Protocol of the Session on October 29, 2003

Aber Sie wissen auch, dass unsere Orchester auf einem Niveau streichen, das in Deutschland seinesgleichen sucht und seinesgleichen suchen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Pfisterer CDU: Sehr gut!)

Gerade die Partei der Grünen sollte wissen, dass im Hintergrund all dieser notwendigen Kürzungen die Idee einer nachhaltigen Haushaltspolitik steht. Nachhaltige Haushaltspolitik bedeutet, dass wir denjenigen, die nach uns Politik machen – aber auch schon uns selbst in den kommenden Jahren –, möglichst wenig Schulden aufbürden sollten, denn zukünftige Tilgungsraten und zukünftige Zinszahlungen engen auch die Finanzspielräume für Kunst und Kultur ein.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das haben wir nie bezweifelt!)

Insofern führt an der Kürzung um 1 Milliarde € kein Weg vorbei – und damit letztlich auch nicht an den 91,4 Millionen €, die mein Haus für 2004 einspart, und auch nicht an den 6,6 Millionen €, die Kunst und Kultur – gemessen an der Gesamtbelastung meines Hauses – relativ bescheiden treffen, jedenfalls deutlich unterproportional gegenüber den übrigen Haushaltsbereichen. Man kann also nicht von irgendeinem überzogenen Streichkonzert sprechen.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Sie haben aber ge- sagt, 12,6 Millionen €!)

(Minister Dr. Frankenberg)

Es ist überall mehr, Frau Sitzmann. Wenn wir die durchgereichten Einsparungen mitrechnen, dann sind es auch nicht 91,4 Millionen €, sondern knapp 200 Millionen €. Dann muss man aber alle Zahlen verdoppeln, und die relativen Verhältnisse zueinander bleiben gleich. Damit wird im Bereich der Kunst weiterhin unterproportional gekürzt.

(Abg. Pfisterer CDU: Richtig!)

Wenn wir uns die Kürzungen ansehen – nämlich die globalen Minderausgaben von 4,9 Millionen € bei den staatlichen Einrichtungen, bei denen wir Rechtsträger sind –, erkennen wir, dass globale Minderausgaben ein relativ verträgliches Instrument sind, weil sie eben nicht zur nachhaltigen Haushaltsabsenkung führen.

Die Behauptungen, dass die Intendantenfragen in Stuttgart in irgendeinem Zusammenhang mit der Haushaltspolitik oder auch mit den Staatstheatern als solchen stünden, werden übrigens nicht dadurch richtiger, dass man sie wiederholt.

(Abg. Inge Utzt SPD: „Unsensible Personalpolitik“ habe ich gesagt!)

Wie Sie dann den Weg zur Bemessungsgrundlage für die Streichung von 1 % der Stellen bei den Hochschulen gefunden haben, Frau Utzt, habe ich zwar nicht ganz verstanden, aber ich habe verstanden, dass Sie dieses 1 % falsch verstanden haben.

(Heiterkeit des Abg. Pfisterer CDU – Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Das war nicht logisch!)

Denn hier geht es letztlich darum, dass es für die Stellenkürzungen eine unterschiedliche Bemessungsgrundlage gibt. Im Hochschulbereich sind alle Stellen, die mit der Lehre in Beziehung stehen, aus der Bemessungsgrundlage für diese Stellenkürzungen ausgeschlossen, sodass die Bemessungsgrundlage sehr viel schmaler ist als bei allen anderen Einrichtungen. Insofern besteht hier auch gar keine Beziehung zu den Kürzungen in der Kunst; bei der Kunst gibt es diese Bemessungsgrundlagenänderungen ja nur im Bereich der Kunst- und Musikhochschulen, die dann entsprechend weniger Stellen bei den Stellenkürzungen erbringen müssen.

