Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Erneute Arbeitszeiterhöhung für Lehrerinnen und Lehrer – Drucksache 13/2098
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie die Landesregierung und die Kultusministerin mit engagierten Lehrerinnen und Lehrern umgehen, stößt nicht nur bei uns, bei unserer Landtagsfraktion, sondern auch bei vielen Eltern, Schülerinnen und Schülern auf Kritik und ist eigentlich das Gegenteil einer verlässlichen Politik.
auf Ihre Zwischenrufe, Herr Haas, habe ich ja gewartet – an einer reinen Deputatsregelung festgehalten, obwohl zahlreiche Experten mit Gutachten auf die Ungerechtigkeit dieses Systems hingewiesen haben. Unsere Forderung, wenigs
tens andere Arbeitszeitmodelle auszuprobieren, wurde jahrelang blockiert. Wir haben dies immer wieder im Schulausschuss gefordert.
Sogar der Rechnungshof hat die Landesregierung aufgefordert, die Unterrichtsverpflichtung versuchsweise als Schuljahresdeputat zu dokumentieren. Konsequenz bisher: null, Herr Pfister.
Noch in der Regierungserklärung im März 2003 hat die Ministerin die derzeitige Deputatsregelung für vertretbar gehalten. Das war der Punkt. Das komplette Thema „Arbeitszeit von Lehrerinnen und Lehrern“ war Frau Schavan bei ihrer damaligen langen Bewerbungsrede um die Nachfolge von Herrn Teufel keine Silbe wert.
Wenige Wochen später wussten wir, warum dies so war: Ausgerechnet in der Zeit, in der engagierten Lehrerinnen und Lehrern viel abverlangt wird, sattelte die Ministerin den Lehrkräften an Gymnasien und beruflichen Schulen eine weitere Unterrichtsstunde drauf, erhöhte sie das Deputat um eine Stunde, zum einen, weil sie für die schnelle Einführung des achtjährigen Gymnasiums zusätzliche Lehrerressourcen brauchte, zum Zweiten, weil der Unterrichtsausfall an den beruflichen Schulen zu eskalieren drohte und die Wirtschaftsverbände Alarm geschlagen haben, und zum Dritten, weil eben der Finanzminister auch noch etwas gebraucht hat, um Einsparungen vornehmen zu können.
Eine Stunde mehr Unterricht für alle Lehrerinnen und Lehrer an den Gymnasien und beruflichen Schulen: So schnell kann man angeblich drei Probleme lösen, allerdings auf Kosten derjenigen, auf deren Engagement wir alle angewiesen sind, auch die Ministerin, ebenfalls unsere Eltern und Kinder, und das, obwohl den Beamtinnen und Beamten schon das Weihnachts- und Urlaubsgeld gekürzt wurde. Auf diese Weise – das sage ich Ihnen deutlich – kann man niemanden motivieren.
Das gilt insbesondere dann, wenn wichtige Umstellungen zu bewältigen sind. Ich nenne hier nur die vorschnelle Einführung des achtjährigen Gymnasiums oder das, was wir zurzeit mit den Bildungsstandards erleben.
Anstatt die Lehrkräfte an diesen wichtigen Reformen zu beteiligen, sie sozusagen mitzunehmen, wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums vor den Kopf gestoßen. Aus Beteiligten wurden Betroffene gemacht.
Wer ständig neue, zum Teil unausgegorene Baustellen eröffnet, braucht sich doch wahrlich nicht zu wundern, dass Unzufriedenheit entsteht und dass das Klima an unseren Schulen immer schlechter wird. Dafür tragen Sie die Verantwortung!
Die Landesregierung hat die Ausmaße des Protests unterschätzt. Wir – ich denke, Sie genauso – bekommen stapelweise Protestbriefe.
Ich bin einmal gespannt, wie darüber berichtet wird. Die Petition hat auch die Arbeitszeit von Lehrkräften zum Inhalt.
Der Strategiewechsel aber kam prompt. Bei der Plenardebatte im Landtag am 26. Juni letzten Jahres kündigte die Ministerin flugs die Einsetzung einer Kommission zur Arbeitszeit der Lehrkräfte an.
Die Kommission wurde eingesetzt. Auf diese Weise – so ist die Strategie der Ministerin – soll die verärgerte Lehrerschaft mindestens bis zum Jahr 2006 ruhig gestellt werden. Jetzt tagt die Kommission, und sie tagt, und sie tagt. Herausgekommen ist noch nicht sehr viel, nur, dass man nachfragt, wie das in anderen Ländern ist und wie dort die Lehrerarbeitszeiten aussehen.
