Protocol of the Session on December 17, 2003

Das Wort erhält Herr Abg. Schmid.

(Abg. Walter GRÜNE: Jetzt bin ich aber ge- spannt!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Aussprache am heutigen Nachmittag bietet Gelegenheit, eine besonders bedeutende und weit reichende Untersuchung des Rechnungshofs zu würdigen. Die Rechnungshöfe des Bundes und der meisten Länder haben das Statistikwesen in Deutschland untersucht und wichtige Impulse zur Modernisierung und Rationalisierung dieses bedeutenden Teils der öffentlichen Verwaltung gegeben.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Genau! – Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Das Statistikwesen ist ein nicht unerheblicher Teil der öffentlichen Verwaltung in Deutschland. Das geht daraus hervor, dass in diesem Bereich 9 000 Stellen zu veranschlagen sind, 350 Statistiken verwaltet werden und bundesweit für alle Ebenen jährlich Gesamtkosten von 500 Millionen € anfallen. Deshalb sind die Empfehlungen, die wir im Finanzausschuss erarbeitet haben und die heute zur Abstimmung stehen, auch für die Weiterentwicklung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland wichtig.

Es ist richtig, dass 90 % der Statistiken von der EU und dem Bund veranlasst werden. Deshalb haben wir uns geeinigt, einen Appell an diese Ebenen zu richten, die Statistiken auf das notwendige Maß zu beschränken. Es ist aber auch zu sagen, dass ungerechtfertigte Angriffe gegen den Gesetzgeber abzulehnen sind. Denn – Sie haben darauf hingewiesen, Herr Herrmann – Berufsgenossenschaften und Kammern veranlassen sehr viele Statistiken. Wenn die Wirtschaft darüber stöhnt, welche Belastungen durch Statistiken auf sie zukommen, dann muss sie erst einmal ihre eigenen Verbände ansprechen und zumindest versuchen, da aufzuräumen.

Gleiches gilt für die Frage der Fachbruderschaften. Häufig werden auf Facharbeitsebene Statistiken beschlossen oder weiterentwickelt. In diesen Facharbeitsgremien sind in der Regel die betroffenen Genossenschaften und Wirtschaftsverbände beteiligt. Aus Gesprächen mit dem Statistischen Landesamt wissen wir, wie schwierig es ist, einzelne Statistiken zu streichen, weil zum Beispiel auch Wirtschaftsverbände zumindest von der Fachseite her Einspruch einlegen und sagen, genau diese Statistik sei für die Wirtschaft besonders wichtig.

Gleichzeitig haben wir einen Weg gefunden, diese Fachbruderschaften zumindest ansatzweise aufzubrechen. Wir sagen, in Zukunft muss das Fachressort, das eine neue Statistik anfordert, die Kosten dafür übernehmen. Das ist der einzige Ansatzpunkt, den wir auf Landesebene haben, um strategisch dieses unsinnige Fachbruderschaftswesen anzugehen.

Wir haben uns auch über die Frage der Datensammlung geeinigt und sogar eine Verschärfung eingeführt. Elektronische Anlieferung muss verstärkt werden. Vor allem ist es völlig unverständlich, dass der öffentliche Bereich immer noch hinterherhinkt.

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Sehr richtig!)

Wir müssen in kurzer Zeit erreichen, dass aus dem öffentlichen Bereich inklusive der kommunalen Ebene Daten elektronisch angeliefert werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Heike Dederer GRÜNE: Sehr richtig!)

Wir wissen auch, dass die technische Seite der Aufgabenwahrnehmung diejenige ist, die am meisten Einspareffekte bringt. Es ist deutlich geworden, dass die Ausgaben pro Kopf für Statistik bei den großen Ämtern am geringsten ausfallen. Das deutet darauf hin, dass es auch in der Aufbereitung der Daten Skaleneffekte gibt. Deshalb ist die länderübergreifende Bündelung von Aufgaben besonders wichtig.

Ich will dazu ermutigen, dass Baden-Württemberg ausdrücklich weiter vorangeht, als es die gemeinsame Empfehlung der Innenministerkonferenz vorsieht. Auch BadenWürttemberg könnte durch Zusammenlegung im technischen Bereich weitere Skaleneffekte für sich mobilisieren. Es ist also daran zu denken, dass wir etwas weiter gehen, als die Beschlussempfehlung vorsieht.

