ja, mit 660 Lehrerstellen. Sie sind in diesem Punkt einsichtig geworden.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Relativ einsichtig!)

Das ist aber noch nicht genug. Wir Grünen sagen: Bei über 4 000 Schulen – allein 2 500 Grundschulen – reichen 660 Lehrer in der Krankheitsreserve nicht aus. In Baden-Württemberg werden gerade einmal 0,7 % der Lehrerschaft für eine Krankheitsreserve bereitgestellt. Wir fordern, jetzt im Nachtrag eine Verdoppelung auf 1 320 vorzunehmen,

(Abg. Seimetz CDU: 100 %!)

und zwar nicht erst zum Ende der Legislaturperiode. Herr Zeller hat es schon angedeutet, und Herr Karg, der Landesvorsitzende des VBE, betont es auch: Unter den derzeitigen Bedingungen muss man im Grunde eine „verlässliche Heimschickschule“ statt Ihrer verlässlichen Grundschule fordern. Denn Zusammenlegungen beeinträchtigen massiv die pädagogische Qualität an den Grundschulen. Für mich ist es darüber hinaus ein ganz schwerwiegender Faktor, dass aus den Hauptschulen Stunden abgezogen werden, um die Verlässlichkeit an den Grundschulen zu gewährleisten. Die Schüler und Schülerinnen an den Hauptschulen aber dürfen nicht die Leidtragenden einer verlässlichen Grundschule sein.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir fordern auch 1 000 zusätzliche Lehrerstellen zu Beginn dieses Schuljahrs, sodass insgesamt 1 660 neue Lehrkräfte an die Schulen kommen. Wir müssen die Lehrkräfte – das sollte eigentlich eine Lehre aus der Vergangenheit sein – jetzt in gewisser Weise auf Vorrat einstellen, weil die Gefahr besteht,

(Abg. Seimetz CDU: Wenn man sie auf Vorrat einstellt, muss die Versorgung gut sein!)

dass wir die Lehrkräfte in wenigen Jahren, wenn die Pensionierungswelle beginnt, auf dem Markt nicht mehr vorfinden. Wir brauchen sie auch, um den Unterricht insgesamt verlässlich zu garantieren. Zum Beispiel wurde mir beim Oberschulamt Karlsruhe gesagt, dass der Pflichtunterricht für die Gymnasien mit den jetzigen Einstellungen noch nicht gesichert sei; es fehlten 42 Deputate im Pflichtstundenbereich.

(Zuruf des Abg. Seimetz CDU)

Das heißt für mich: Wir müssen die Kraftanstrengung, die Sie angedeutet haben, bereits jetzt unternehmen und die Lehrkräfte einstellen. Wir müssen die Priorität auf die Bildung setzen. Das sind wir unserer jungen Generation schuldig.

(Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Wir haben sie schon gesetzt!)

In der zweiten Runde werde ich noch auf das Personalmanagement in den Schulen eingehen.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Ministerin Dr. Schavan.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nach der Runde der Fraktionen zu den angesprochenen Themen Stellung nehmen. Es waren drei Themen: Erstens Lehrerarbeitsmarkt und Lehrereinstellungsverfahren, verbunden mit dem Vorwurf, ein Unternehmen, das so arbeite, wäre längst bankrott; zweitens Unterrichtsversorgung zum neuen Schuljahr, dargestellt an einzelnen Beispielen, die ich im Detail aufgreifen werde – darüber hinaus möchte ich andere Details nennen –; und drittens die Frage – das ist in einem Parlament die eigentliche spannende und politische Frage, weil wir ja im Wettbewerb um gute Ideen stehen –, was die Alternativen der Opposition sind.

Zum ersten Punkt, Lehrerarbeitsmarkt und Lehrereinstellungsverfahren: Sie wissen, dass es bundesweit seit Ende der Neunzigerjahre eine gravierende Veränderung auf dem Lehrerarbeitsmarkt gibt, die sich allerdings von Land zu Land höchst unterschiedlich auswirkt.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Es gibt Länder wie das Saarland, die ihre Lehrerbildung in ein anderes Bundesland verschoben haben. Es gibt Länder wie Rheinland-Pfalz, die keine Sonderschullehrerausbildung machen. Es gibt eine Reihe von Ländern, die ihre Kapazitäten relativ gering halten. Generell gilt: Wo die SPD regiert, gibt es einen Numerus clausus für Referendare – bis heute!

Demgegenüber hat Baden-Württemberg im Bundesvergleich eine der höchsten Ausbildungskapazitäten über

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

haupt. Das gilt in ganz besonderer Weise für die Sonderschulpädagogik, die, weil wir eine so breit angelegte Ausbildungskapazität und damit verbundene Ressourcen und Orte der Forschung im Land haben, eben auch bundesweit, was den Forschungsstand und das Innovationspotenzial angeht, ausgebaut wurde und an der Spitze steht.

Deshalb ist es so, dass ich in der Tat, wenn ich in den Schulen bin, junge Referendarinnen und Referendare aus Rheinland-Pfalz treffe, die sagen: „Wir lassen uns hier ausbilden.“ Das ist dann im Übrigen die kleine Gruppe derer, die selbstverständlich wieder in ihr Land zurückgehen, weil sie von dort kamen und nie vorhatten, in Baden-Württemberg tätig zu werden.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Jetzt haben wir die Märchenstunde perfekt!)

Im Übrigen zeigen die Bewegungen auf dem Lehrerarbeitsmarkt, dass etwa zehnmal so viele Lehrerinnen und Lehrer aus anderen Bundesländern nach Baden-Württemberg kommen, als von Baden-Württemberg irgendwo anders hingehen.

Das heißt, zum Thema „Ausbildungskapazität und Lehrerarbeitsmarkt“ gilt bundesweit der Grundsatz – lassen Sie es mich jetzt politisch zuspitzen –: Wo die SPD regiert, gibt es weniger Studienplätze, gibt es den NC auch für das Referendariat, gibt es Verzögerungen in der Ausbildung und kein Stück Verbesserung für die Zukunftschancen der Referendare.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Seimetz CDU: Und in Baden-Württemberg werden sie eingestellt!)

Zweites Stichwort zum Thema – –

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute!)

Frau Bregenzer, ich möchte das einfach einmal erklären können, und dann können Sie wieder weitermachen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Ja! – Zuruf von der CDU: Hoffentlich begreift sie es!)

Zweiter Punkt zum Thema Lehrerarbeitsmarkt, KMK-Beschluss zu der Frage: Wie antworten wir in den Ländern auf diesen veränderten Arbeitsmarkt? Da hat zum Beispiel das Land Baden-Württemberg gemeinsam mit dem Land Niedersachsen im Bundesrat den Antrag gestellt, die Anwärterbezüge zu erhöhen, die Kürzungen rückgängig zu machen.

(Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Abgelehnt worden!

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Ihre Regierung!)

Nicht unsere Regierung!

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Die CDU-geführ- te Bundesregierung!)

Das ist eine Geschichte, die in allen Bundesländern so eingeführt wurde. Jetzt hätten wir die Chance gehabt, das abzuschaffen. Und die Mehrheit aus von SPD und Grünen regierten Bundesländern hat das abgelehnt. Die haben bekanntlich im Bundesrat eine Mehrheit, und es war auch diese Mehrheit, die es abgelehnt hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Seimetz CDU: Davon redet der Zeller nicht! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie können uns viel erzählen! Die SPD-Minister erzählen uns andere Sachen!)