Nur ein Vergleich, damit man weiß, was 300 Millionen Hektar sind: 300 Millionen Hektar sind das 20fache der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Bundesrepublik Deutschland. Das heißt, auf dem 20fachen der Nutzfläche der Bundesrepublik Deutschland haben wir weltweit bereits heute die Nutzung von gentechnisch veränderten Pflanzen. Das muss man als Faktum wissen.
Derzeit nutzen 18 Länder die grüne Gentechnik. Die Europäische Union hat sich von dieser Entwicklung mit ihrem De-facto-Moratorium mehr oder weniger abgekoppelt. Die Hauptanbauländer sind beispielsweise die USA, Argentinien, Kanada, China und Brasilien. Das sind die Länder, die in der Welternährungsproduktion ohnehin eine riesige Rolle spielen.
Nun zur rechtlichen Situation der grünen Gentechnik, also zu diesem De-facto-Moratorium, das sich die Europäische Union selber auferlegt hat: In Europa sind seit 1997 keine gentechnisch veränderten Pflanzen mehr neu zugelassen worden. Deshalb spricht man von einem De-facto-Moratorium. Obwohl das, was die EU da tut, EG-rechtswidrig ist – das sehen verschiedene Kommissare der Europäischen Union auch so –, werden zurzeit faktisch keine weiteren Anträge bearbeitet. Das verschafft uns im Welthandelsmaßstab, in der WTO, gegenüber den entsprechenden Ländern, beispielsweise gegenüber den USA, auch entsprechende Angriffspunkte.
Die beiden EU-Kommissare Wallström, Umwelt – sozusagen meine Kollegin zwei Stufen höher –, und Byrne, Verbraucherschutz, also die, die es am ehesten wissen müssten, haben bereits im Jahr 2001 erklärt, dass es für die Fortsetzung dieses Moratoriums, also für das faktische Verbot der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen, obwohl die wissenschaftlichen Voraussetzungen für ihren Anbau gegeben wären, keine stichhaltigen Gründe mehr gebe und dass dieses Moratorium deswegen beendet werden müsse.
Zur rechtlichen Situation der grünen Gentechnik in der Bundesrepublik: In diesem Jahr wird das Moratorium möglicherweise aufgehoben. Denn die Europäische Union hat mit der Richtlinie 2001/18/EG, der Freisetzungsrichtlinie, und zwei entsprechenden Verordnungen – die eine regelt die Rückverfolgbarkeit und die andere die Kennzeichnung entsprechender gentechnisch veränderter Pflanzen – den rechtlichen Rahmen für die grüne Gentechnik erweitert. Das verpflichtet jetzt die Bundesrepublik, zu reagieren. Die beiden Verordnungen selbst gelten unmittelbar, also ohne Umsetzungsakt auf deutscher Ebene, und müssen ab April 2004 angewandt werden. Die Freisetzungsrichtlinie muss allerdings in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. Sie hätte bereits bis Oktober 2002 umgesetzt werden müssen. Das ist bislang nicht geschehen. Wir haben uns damit ein Vertragsverletzungsverfahren eingehandelt.
(Zuruf des Abg. Teßmer SPD – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wie viele andere Staaten haben es noch nicht?)
Jetzt, mit eineinhalbjähriger Verspätung, hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf vorgelegt. Der Vorschlag, den das Bundesernährungsministerium nun vorgelegt hat, spricht von Koexistenz, meint aber, glaube ich, etwas anderes. Denn die Regeln zu den verschiedenen Anbauformen und zur Haftung sind nicht nur umstritten, sondern sie schließen eine Koexistenz, das heißt ein NebeneinanderExistieren von Feldern von Landwirten, die gentechnisch veränderte Pflanzen einsetzen, und solchen, die das nicht tun, eigentlich aus. Der Vorschlag setzt die Koexistenz eigentlich nicht in Kraft, sondern außer Kraft.
Das Gesetz soll nach dem Willen der Bundesregierung im dritten Quartal 2004 in Kraft treten. Wenn man aber weiß, dass es vonseiten der Bundesländer 140 Änderungsanträge gibt, kann man davon ausgehen, dass es zu einem Vermittlungsverfahren kommen wird. Die Geschichte wird sich noch einmal länger hinziehen.
Ich will ein, zwei wesentliche Dissenspunkte zwischen Bundestag und Bundesrat hier erwähnen. Wir sollten bei diesem Thema, glaube ich, auch so etwas wie Aufgabenabbau und Entbürokratisierung im Blick behalten, wobei man damit natürlich nicht alle Argumente „erschlagen“ kann. Es geht im Wesentlichen zunächst einmal darum: Wie sind die Rechte und die Pflichten zwischen den Landwirten, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen, und solchen, die das nicht tun, verteilt? Das soll ja durch die Haftungsregelungen bestimmt werden.
Die von der Bundesregierung vorgesehenen Haftungsregelungen auf der Basis nachbarrechtlicher Bestimmungen des BGB, des Bürgerlichen Gesetzbuchs, lassen denjenigen, der zugelassene gentechnisch veränderte Sorten anbaut, selbst dann für ungewollte Auskreuzungen und sonstige Einträge haften, wenn er die Regeln der guten fachlichen Praxis eingehalten, sich also gesetzeskonform verhalten hat.