Schließlich geht es auch darum, dass wir Personaleinsparungen in diesem Bereich fortsetzen. Wir haben ein mittelfristiges Ziel von insgesamt 200 Stellen vorgesehen. Bei Änderung der Rahmenbedingungen, vor allem bei Verbesserung der technischen Aufbereitung von Daten, ist dieses Ziel auch erreichbar, ohne dass die Qualität der Arbeit im Statistischen Landesamt darunter leiden würde. Deshalb will ich noch einmal darauf hinweisen, dass wir Politiker unsere Erwartung bekräftigen, dass in den nächsten Jahren dieser Personalabbau im Statistischen Landesamt fortgeführt wird.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Rechnungshof mit dem Denkschriftbeitrag 2002 und jetzt mit dieser großen Untersuchung einen wichtigen Beitrag dazu geleistet hat, die öffentliche Verwaltung in diesem Bereich zu modernisieren. Wir brauchen diese Impulse. Wir sollten sie über die Jahre hinweg fortsetzen, und wir werden sehr sorgfältig beobachten, wie diese Empfehlungen umgesetzt werden.

Es geht aber auch um eine strategische Perspektive. Wohin geht die Reise mit der Statistik in Deutschland? Ich sehe zwei wichtige Entwicklungen. Die eine ist die Bündelung der Aufgaben im technischen Bereich, Rationalisierungsmaßnahmen, Personaleinsparung. Jawohl, dazu stehen wir.

Auf der anderen Seite muss gewährleistet sein, dass selbst bei länderübergreifender Aufgabenwahrnehmung die Analysekompetenz in den einzelnen Bundesländern gestärkt wird. Deshalb gilt auch für das Statistische Landesamt in Baden-Württemberg, dass die Personaleinsparung natürlich auch diese Rationalisierungspotenziale erschließen muss. Außerdem müssen wir darauf achten, dass die Analysekompetenz in diesem Amt erhalten und an der einen oder anderen Stelle ausgebaut wird, damit wir in der Politik, aber auch die Gesellschaft insgesamt weiterhin auf die wichtige Beratung und Datenaufbereitung durch das Statistische Landesamt zurückgreifen können.

Ich denke, dies ist eine zukunftsfähige Perspektive, die anzeigt, dass wir dort Geld sparen können, aber gleichzeitig die wichtige Aufgabe des Statistischen Landesamts in der Politikberatung verstärken.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erhält Frau Abg. Fauser.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dem Lob für den Landesrechnungshof kann ich mich nur nachdrücklich anschließen. Es ist wirklich eine ganz hervorragende Studie, die der Landesrechnungshof erarbeitet hat. Darin wurde die Aufgaben- und Or

ganisationskritik in einer wirklich umfassenden analytischen Form dargestellt. Der Antrag des Kollegen Herrmann macht einmal mehr deutlich, wie wichtig die Aufgabenkritik und der vorgeschlagene Paradigmenwechsel bei der Kostenfrage sind.

Die vom Rechnungshof durchgeführte Untersuchung zum Statistikwesen in Deutschland zeigt erhebliche Effizienzund Einsparpotenziale auf – nicht nur für die öffentliche Hand, sondern ebenso für die Wirtschaft. Ich möchte dazu sagen: Wenn die IHK eine Erhebung macht, muss die Wirtschaft die Erhebungsbögen nicht ausfüllen. Wenn hingegen das Statistische Landesamt eine Erhebung durchführt, ist man dazu gezwungen. Es gibt viele Firmen, die an Erhebungen von der IHK überhaupt nie teilnehmen,

(Heiterkeit der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

weil vieles, was dabei erhoben wird, wirklich nirgendwo relevant wird oder zu irgendwelchen Entscheidungen beiträgt.

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine aktive Kosten-Nutzen-Analyse. Eine solche wird von den Initiatoren von Statistiken aber normalerweise überhaupt nicht durchgeführt. Es werden oftmals Statistiken erstellt, die überhaupt nicht zu einer Entscheidungshilfe beitragen, sondern möglicherweise nur der Befriedigung der reinen Neugierde dienen.

(Heiterkeit der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Ich möchte allerdings betonen, dass das Statistische Landesamt die Vorgaben des Landesrechnungshofs sehr konstruktiv mitgetragen hat und bei den Überlegungen zu Kürzungen und Einsparungen hervorragend mitarbeitet.

Meine Damen und Herren, wir müssen in Zukunft mehr Rücksicht auf die Datenerbringer nehmen, weil viele Erhebungen nichts als Ärger verursachen. Ich möchte dazu ein Beispiel aus dem verarbeitenden Gewerbe darstellen: Beispielsweise hat ein Metzgereibetrieb im Rahmen der Produktionserhebung seine Ware nach Menge und Wert in Gütearten aufzuführen, also Kochwürste, Frischwürste, Rohwürste, Schweineschinken usw.

