Protocol of the Session on April 1, 2004

(Abg. Zeller SPD: Das ist aber sehr heuchlerisch!)

Die bereits angeführte Tatsache, dass die Arbeitszeiterhöhung im Bereich der Lehrerinnen und Lehrer zum größten Teil – also immerhin zu zwei Dritteln – in den Schulen selbst verbleibt und für eine Ausweitung des Unterrichtsvolumens und damit für eine Verbesserung der Unterrichtsversorgung verwendet wird, rechtfertigt dieses Vorgehen zusätzlich.

Nun sind mir auch, Herr Zeller, Berechnungen einiger Lehrerverbände bekannt, nach denen die Erhöhung von 24 auf 25 Unterrichtswochenstunden einer Erhöhung der Arbeitszeit um 4,2 % entspräche, während sich die Erhöhung der Wochenarbeitszeit der sonstigen Beamten von 40 auf 41 Stunden

(Abg. Zeller SPD: Sie müssen die Vor- und Nach- bearbeitungszeit dazuzählen! Der Bezug stimmt nicht!)

dagegen lediglich auf plus 2,5 % belaufe. Ich komme da zu einem ganz anderen Ergebnis, meine Damen und Herren. Wenn ich den Bezug herstelle zwischen der jährlichen Arbeitszeit der Lehrer auf der einen Seite – jetzt kommen wir auf das Thema – und der jährlichen Arbeitszeit der sonstigen Beamten in unserem Lande auf der anderen Seite, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass vor der Arbeitszeiterhöhung eine Unterrichtswochenstunde des Lehrers mit 1,9 wöchentlichen Arbeitsstunden der sonstigen Beamten äquivalent war und dass nach der Erhöhung der Arbeitszeiten dieselbe Relation gilt, nämlich immer noch 1 : 1,9. Ich rechne Ihnen das gerne vor, aber Sie können es auch selbst nachrechnen.

(Abg. Kübler CDU: Das glaube ich nicht!)

Wenn Sie nämlich berücksichtigen, dass 40 bzw. 41 Wochenarbeitsstunden des Beamten, der nicht Lehrer ist, im

Durchschnitt in 44 Wochen des Jahres erbracht werden, während die 24 bzw. 25 Unterrichtswochenstunden der Lehrer lediglich in 38 Wochen des Jahres zu erbringen sind, können Sie rechnerisch nichts anderes herausbringen.

Auf die Diskussion, ob es denn richtig ist – oder deutlicher: ob es denn heute noch angemessen ist –, die Lehrerarbeitszeit so zu rechnen, lässt sich die FDP/DVP gerne ein. Denn natürlich ist die Frage, ob es noch zeitgemäß ist, die Lehrerarbeitszeit nach Wochenstundendeputaten zu bemessen.

(Abg. Kübler CDU: Ja! – Abg. Zeller SPD: Das ist schon lange überholt!)

Das ist die eigentliche aktuelle und auch die eigentliche schwierige Frage beim Thema Lehrerarbeitszeit. Aber genau die haben Sie, Herr Kollege Zeller, verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, nicht gestellt, wenn Sie hier in Ihrem Antrag – Sie können es ja gerne noch einmal nachlesen – von der Höhe der Wochenstundendeputate und nicht von einem Jahresdeputat reden.

(Abg. Zeller SPD: Haben Sie meine Rede nicht ge- hört?)

Ihre Rede habe ich gehört. Ich habe aber auch Ihren Antrag sehr wohl ganz genau gelesen. Da steht das eben gerade nicht drin.

(Abg. Zeller SPD: Deswegen rede ich zu meinem Antrag!)

Da bringen Sie ein Jahr nach der Antragstellung so alte Kamellen, mit denen man nichts anfangen kann.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das können Sie doch gar nicht lesen! Sie haben eine ganz schlechte Kopie!)