Die Ungerechtigkeiten der Arbeitszeitregelungen sind aber schon lange bekannt. Das wissen wir, das haben wir, Herr Pfister, Sie und ich, schon vor Jahren auch hier von diesem Platz aus diskutiert. Wir haben beklagt, dass es Ungerechtigkeiten gibt, zum Beispiel wenn man in einer Hauptschule im ländlichen Raum 10 Schüler und gleichzeitig in einer Hauptschule im städtischen Raum 32 Schülern aus 20 Nationen in einer Klasse hat. Dass dieses ungerecht ist, haben wir immer wieder von dieser Stelle aus beklagt. Sie haben nur bisher nicht darauf reagiert. Es war Ihnen sozusagen egal. Sie haben und Ihre Ministerin hat an dieser unsäglichen Deputatsregelung festgehalten, obwohl die Ungerechtigkeiten deutlich sichtbar sind.
Dazu kommt noch, dass wir innerhalb einer Schulart nicht nur diese Ungerechtigkeiten, sondern auch einen unterschiedlichen Zeitaufwand bei den einzelnen Fächern haben. Interessant ist ja, dass 1998 – das hatte ich Ihnen auch schon gesagt – die Unternehmensberatung Mummert + Partner im Auftrag der Landesregierung von NordrheinWestfalen festgestellt hat, dass hier bei gleicher Bezahlung unterschiedliche Tätigkeiten und ein bis zum Faktor 4 differierender Zeitaufwand anzutreffen waren. Das ist übrigens eine Tatsache, die nun erneut von einem Oberverwaltungs
gericht in Nordrhein-Westfalen bestätigt wurde: Wer Englisch, Französisch oder Deutsch unterrichtet,
ist wesentlich stärker belastet als beispielsweise Sport- oder Erdkundelehrer. Nun können Sie sagen: „Das war in Nordrhein-Westfalen.“ Die gleiche Situation trifft aber natürlich auch für Baden-Württemberg zu.
Gerade die Lehrkräfte an den beruflichen Schulen empfinden die Arbeitszeiterhöhung als besonders unfair. Wir meinen, zu Recht; denn gerade die Lehrkräfte an den beruflichen Schulen stehen vor besonderen Herausforderungen. Im Gegensatz zu manch anderen Lehrkräften müssen sie sich permanent fortbilden, um überhaupt auf dem Laufenden zu sein. Die Schülerinnen und Schüler setzen sich dort überdies sehr heterogen zusammen. Hinzu kommt eine hohe Belastung durch viele Prüfungen. Wir wissen, dass wir allein an unseren beruflichen Schulen ein strukturelles Defizit von über 1 000 Deputaten haben. Alles das müssen Sie aufgreifen; und das war eben einer der Gründe, weshalb Sie ja hier diese Erhöhung vorgenommen haben. Ich sage Ihnen: Das ist ein Weg gewesen, der nicht sonderlich motivierend war.
Meine Damen und Herren, motivierte Lehrerinnen und Lehrer sind jedoch das A und O einer jeglichen Verbesserung der Unterrichtsqualität. Mit Arbeitszeitverlängerungen und gleichzeitigen Kürzungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld und allem, was noch dazukommt, ist dies nicht zu erreichen.
Ich sage Ihnen noch etwas: Die Entscheidung für die Arbeitszeiterhöhung ist auch eine Ohrfeige für alle jungen Kolleginnen und Kollegen. Sie haben mit einer Werbekampagne versucht, junge Menschen zu gewinnen. Jetzt wird ihnen gesagt: „Ihr seid zwar ausgebildet, habt aber danach kaum eine Chance, eingestellt zu werden.“
auch deshalb, weil es darum geht, diese Arbeitszeit transparent zu machen. Wir müssen die Arbeitszeitregelungen neu definieren; und wir wollen dabei von einer Jahresarbeitszeitregelung ausgehen. Damit wollen wir auch gegen das Vorurteil ankämpfen, Lehrerinnen und Lehrer arbeiteten ohnehin nur am Vormittag und hätten zudem noch drei Monate im Jahr Urlaub.
(Abg. Pfister FDP/DVP: Das müssen Sie dem Bun- deskanzler sagen! Der spricht von „faulen Sä- cken“!)
Wir brauchen gemeinsam mit den Betroffenen eine Regelung, durch die deutlich wird, was Lehrerinnen und Lehrer tatsächlich leisten. Denn das ist wesentlich mehr als nur die reine Unterrichtsarbeit.