Warum möglichst ohne Pfand? Das ist die Frage. Das ist keine Glaubensfrage, sondern eine Instrumentendebatte. Ich muss aber wissen, was das Ziel ist.
Nun ist das Pfand als Druckmittel seit zehn Jahren wunderschön geeignet. Warum als Druckmittel? Weil das Pfand ein unbeliebtes, ein schwieriges, ein sperriges Instrument ist. Genau deswegen ist es als Druckmittel geeignet. Es ist ja nichts, was man gerne hätte, sondern es ist etwas, was man gerne vermeiden möchte. Deswegen hat man es als Instrument eingesetzt, um zu erreichen, dass möglichst die Mehrwegquote erhalten bleibt.
Also muss ich mir doch überlegen, wenn das Instrument seine Tücken und Nachteile hat – auf die ich gleich noch zu sprechen komme –: Vielleicht erreiche ich das Ziel auch ohne dieses Instrument.
Und interessanterweise hat genau in dem Maße, in dem der Termin sozusagen auf uns zukam, also die 72 % langsam unterschritten worden sind, die Debatte über die Alternativen zum Pfand begonnen: Gäbe es denn nichts Klügeres? Das ist ja eine absolut berechtigte Frage, wenn ich weiß, dass ich es mit einem Druckmittel zu tun habe, das ich möglichst gar nicht einsetzen will.
(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das ist ja die Frage, ob es ein Druckmittel ist! – Abg. Drexler SPD: Ja, eben!)
Dann kam letztes Jahr die Diskussion – so viel nur einmal zu dem Thema Glaubwürdigkeit –, dass wir uns vielleicht doch auf eine Abgabe einigen könnten. In der Tat, das war meine Position im Sommer letzten Jahres, das war beispielsweise die Position der SPD-Bundestagsfraktion – Frau Caspers-Merk hat das zusammen mit mir bei einer Veranstaltung hier in Stuttgart vertreten –, das war die Position aller Wirtschaftsverbände mit Ausnahme von zweien, es war die Position des Bundesumweltministers, aber zwei – das waren der DIHT und der BDI – waren dagegen, und dann ist Herr Trittin eingeknickt. Das war die Situation.
Trittin ist eingeknickt. Auch damals haben die mittelständischen Brauereien Baden-Württembergs gesagt, sie wollten die Abgabe und nicht das Pfand. Jetzt sage ich einmal: In dieser Debatte hat jeder von uns – ich auch, aber jeder, der hier sitzt, genauso – vor ein oder zwei Jahren schon einmal etwas anderes vertreten, als er heute vertritt. Auch die mittelständischen Brauereien haben etwas anderes vertreten,
Vor diesem Hintergrund haben wir in der Umweltministerkonferenz – – Jetzt komme ich zur Frage der mangelnden Glaubwürdigkeit. Wie Sie mich ansonsten qualifizieren, ist mir Wurscht. Ich habe mein eigenes Urteil über mich. Aber zu der Geschichte mit der Glaubwürdigkeit will ich doch etwas sagen.
Vor dem Hintergrund, dass Trittin nur wegen der Intervention zweier Verbände etwas abgelehnt hat, was alle anderen akzeptiert haben –
die Nahrungsmittelindustrie, der Handel, die Entsorgungswirtschaft, alle waren dabei, aber er hat es nicht gemacht –, standen wir vor der Frage: Was machen wir denn jetzt? Tabula rasa, wir haben überhaupt nichts mehr in der Hand. Da hat die Umweltministerkonferenz, mit meiner vollen Zustimmung, gesagt: Jetzt müssen wir uns leider doch wieder dem Pfand zuwenden. Ich habe damals in der Tat gesagt: Es muss aber eines ganz klar sein: Wir müssen die Wirkungen und Nebenwirkungen des Pfandes, vor allem die Lenkungswirkung des Pfandes unzweideutig zu klären versuchen. Wird das Pfand geeignet sein, und welche Nebenwirkungen wird es haben?
(Abg. Oettinger CDU unterhält sich, mit dem Rü- cken zum Redner stehend, mit Abg. Pfister FDP/ DVP. – Abg. Birzele SPD: Herr Umweltminister, warum streckt Ihnen der Fraktionsvorsitzende der CDU den Rücken zu? – Gegenruf des Abg. Dr. Sa- lomon GRÜNE: Weil er von ihm nichts Böses zu erwarten hat!)
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Abg. Oettinger CDU: Ich suche die Mehrheit, Herr Mi- nister!)
