Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 58. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Dienstlich verhindert ist Herr Minister Köberle und heute Vormittag Herr Minister Dr. Frankenberg. – Mir wird soeben mitgeteilt, dass der Herr Ministerpräsident ebenfalls verhindert ist. Er ist auf der Ministerpräsidentenkonferenz.
Meine Damen und Herren, unser Kollege Gaßmann hat heute Geburtstag. Herr Kollege Gaßmann, im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.
Aktuelle Debatte – Das Selbstverständnis des badenwürttembergischen Parlaments – beantragt von der Fraktion GRÜNE
Es gelten die üblichen Redezeiten: fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es geht um die Stärkung des baden-württembergischen Landtags, denn ganz allgemein können wir auf allen Ebenen der Republik eine Schwächung der Parlamente gegenüber den Exekutiven feststellen. Dies ist ein schleichender, aber meiner Ansicht nach gefährlicher Vorgang, weil er die Legitimation der Demokratie schwächt. Denn schließlich sind in einer repräsentativen Demokratie Wahlen ja die Hauptmöglichkeit für die Bevölkerung, auf die Politik Einfluss zu nehmen, und wir können immer noch feststellen, dass das Parlament und wir Parlamentarier durchaus eine große Achtung in der Bevölkerung genießen. Umso wichtiger ist es, dass wir dem auch mit Selbstachtung begegnen und jede Missachtung vermeiden.
Das Parlament hat ja drei Kernkompetenzen: die Gesetzgebung im Sinne der Selbstregierung des Volkes,
Wahl und Kontrolle der Regierung und das Haushaltsrecht. Dann hat es noch die grundlegende Aufgabe, Politik in Rede und Streit öffentlich zu machen – schließlich leben wir ja in einer Konkurrenzdemokratie – und sichtbar zu machen, dass sich die Mehrheit für das rechtfertigt, was sie tut, und die Minderheit, die Opposition, mit Kritik und Alternativen aufwartet.
Wie sieht es jetzt bei der Gesetzgebungskompetenz aus? Immer mehr Kompetenzen sind uns, zum Beispiel durch die europäische Integration, entzogen worden. Der Bund hat, indem er die konkurrierende Gesetzgebung fast ausschließlich an sich gezogen hat und aus der Rahmengesetzgebung eine Vollgesetzgebung gemacht hat, auch sehr substanziell in unsere Gesetzgebungsrechte eingegriffen. Es ist nun die Aufgabe der Föderalismuskommission, in der drei Delegierte aus Baden-Württemberg mitarbeiten – Ministerpräsident Teufel, Kollege Drexler und ich –, das zu ändern und Kernkompetenzen wieder an die Landesparlamente zurückzugeben. Darüber besteht hier großer Konsens.
Aber dort, wo wir noch eigenen Gestaltungsspielraum haben, müssen wir ihn auch wahrnehmen. Im Bundestag gilt der Satz: Kein Gesetz wird dort so verabschiedet, wie es eingebracht worden ist. Hier in Baden-Württemberg gilt genau das Umgekehrte: Jedes Gesetz wird im Landtag so verabschiedet, wie es eingebracht worden ist – von redaktionellen Änderungen abgesehen.
Diese Vorhaltung müssen, glaube ich, vor allem die Regierungsfraktionen sehr ernst nehmen. Denn letztlich ist das Gestalten ja der Sinn der Gesetzgebung. Natürlich macht heute wegen der Komplexität der Materie zunehmend die Ministerialbürokratie Gesetze. Aber unsere Aufgabe als Parlamentarier ist es, gerade darauf zu achten, dass sie trotzdem einfach und verständlich bleiben, sich auf das Wesentliche konzentrieren und praxistauglich sind. Es ist unsere Aufgabe, die wir uns jede Woche unter den Menschen bewegen und hören, was für Sorgen und welche Kritik sie haben, genau das in Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Denn dass die Leute uns und nicht Ministerialbürokraten wählen, das ist ja der Sinn der Demokratie: die Herrschaft gewählter, nach einiger Zeit auch sachkundiger Laien über eine Expertokratie.
Zweitens: Bei der Verwaltungsreform haben sich die Mehrheitsfraktionen das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen. Das heißt, statt dass wir hier durch x Initiativen immer nur die Verwaltung kritisch begleiten – es steht aller
dings nicht in der Verfassung, dass wir die Verwaltung kontrollieren, sondern darin steht, dass wir die Regierung kontrollieren – und der Landtag sich sukzessive in einen riesigen Petitionsausschuss verwandelt,
wäre es vielmehr richtig gewesen, zu sagen, wie hier verwaltet werden soll. Sich damit zu befassen ist nämlich originäre Aufgabe des Parlaments und nicht der Exekutive.