Wir haben neben den Kürzungen bei den Einrichtungen, für die wir Rechtsträger sind, eine Kürzung bei unseren Zuwendungsempfängern von in der Regel 10 % und eine Absenkung unserer Zuschüsse bei den Kommunaltheatern um 5 %. Diese muss man mit dem Prozentsatz unseres Zuschusses multiplizieren, wodurch ein wesentlich kleinerer Zuschussabsenkungsbetrag zustande kommt. Natürlich ist die Frage, inwieweit die Kommunen ihre Zuschüsse absenken oder absenken müssen. Außerdem haben wir bei den Landesbühnen eine Kürzung um 1 %.

Jetzt kritisieren Sie die Rasenmähermethode. Zunächst einmal kann ich bei 5 %, 10 %, 1 % und 4,9 Millionen € nur einen Rasenmäher entdecken, der für jede Einrichtung jeweils unterschiedlich tief oder hoch eingestellt worden ist.

(Heiterkeit des Abg. Pfisterer CDU)

Das heißt, wir haben sehr differenziert in diese Haushalte eingegriffen.

Was wäre die Alternative? Eine Alternative, die sich angedeutet hat, nämlich Kulturplanwirtschaft zu betreiben, liegt mir völlig fern.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Was ist das?)

Kulturplanwirtschaft wäre, dass wir von der Administration her planen würden, wer überleben darf, wer im Einzelnen wie viel bekommt. Wir sind gerade bei den Hochschulen von einer solchen Politik weggekommen und sollten bei der Kunst nicht in eine solche Richtung gehen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Sehr gut!)

Die andere Alternative wäre, Institutionen zu schließen. Aber für welche Institutionen wollen Sie denn wirklich vorschlagen, die Förderung einzustellen? Sollten wir etwa die Städtischen Bühnen in Freiburg schließen oder das Theaterhaus in Stuttgart, oder sollten wir wirklich ein Staatstheater in Baden-Württemberg schließen?

(Zuruf: Noi! – Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP)

Wir haben heute gehört, dass auch die Badener Tüftler und Entwickler sind. Da muss man vorsichtig sein.

Wir dagegen sagen: Es gibt im Land auch in der Fläche eine breite Kulturförderung. Zu einer Kunstpolitik gehört auch die Frage der Teilnahmemöglichkeit an Kunst. Eine Politik, die in der Fläche fördert, fördert die Möglichkeit der Bürger auch im ländlichen Raum, an Kultur und Kunst teilzuhaben. Darauf sollten wir nicht verzichten.

Wir haben die breite Kulturförderung erhalten, und wir haben eine sachgerechte Verteilung der Einsparungen vorgenommen.

Es wird auch weitere strukturelle Konsequenzen geben. Wenn wir uns mit anderen Bundesländern vergleichen, stellen wir fest: Die Kürzungen, die wir vornehmen, sind moderat. Denken Sie etwa an das Land Nordrhein-Westfalen, das jegliche Projektförderung einstellt und über das der Deutsche Kulturrat urteilt, man habe dort das Todesurteil für viele kleine Kultureinrichtungen gesprochen. Ich will jetzt gar nicht davon sprechen, wer dort verantwortlich die Regierung stellt.

(Abg. Pfisterer CDU: Nicht die CDU!)

Sie sehen also, dass wir keineswegs an der Spitze, sondern vielmehr am Ende der Streichkonzerte stehen. Aber klar ist auch, dass Kürzungen, wenn man keine strukturellen Maßnahmen ergreift, auf Dauer – und die nächsten Haushaltsjahre werden ja auch nicht besser werden – zu Substanzverlust führen werden. Deshalb benötigen wir die auch von Ihnen angesprochenen modernen Betriebsformen, nämlich die Überführung in Landesbetriebe, wie wir das für das Badische Landesmuseum gemacht haben und wie es für das Württembergische Staatstheater gilt. Wir sehen, dass man mit diesen Kürzungen dort sehr viel flexibler umgehen kann.