Jetzt haben wir Äußerungen zu der Frage bekommen: Wie ist es mit der Tauglichkeit des Pfandes? Herr Caroli, Sie haben zitiert. Ich habe nur ein einziges Zitat mitgebracht. Ich zitiere die Sätze, die Sie zitiert haben, aber auch die Sätze, die Sie nicht zitiert haben.
Insgesamt hat das Pflichtpfand auf Einweggetränkeverpackungen das Potenzial für eine positive ökologische Lenkungswirkung.
Es ist also möglich; das möchte ich auch nicht bestreiten. Ich sage nicht, es wird mit hundertprozentiger Sicherheit kontraproduktiv sein. Ich kann aber auch nicht behaupten, dass es auf jeden Fall wirkt. Wenn ich eine solch weit reichende Entscheidung fälle, dann sollte ich ein besseres Gefühl für die Wirksamkeit dieses Instrumentes haben, als dass ich sage: Es hat das Potenzial dafür.
zum Tragen kommt, hängt von den Entscheidungen des Handels ab, die differenziert sein werden und teilweise nicht sicher kalkulierbar sind.
Das heißt also: kann sein, kann auch nicht sein. Das ist das Ergebnis des Umweltbundesamtes, das nichtsdestoweniger – dem stimme ich gerne zu – in der Abwägung sagt: Jetzt probieren wir es einmal. Einverstanden.
Aber wenn es um ein Instrument geht, das europarechtlich, kartellrechtlich, von der Praktikabilität her, von den Kosten her sehr aufwendig und sehr heikel ist, dann sollte ich eigentlich ein besseres Gefühl hinsichtlich der Wirksamkeit haben, von den Nebenwirkungen einmal abgesehen. Das muss ich zunächst einmal feststellen.
Die Umweltministerkonferenz sagte: Wir müssen uns leider, weil die Abgabengeschichte gescheitert ist, dem Thema Pfand zuwenden. Aber es muss tauglich sein, und es darf keine anderen Probleme haben. Die Tauglichkeit ist eine heikle Geschichte.
Was spricht im Übrigen gegen das Pfand? Warum vertreten wir die These „Mehrweg ja, aber wenn es geht, ohne Pfand“?
Wir vertreten sie erstens deswegen, weil, wie gesagt, damit möglicherweise schon der Zweck gar nicht erreicht wird.
Zweitens aber: Der Aufwand, den wir zu treiben haben – der Handlungsaufwand, der Investitionsaufwand, der laufende Aufwand, den speziell der Handel hat und übrigens auch der Bürger, sage ich nur nebenbei –, ist natürlich gewaltig.
Drittens: Ich habe ein gewaltiges Clearingproblem, weil die Dosen – oder was auch immer an Einwegverpackungen – unter Umständen an einer anderen Stelle gekauft werden als dort, wo sie zurückgegeben werden.
Das ist bei einem System, bei dem man einige Hundert Brauereien hat, kein Problem. Aber wenn man Zigtausende von Abgabestellen hat, ist die Problematik schon sehr viel größer.
Viertens: Ich habe ein Fälschungsproblem. Gehen Sie doch bitte davon aus, dass ein Produkt, das ungefähr einen Wert von, sagen wir einmal, 5 bis 7 Pfennig hat – das ist zum Beispiel die Dose –, aber mit einem Pfand von 50 Pfennig belegt ist, das heißt, dessen Pfandwert vielleicht beim Fünf- oder beim Zehnfachen des Warenwerts liegt – – Es ist erstens schon einmal problematisch – das muss man schon sagen –, dass der Pfandwert ein x-faches des Warenwerts ausmacht. Aber dass dies auch zur Kriminalität anreizt, das kann man sich ja vorstellen. Wie man damit dann umgeht, weiß ich noch nicht.
Dieses Instrument ist unumkehrbar. Jetzt könnte man sagen: Das ist nicht schlimm. Aber ein Instrument, das unumkehrbar ist, das man nur einmal einführen kann, beantwortet zwei Fragen nicht:
Erstens: Brauche ich das Instrument noch, wenn es wirksam gewesen ist? Dann schafft man es nicht mehr ab, obwohl es wirksam gewesen ist.
Das heißt, sowohl im Fall der Wirksamkeit als auch im Fall der Unwirksamkeit bekommt man das Instrument in dem Moment, in dem man dafür einmal Milliardeninvestitionen getätigt hat, nicht mehr weg.