Wenn man überlegt, was für leidenschaftliche Debatten hier in diesem Landtag stattgefunden haben, als es etwa um die Gemeinde- und Kreisreform ging, und sieht, was auf uns zukommt – dass nämlich dann, wenn die Gesetze hier in den Landtag kommen, alles schon in nichtöffentlichen Sitzungen ausgekaspert und geschwätzt ist –,
(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: „Gekaspert“? Denken Sie an die Würde des Parlaments! – Zuruf des Abg. Rückert CDU)
dann weiß man, dass das zu einer starken Schwächung des Parlaments führen wird. Dem müssen wir, glaube ich, in Zukunft entgegentreten.
Beim Haushalt muss man noch fragen: Welches Volumen wird durch das Parlament hier eigentlich wirklich verschoben? Auch da ist in den 13 Jahren, in denen ich diesem Parlament angehöre, jeweils wenig zu bemerken gewesen.
Wir brauchen Rückenwind für die Arbeit in der Föderalismuskommission. Der kann nur daher kommen, dass dieses Parlament – da tragen die Mehrheitsfraktionen eine große Verantwortung – die Kompetenzen, die es hat, auch kraftvoll wahrnimmt und gestaltet, dass die Gesetze nie so verabschiedet werden, wie sie durch Regierung und Exekutive in das Parlament eingebracht werden, sondern dass wir sie gestalten. Das ist unser Grundauftrag.
Auch die Kontrolle der Regierung dürfen die Mehrheitsfraktionen nie völlig aufgeben. Wir haben natürlich faktisch ein gespaltenes Parlament, in dem hauptsächlich die Opposition die Kontrolle ausübt. Die Regierungsfraktionen müssen die Koalition zusammenhalten und die Regierung stützen. Das ist völlig klar. Aber sie dürfen die Kontrolle trotzdem nie ganz aufgeben. Zuweilen haben wir jedoch den gegenteiligen Eindruck.
Wir sind als Minderheit, als Opposition davon abhängig, dass die Regierungsfraktionen den Auftrag der Kontrolle, wie er in der Verfassung für das ganze Parlament formuliert ist, mit wahrnehmen. Was sich für unser Verhalten in der
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zum Selbstverständnis des Landtags, Herr Kollege Kretschmann, haben Sie zweifelsohne einige richtige Dinge angesprochen, insbesondere was die Frage der Gesetzgebung angeht. Ich glaube, wir sind uns in der Zielsetzung einig, dass wir im Zuge der Föderalismusreform bei den Kompetenzen, die der Bund und zum Teil auch die Europäische Union an sich gezogen haben, wieder klar Schiff machen müssen, um die Kernkompetenzen, die das Land angehen, wieder auf das Land zurückzuverlagern. Auch dass wir dabei Mischfinanzierungen abbauen müssen, ist, glaube ich, unbestritten, damit die Verantwortung wieder bei denen liegt, die sie auch tragen, und damit Verantwortung klar zuordenbar bleibt oder zuordenbar wird.
Machen wir uns nichts vor: Wir haben diesen schleichenden Prozess in den letzten 40, 50 Jahren mehr oder minder mitgetragen –
schleichend deshalb, weil es kein Prozess ist, der über Nacht gekommen ist. Wir haben ihn mitgetragen, meine Herren Kollegen.
Ich denke etwa daran, wann das Hochschulrahmengesetz verabschiedet worden ist: Das war in den Siebzigerjahren.
Das ist nur ein großer Sündenfall unter vielen Sündenfällen. Ich will ausdrücklich sagen, dass wir diesen schleichenden Prozess mitgetragen haben und dass wir jetzt zu einer Änderung kommen müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist klar, dass wir hier im Landtag bei einer Verflechtung von Bundesund Landespolitik auch immer wieder über bundespolitische Themen debattieren. Denn 50 % unseres Haushalts, nämlich die Einnahmeseite, sind mittlerweile fast ausschließlich von der Bundespolitik abhängig. Deshalb ist es logisch und nachvollziehbar, dass immer wieder auch relevante bundespolitische Themen – nehmen wir als Beispiel das Vermittlungsergebnis der vergangenen Tage und die Auswirkungen auf den Landeshaushalt – in die Landespolitik Eingang finden.
haben sich in den vergangenen Jahren oder Jahrzehnten bislang noch nicht mit dem Phänomen der Mediendemokratie