(Abg. Capezzuto SPD: Was für Würste? Blutwurst! Rote!)

Da ist doch die Frage erlaubt, was diese detaillierte Darstellung soll, wie viel Arbeit ihre Erstellung macht und ob das notwendig ist.

Meine Damen und Herren, Vorschläge wie die vom Staatsministerium und vom Wirtschaftsministerium sowie des Deutschen Industrie- und Handelstags, in manchen verarbeitenden Branchen die Grenze, ab der Erhebungen erfolgen müssen, von 20 auf 50 Beschäftigte zu erhöhen, müssen daher dringend noch einmal aufgegriffen werden. Wirtschaftsministerium und Staatsministerium stellten fest, dass die Aussagekraft der Statistiken darunter nicht leiden würde. Keine der für die Volkswirtschaft und die Politik relevanten Informationen ginge dabei verloren.

(Abg. Capezzuto SPD: Würste!)

Wenn der Statistische Beirat nicht anhand überprüfbarer Fakten das Gegenteil beweisen kann, sollte zukünftig das Votum der Landesregierung Berücksichtigung finden. Das Konnexitätsprinzip muss dringend auf allen Stufen gefordert werden, und dies muss auch nach Brüssel weitergereicht werden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut!)

1998 hat das Wirtschaftsministerium darauf hingewiesen, dass die statistischen Anforderungen beim Aufbau eines Unternehmensregisters völlig überzogen sind. Die Hälfte der Unternehmen, so das Wirtschaftsministerium, trage nur mit 2 % zum Gesamtumsatz der Wirtschaft bei. Der extrem hohe Aufwand für Kleinunternehmer steht in keiner vernünftigen Relation zum Informationswert. Dies kann so nicht hingenommen werden, meine Damen und Herren. Wir brauchen, wie vom Rechnungshof vorgeschlagen, eine länderübergreifende Ämterbündelung, wir brauchen den Wegfall von Statistiken und die Reduzierung von Erhebungsmerkmalen. Wir brauchen die Kostentragungspflicht für das jeweils federführende Ressort, und wir brauchen eine bessere Koordination der Informations- und Kommunikationstechnologie.

Wie bereits ausgeführt könnten sozusagen im ersten Anlauf bereits 100 Millionen € gespart werden. Wir werden versuchen, diese Instrumentarien künftig auch entsprechend durchzusetzen.

Meine Damen und Herren, diese überzogene Bürokratie ist ein Nachteil für den Wirtschaftsstandort.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Dederer.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei dem großen Konsens, den wir bei diesem Thema ja auch schon im Finanzausschuss hatten, kann ich mich kurz fassen. Ich beschränke mich auf wenige Punkte, die für uns in dieser Debatte wichtig waren und wichtig sind.

Es ist völlig klar, dass es billiger ist, Veröffentlichungen per E-Mail zu verschicken und nicht auf Papier. Das Statistische Landesamt hat bereits umgestellt und gezeigt, dass das gut funktioniert. Wir begrüßen das außerordentlich, wünschen uns aber auch, dass sich Ministerien, die heute noch mit Hochglanzbroschüren arbeiten, dort etwas abschauen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Pfister FDP/ DVP)

Punkt 2: Den Appell an die EU kann ich nur unterstützen; das haben wir auch im Finanzausschuss getan. Es ist richtig, dass Statistiken auf EU- und Bundesebene daraufhin überprüft werden sollten, ob sie überhaupt notwendig sind. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass die EU uns auch Geld für statistische Sondererhebungen erstattet. Das sollte bei die

ser Debatte nicht unter den Tisch fallen. Im Jahr 2003 waren das immerhin 150 000 €.

Punkt 3: Es ist völlig klar – das haben auch die Vorredner betont –, dass die elektronische Datenerhebung forciert werden sollte. Ebenso klar ist, dass die öffentliche Hand an dieser Stelle als Vorbild vorangehen sollte. Unserem Wunsch, dass alle Datenlieferanten, auch die privaten, generell gezwungen werden, ihre Daten elektronisch abzuliefern, wurde im Ausschuss nicht entsprochen. Vielleicht können wir das in der folgenden Diskussion noch einmal aufgreifen.

Wichtig ist, dass die Parallelstrukturen, die wir im Moment mit Papier und Elektronik haben, schnellstmöglich abgeschafft werden, denn sie kosten doppelt Zeit und Geld.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)