528 Millionen € sind nicht nur ein Geldsegen zur Ankurbelung der Wirtschaft, sondern tragen auch zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei.
Das Programm bietet auch eine hervorragende Chance zur Schulentwicklung. Die ersten Ansätze hierzu sind bereits erkennbar. Es kann zur Verbesserung der Unterrichtsqualität, zu einem besseren Zusammenspiel der Lehrkräfte untereinander und zu einer stärkeren Einbeziehung von Eltern und außerschulischen Institutionen, die sich traditionell um Jugendliche kümmern, nämlich der Vereine, der Jugendhilfe, der Jugendämter, des Sports, der Jugendmusikschulen usw., beitragen.
Meine Damen und Herren, dies alles wird vor Ort mühsam genug zusammengezimmert. Aber wo sind die konzeptionellen Ideen der Landesregierung hierzu? Wo sind die entsprechenden Vorschläge zu Rahmenbedingungen?
In Nordrhein-Westfalen beispielsweise wird das Ganztagsschulprogramm direkt mit einer Verzahnung von Schulen und Jugendhilfe verbunden. Und Baden-Württemberg? Lange hat sich Ministerin Schavan gewunden wie ein Aal,
um die mit dem Investitionsprogramm des Bundes verbundenen Millionen aus der Bundeskasse von Baden-Württemberg fernzuhalten. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht wäre es zu peinlich gewesen, einzugestehen, welch großen Nachholbedarf Baden-Württemberg in diesem Punkt wirklich hat.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das wissen wir doch alle! – Abg. Dr. Caroli SPD: Aha! – Zuruf von der SPD: Schavanismus!)
7. März 2003, „Heute“-Sendung im ZDF, Originalton: „Die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan rechnet nicht mit einer Einigung zwischen Bund und Ländern über die Einführung von Ganztagsschulen.“
7. März 2003, Deutschlandradio, Annette Schavan: „Wer glaubt, mit der Ganztagsschule irgendeine Art von Dilemma lösen zu können, der irrt.“
(Beifall bei der CDU – Ministerin Dr. Annette Schavan nickt zustimmend. – Zuruf von der SPD: Oi! – Zuruf von der CDU: Da hat sie Recht! Völlig richtig!)
5. Juli 2003, erste Sitzung nach der Unterzeichnung der Verwaltungsvereinbarung im Bundesministerium für Bildung und Forschung in Berlin: Baden-Württemberg nimmt nicht teil.
Ich sage Ihnen das gleich. – Kein Zufall, wie sich später herausstellte. In Sachsen hieß es nämlich, man habe sich abgesprochen, dass von den CDU-Ländern nur Thüringen und Hessen teilnehmen sollten, um das Projekt bewusst klein zu halten.
29. Oktober 2003, Aussprache über die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten: Unser Fraktionsvorsitzender Wolfgang Drexler moniert zu Recht, dass die Landesregierung noch keinen müden Euro aus dem Investitionsprogramm des Bundes abgerufen habe.
31. Oktober 2003, Kultusministerium: Baden-Württemberg will nun in Berlin die Gelder abrufen. Doch ohne namentliche Nennung der Schulen fließt von dort kein Euro. Flugs wird noch am Wochenende eine Liste nachgereicht.
Meine Damen und Herren, um nicht falsch verstanden zu werden: Wir begrüßen es sehr, dass das Ministerium und Baden-Württemberg diese Gelder abrufen.
Wir begrüßen das vor allem deswegen, weil noch weitere 500 Millionen € folgen werden. Wir finden es ausgesprochen gut, dass zum Beispiel im Landkreis Ravensburg schon in der ersten Zuschussrunde 12 Millionen € fließen. Das ist mehr als ein Drittel der gesamten Fördermittel für dieses Jahr in ganz Baden-Württemberg, ein richtig großer Batzen Geld.
Es ist völlig daneben, wenn der dortige CDU-Bundestagsabgeordnete Schockenhoff verbreitet – ich zitiere wörtlich –: „Das Ganztagsprogramm des Bundes ist ein Flop.“
Zwischenzeitlich hieß es auch einmal, für so viel Geld lägen viel zu wenig Anträge vor. Unser Fraktionsantrag zeigt, dass genügend Anträge vorliegen. Beim Umgang des Ministeriums mit seinen nachgeordneten Behörden muss man allerdings den Eindruck gewinnen, dass die antragstellenden Schulen und Schulträger eher hingehalten werden sollen.
Da wird der Ball bürokratisch immer wieder hin- und hergeschoben, den Schulen und Schulträgern zurückgespielt nach dem Motto: „Hier fehlt noch ein Papier; dort fehlt noch ein Kostenvoranschlag“, wenn auch nur zur Anschaffung von Gabeln – wie tatsächlich geschehen.
Allein die Stadt Ulm hat – übrigens schon am 9. April dieses Jahres – 18 Anträge eingereicht, von denen noch kein einziger nach Berlin weitergeleitet wurde.
Andererseits – das möchte ich nur am Rande erwähnen – tauchen auf der Liste, die uns auf unsere Anforderung hin vom Kultusministerium übermittelt wurde, auf einmal Schulen auf, die gar keine Anträge gestellt haben,
(Zuruf von der CDU: Natürlich haben die Anträge gestellt! Der erzählt Müll! Wer hat denn das aufge- schrieben?)
Mich als südbadischen Abgeordneten bedrückt eines besonders, meine Damen und Herren: Der Löwenanteil der weitergeleiteten Anträge stammt aus dem Württembergischen. 22 von 33 Anträgen kommen allein aus dem Regierungsbezirk Tübingen.
Das sei ihnen herzlich gegönnt. Aber gestatten Sie mir als Abgeordnetem aus der Region Markgräfler Land/Kaiserstuhl doch, kritisch anzumerken: Aus dem Oberschulamtsbezirk Freiburg wurde nur ein einziges Projekt als förderungswürdig nach Berlin weitergemeldet – eine Schieflage in puncto Ganztagsschulen, die nicht erst seit gestern besteht.
Ich möchte hier nicht die Badenfrage neu auffrischen, aber doch anmerken: Auch Südbaden braucht Ganztagsschulen, Frau Ministerin, und es darf kein dramatisches Gefälle zwischen den Landesteilen geben.
Das gesamte Handling des Investitionsprogramms in Baden-Württemberg ist also kein Beleg für ein wirklich überzeugtes Eintreten für Ganztagsschulen.