Ich wundere mich darüber, dass das nicht schon damals angesprochen worden ist;

(Zuruf des Abg. Zeller SPD)

denn es war auch schon im Mai 2003 ein Thema. Aber ich nutze gerne die Gelegenheit – das ist mein letzter Satz –, hier noch einmal meiner Hoffnung Ausdruck zu geben, dass die an der Frage einer zeitgemäßen und übrigens auch transparenten Bemessung von Lehrerarbeitszeit arbeitende Kommission zu guten Ergebnissen kommt.

Ich bedanke mich.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP sowie bei Abgeordneten der CDU – Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Wintruff?

Die Sprechzeit ist zu Ende. Aber gerne, ja.

(Abg. Zeller SPD: Du hast noch eine Chance!)

Bitte sehr.

Herr Kollege Kleinmann, können Sie mir erklären, warum Sie es vertreten können und für gerechtfertigt halten, dass den beruflichen Schulen nicht ihr voller Gewinn aus der Deputatserhöhung belassen wurde? Sie wissen, auch dort wurde ein Teil des Stundengewinns vonseiten des Finanzministers weggenommen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Aber der kleinere Teil, Herr Kollege! Der kleinere Teil!)

Richtig. – Sie wissen doch, dass es bei den beruflichen Schulen ein strukturelles Defizit von 1 000 Deputaten gibt. Wie können Sie dann diese Wegnahme rechtfertigen? Das bitte ich Sie zu erklären.

Verehrter Kollege Wintruff, ich weiß, dass Ihr Herz für die Berufsschulen schlägt. Das ist übrigens auch bei uns so. Sie haben auch völlig Recht, dass wir hier ein großes Problem haben, was die Lehrerversorgung betrifft. Wir haben aber, wenn ich es richtig im Kopf habe, von den 700 Stellen, von denen ich gesprochen habe, 370 oder 390 an den beruflichen Schulen gelassen.

(Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

Das ist der überwiegende Teil. Wir sind uns auch einig – ich habe Ihnen ja vorgerechnet, wie viele neuen Stellen wir geschaffen haben –, dass da bis zum Ende der Legislaturperiode noch ein Rest besteht und dass dieser Rest überwiegend wiederum den beruflichen Schulen zugute kommen muss. Das hängt schon mit dem Rückgang der Schülerzahlen zusammen.

(Abg. Wintruff SPD: Nicht bei beruflichen Schu- len!)

Das heißt, wir brauchen daher bei den Grundschulen ab 2006 weniger Lehrer. Deshalb haben wir ab 2006 dort keine strukturellen Probleme, sondern wir haben sie noch lange – da haben Sie Recht – an den Berufsschulen. Deshalb wird bei der nächsten Lehrereinstellung in erster Linie an die beruflichen Schulen gedacht.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Wintruff SPD: Wir erinnern euch daran! Ihr habt jetzt Verspre- chungen gemacht, die ihr einhalten müsst!)

Das Wort erhält Frau Abg. Rastätter.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vor fast genau einem Jahr, als die Lehrerarbeitszeit an beruflichen Schulen und Gymnasien um eine Unterrichtsstunde erhöht wurde, haben wir Grünen bereits einen Antrag in den Landtag eingebracht, der dann auch in einer Plenarsitzung behandelt wurde. Mit diesem Antrag haben wir die Landesregierung aufgefordert, die Erhöhung der Unterrichtungsverpflichtung für Lehrkräfte zurückzunehmen und gleichzeitig neue Arbeitszeitmodelle zu entwickeln und zu erproben.

(Zuruf des Abg. Dr. Lasotta CDU)

Ich habe es damals gesagt und sage es heute wieder: Wir Grünen haben es für eine falsche Entscheidung gehalten, die Lehrerarbeitszeit an Gymnasien und beruflichen Schu

len zu erhöhen. Ich möchte darauf verweisen, dass wir auch den Kontext, in dem diese Erhöhung stattfand, berücksichtigen müssen. Der Kontext ist der, dass bereits in diesem Jahr – jetzt beginnen die Vorbereitungen – das größte Reformwerk in den Schulen eingeleitet wurde, das es in der badenwürttembergischen Schulgeschichte je gegeben hat.