(Minister Dr. Frankenberg)

Wir haben für die soziokulturellen Zentren die Einrichtung der erwähnten Arbeitsgruppe „Überlebensstrategie“ angeregt, und zwar mit dem Hinweis auf die schwierigen kommenden Haushaltsjahre. Sonst würde diese Arbeitsgruppe ja nicht „Überlebensstrategie“ heißen. Die soziokulturellen Zentren sollten sich Gedanken machen, wie man Soziokultur im Lande in Zukunft auch mit weniger Mitteln betreiben kann. Denn es gab auch immer mehr Zuwendungsempfänger, die in Selbstbestimmung hinzugekommen sind.

Wir werden auch mehr bürgerschaftliches Engagement für Kunst und Kultur haben müssen, wenn wir sie auf dem Niveau erhalten wollen, das wir jetzt haben. Dazu brauchen wir ein entsprechendes Stiftungsrecht, und dazu dient die Bundesratsinitiative, die wir dazu und zu den Änderungen des Steuerrechts eingebracht haben.

Aber wir müssen auch an Tabuthemen gehen, etwa an die Tarifsysteme für die Theater und Orchester. Gleichzeitig wissen wir, dass die Kultur in diesem Lande gerade in ihrer Breite immer auf öffentliche Zuwendungen angewiesen sein wird.

Das Wichtigste wäre aber – nur so werden wir die notwendigen Mittel für die Kultur nachhaltig erhalten –, dass alle dazu beitragen, dass sich die Wirtschaft in der Bundesrepublik wieder entwickelt, dass die Zahl der Arbeitsplätze zunimmt und dass die Steuereinnahmen steigen. Wenn Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Parteien, die in Berlin die Regierung bilden, uns dabei unterstützen würden, wäre Kunst und Kultur besonders gedient, und zwar besonders nachhaltig gedient.

Wenn Sie, Frau Utzt, einen Ausblick auf 2005 und 2006 wagen, fragen wir uns natürlich, zu welchen Verhältnissen in diesem Land die Wirtschafts- und Steuerpolitik der Bundesregierung in den Jahren 2005 und 2006 geführt haben wird. Vielleicht können Sie bessere Vorhersagen treffen als wir. Ich jedenfalls bin skeptisch und meine, dass wir dann, wenn sich in Berlin nichts ändert – das „nichts“ mögen Sie interpretieren, wie Sie wollen –, vor keinem nachhaltigen Aufschwung stehen.

(Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

Wir sind uns aber sicher alle darin einig, dass wir eine nachhaltige Kulturpolitik brauchen und dass wir in dieser nachhaltigen Kulturpolitik nicht nur über strukturelle Veränderungen in den Institutionen und auch zwischen den Institutionen nachdenken müssen, sondern auch anregen müssen, diese vorzunehmen.

Wir haben gerade bei der planungssicher gestalteten Orchesterförderung in Gesprächen, die wir rechtzeitig geführt haben, angeregt, über entsprechende strukturelle Maßnahmen der einzelnen Träger gemeinsam nachzudenken. Es kann nicht sein, dass nur die staatliche Seite Strukturvorgaben macht, sondern Strukturänderungen müssen auch aus einer Dynamik der Institutionen heraus kommen.

In diesem Sinn glaube ich, dass uns dann, wenn wir versuchen, eine wie bisher nachhaltige Kulturpolitik zu finanzieren, und gleichzeitig mit Mut Veränderungen angehen, um Kunst und Kultur in Baden-Württemberg nicht bange sein

muss und das Streichkonzert – ich meine das wirkliche Streichkonzert – nach wie vor auf hohem Niveau stattfinden wird.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst – Sozialverträgliche Studiengebühren – Drucksache 13/2519

b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses zu dem Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 2. September 2003, Az.: 2 BvF 1/03 – Normenkontrollantrag der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt betr. Sechstes Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes – Drucksache 13/2524

Berichterstatter: Abg. Herrmann

Zu Buchstabe a rufe ich den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 13/2548, mit auf.

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.