Jetzt muss man sich ganz einfach einmal vor Augen führen, was hier eigentlich geschützt wird. Hier soll nicht der Nachbar geschützt werden, dass er keinen Schaden erleidet; denn diese Pflanzen verursachen keine Schäden, sonst würden sie nicht zugelassen. Vielmehr soll die Gentechnikfreiheit als solche geschützt werden. Wenn ich jetzt mit einer Haftung dafür, dass es in einem bestimmten Umfang zu einer gentechnischen Veränderung kommt, bereits an der Nachweisgrenze anknüpfe, habe ich mit Sicherheit einen falschen Ansatzpunkt gewählt. Denn ein Schaden – das ist ja die Voraussetzung für einen Schadenersatz – kann eigentlich frühestens dann eintreten, wenn nicht nur der Nachweis einer gentechnischen Veränderung erfolgt ist, sondern wenn die Grenze zur Kennzeichnungspflicht überschritten worden ist. Das wäre schon eine sehr viel höhere Grenze als die Nachweisgrenze.
Herr Minister, sind Sie der Auffassung, dass alle gentechnisch veränderte Nahrungsmittel essen müssen, nur weil einige der Meinung sind, dass auf ihren Äckern gentechnisch veränderte Produkte angepflanzt werden müssen?
Ich habe gesagt: Man kann natürlich eine Haftungsregelung einführen und kann sagen, der Landwirt, der das nicht mag, solle davon nicht behelligt werden.
Ich habe im Moment nur über die Grenze gesprochen: Geht es um die Nachweisgrenze, oder geht es um die Grenze der Kennzeichnungspflicht?
Wenn der Landwirt, der das nicht will, diese gentechnischen Veränderungen, die er sozusagen unfreiwillig auf seinem Acker vorfindet, nicht kennzeichnen muss, hat er auch keinen Schaden. Und dann kann man den Nachbarn auch nicht – –
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Aber der Nachbar will die Gentechnik doch gar nicht! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Aber ich will das essen! Ich will richtige Tomaten!)
Wenn ein Landwirt ein zugelassenes Produkt in Verkehr bringt, hat er keinen Schaden. Also kann derjenige, der dazu etwas beigetragen hat, auch nicht zu Schadenersatz verpflichtet werden. Das ist eine relativ simple Geschichte.
Deswegen glaube ich, diese superrigide Haftungsregelung, die eigentlich in die Systematik des deutschen Schadenersatzrechts gar nicht hineinpasst, nämlich eine Schadenersatzpflicht, obwohl es gar keinen Schaden gibt, ist so nicht richtig. Das ist kein Koexistenzgesetz, sondern ein Gentechnikverhinderungsgesetz.
Nun kann man ja sagen: Wir wollen das nicht. Ich will Ihnen jetzt aber umgekehrt nur an wenigen Beispielen einmal
zeigen, dass es natürlich auch Gründe für die grüne Gentechnik geben kann. Ich sage ja nur: Es soll niemand dazu gezwungen werden, sie anzuwenden. Es sollte aber auch niemand gezwungen werden, sie nicht anzuwenden. Ich muss die Chance eröffnen,
(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Gegenruf des Abg. Schebesta CDU – Weitere Zurufe, u. a. der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)
Sie bietet im nationalen und vor allem im internationalen Maßstab große Chancen. Durch den Anbau gentechnisch veränderter Nutzpflanzen kann der Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln reduziert werden.
Meine Damen und Herren, darf ich Sie bitten, die Unterhaltungen draußen zu führen und hier im Saal Ruhe zu bewahren.
Die Qualität der Produkte, ihre Lagerfähigkeit und die Ertragssicherheit können erhöht werden. Gentechnik kann dazu beitragen, dass die Belastung von Produktionsflächen mit entsprechenden Chemikalien vermieden oder verringert wird.
Durch die gentechnologische Entwicklung können schädlingsresistente Kulturpflanzen gezüchtet werden, ohne dass es zu einem entsprechenden Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im bisherigen Umfang kommen muss. Mit insektenresistenten Maissorten kann beispielsweise bei der Bekämpfung des Maiszünslers auf chemische Insektizide völlig verzichtet werden. Die herbizidtoleranten Sorten erlauben den Einsatz besonders umweltfreundlicher, schnell abbaubarer Herbizide
und erleichtern erosionsmindernde Mulchsaat. Das alles sind Faktoren, mit denen einerseits landwirtschaftsbezogen, andererseits aber auch umweltbezogen argumentiert werden kann. Das heißt, es gibt landwirtschaftliche Argumente und es gibt ökologische Argumente für den Einsatz grüner Gentechnik.
(Abg. Walter GRÜNE: Lesen Sie einmal die briti- sche Studie! Da ist doch der ganze Unsinn wider- legt!)
Und wenn es dementsprechend also gar keine Gefahren und keine Risiken gibt, dann ist nicht einzusehen, weshalb derjenige, der grüne Gentechnik will, sich der sich damit bietenden Chancen nicht bedienen sollte.
Darüber hinaus können gentechnisch veränderte Pflanzen künftig auch eine Quelle für nachwachsende, biologisch ab