(Zuruf des Abg. Dr. Lasotta CDU)

Frau Kultusministerin Schavan schreibt ja deshalb auch im Vorwort des neuen Bildungsplans, in Baden-Württemberg werde ein neues Kapitel der Schulgeschichte aufgeschlagen. Es handelt sich um eine völlige Neuorientierung, um eine pädagogische Weiterentwicklung der Schulen.

Ausgerechnet in dieser Situation, in der ja bei den Gymnasien noch weitere Reformschritte hinzukamen, nämlich die Oberstufenreform, die sich noch immer in der Umsetzungsphase befindet, und die Umstellung auf das achtjährige Gymnasium, werden die Lehrerinnen und Lehrer mit einer Arbeitszeiterhöhung konfrontiert. Das ist natürlich kontraproduktiv, wenn Schulen motiviert werden sollen, sich auf diese pädagogischen Herausforderungen einzustellen. Ferner müssen wir berücksichtigen, dass wir gerade in den beruflichen Schulen, wie meine Kollegen aus der SPD schon gesagt haben, ohnehin ein strukturelles Defizit von 1 000 Deputaten haben und dass die beruflichen Schulen mit der größten Heterogenität von Schülerinnen und Schülern umgehen müssen und Aufgaben wie die gemeinsamen Prüfungsausschüsse haben, sodass sie vor zusätzlichen Aufgaben und Herausforderungen stehen.

Wie gesagt, ich halte es für eine falsche Entscheidung. Allerdings hat die Ministerin in der damaligen Plenarsitzung endlich ihren hartnäckigen Widerstand gegen die Entwicklung und Erprobung neuer Arbeitszeitmodelle aufgegeben. Sie erinnern sich: Ich hatte noch davon gesprochen, dass man bei ihr bei diesem Thema auf Granit beiße. Das hat sie widerlegt, indem sie noch in derselben Plenardebatte das Einsetzen der Arbeitsgruppe verkündet hat.

Zumindest mit dieser Entwicklung bin ich zufrieden, weil wir Grünen durch unsere Hartnäckigkeit dazu beigetragen haben, dass jetzt bei diesem Thema Bewegung festzustellen ist. Es zeigt sich, dass diese neue Arbeitsgruppe offensichtlich sehr gut arbeitet. In dieser Arbeitsgruppe sind ja auch Vertreter der Verbände, des Landeselternbeirats und Vertreter des Landeschulbeirats tätig. Wir können feststellen, dass allein durch die Tatsache, dass diese Arbeitsgruppe tagt, bereits der Horizont geöffnet ist und untersucht wird, was andere Länder, die hierbei schon wesentlich weiter vorangeschritten sind, besser machen. Ich erinnere an die skandinavischen Länder, die andere Arbeitszeitmodelle haben

(Zuruf des Abg. Röhm CDU)

und wo bei den Lehrkräften eine höhere Arbeitszufriedenheit festzustellen ist, gleichzeitig aber auch eine sehr viel höhere Anerkennung des Lehrerberufs in der Öffentlichkeit erfolgt, was wir bei uns dringend erreichen müssen.

Wir Grünen sagen aber, dass wir bestimmte Forderungen an diese Arbeitsgruppe stellen müssen. Bei der Neubewertung der Lehrerarbeitszeit müssen alle Aufgaben von Lehrerin

nen und Lehrern berücksichtigt werden. Bei den neuen Modellen muss unter den Beteiligten ein Konsens erreicht werden. Es darf keine Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen von Lehrern geben. Wir brauchen schon jetzt den Einstieg in Arbeitsplätze für Lehrerinnen und Lehrer an Schulen. Ich fordere das Kultusministerium auf, endlich den Widerstand dagegen aufzugeben und dies in die Schulbaurichtlinien zu übernehmen.

Eines ist für mich klar: Wir Grünen lehnen das Hamburger Modell der Faktorisierung der Arbeitszeit vehement ab,

(Zurufe der Abg. Zeller SPD und Röhm CDU)

weil das nur zu Streit und Konflikt führt, weil es im traditionellen Deputatsmodell verhaftet bleibt, weil Lehrerinnen und Lehrer sich nur um Minuten streiten und weil man Fächer gegeneinander ausspielt