wo doch in vielen anderen Bereichen – siehe Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe – notwendigerweise gerade das Gegenteil getan wird.
Die CDU-Landtagsfraktion wird sich in diesem Zusammenhang für die Einführung eines bundesfinanzierten Behindertengeldes in Form einer Nachteilsausgleichsrente einsetzen und dies auch bei der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützen.
Wir machen dieses Thema zu unserem Thema. Dies beträfe in Baden-Württemberg rund 350 000 Behinderte über 28 Jahre. Eine solche Regelung würde mehr Transparenz schaffen, sie würde Leistungen bündeln und würde uns und den Behinderten auch verstärkt deutlich machen, wo wir Leistungen erbringen und wo wir sie in Zukunft nicht mehr erbringen.
Wir bekennen uns zur Hilfe für Behinderte. Wir bekennen uns aber auch zur Subsidiarität. Deshalb appellieren wir an die Sozialpolitiker aller Parteien, aller Fraktionen, Behindertenpolitik auch künftig finanzierbar zu halten.
Dazu gehört auch, verstärkt an Inhalten und Standards zu arbeiten – übrigens unabhängig von der künftigen Organisationsform der Behindertenhilfe; Stichwort „Auflösung der Landeswohlfahrtsverbände“. Wir fragen uns, warum die Kosten in Baden und in Württemberg so unterschiedlich sind, und empfehlen einen entschiedenen Abgleich.
Egal, wie die Behindertenhilfe künftig organisiert sein wird, ob zentral oder dezentral, ob im Landratsamt oder in einer
kommunalen Sozialverwaltung: Ambulant muss vor stationär gehen, und zwar auch im Bereich geistiger Behinderungen.
92 % der 8 000 geistig behinderten Menschen in Württemberg und Hohenzollern sind in Heimen untergebracht. Das Ziel, eine je hälftige Quote über betreutes Wohnen und besondere Wohnformen wohnortnah zu erreichen, bleibt bestehen. Hätten wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr solcher Möglichkeiten, könnte die Unterbringung differenzierter und kostengünstiger angegangen werden, und manchem Behinderten wäre vielleicht auch besser geholfen; denn wir müssen in den kommenden Jahren den Integrationsgedanken und auch die Integrationshoffnung stärker in den Vordergrund stellen. Wir gehen davon aus, dass dies auch von den Land- und Stadtkreisen künftig so verfolgt wird.
Außerdem müssen wir den Gedanken der Barrierefreiheit viel stärker in unsere Arbeit einbeziehen. Die Novellierung der Landesbauordnung ist ein wichtiger Schritt, denn nur barrierefreie Wohnungen und Arbeitsstätten garantieren die angestrebte Teilhabe. Dazu ist es erforderlich – dies haben wir bei allen Gesprächen mit der Architektenkammer, den Wohnbauverbänden und den Seniorenverbänden im Zusammenhang mit der Novellierung gesehen –, für den Gedanken der Barrierefreiheit und seine große Bedeutung für behinderte und alte Menschen im Alltagsleben zu werben und ihn auch im täglichen Leben konsequent umzusetzen.
Wir stehen in der Behindertenpolitik vor gewaltigen Herausforderungen, wenn wir die demographische Entwicklung betrachten. Der medizinische Fortschritt legt uns eine neue Schwerpunktaufgabe der Behindertenversorgung im Alter auf. Dafür müssen wir uns wappnen. 20 % der über 75-Jährigen sind behindert. Diese Zahl beschreibt die Aufgabe, der wir uns künftig stellen müssen. Wenn die künftige Politik für Behinderte mit der jetzigen noch vergleichbar sein soll, muss Rot-Grün handeln. Gerade die Solidarität mit den Behinderten erfordert es, den leider gewollten Reformstau abzubauen. Im Übrigen müssen auch die Verbände erkennen, dass es uns in den kommenden Jahren allen gemeinsam um die Sicherung der Finanzierbarkeit gehen muss.
Das Ziel unserer Politik ist eine Gesellschaft für alle. „Eine Gesellschaft, die einige ihrer Mitglieder ausschließt, ist eine arme Gesellschaft“, heißt es in der Deklaration von Madrid, die 600 Teilnehmer am Europäischen Behindertenkongress zu diesem Aktionsjahr verabschiedet haben. Dort heißt es weiter:
Was heute im Namen der Behinderten getan wird, wird für alle in der Welt von morgen Bedeutung haben.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dieser umfassenden Anfrage stellt die CDU-Fraktion im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen ein Thema in den Mittelpunkt des Landtags, das natürlich sehr differenziert und genau betrachtet werden soll und bei dem auch sehr sensibel argumentiert werden muss. Die aktuelle Situation behinderter Menschen hier im Land Baden-Württemberg soll hinterfragt werden, und es soll dargestellt werden, wie die Situation im Land aussieht, wie es aussieht mit Teilhabe und Selbstbestimmung, wie es aussieht mit den Rahmenbedingungen in diesem Land Baden-Württemberg, wo sich behinderte Menschen mit ihren Angehörigen bewegen, und wie sie damit zurechtkommen.
Die SPD-Landtagsfraktion begrüßt dieses Vorhaben, vor allem auch deswegen, weil es höchste Zeit ist, dass in diesem Land auf diesem Gebiet auch etwas passiert.
(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Wieser CDU: Herr Kollege, von wem ist denn diese Große Anfrage, von der SPD oder von der CDU? Nur der Ordnung halber!)
Ja, gut, eine Große Anfrage ist natürlich begrüßenswert. Das haben wir ja auch gesagt. Diese Große Anfrage stellt aber die Situation nur fest und bringt die Analyse. Aber wir wollen ja die Konsequenzen aus dieser Anfrage sehen, und auch die sehr verehrte Vorrednerin, Frau Dr. Gräßle, hat zu den Konsequenzen im Land Baden-Württemberg nichts gesagt, sondern hat nur referiert, was sie auf Bundesseite sieht.
Gehen wir einmal auf die von Bundesseite aus vorgenommenen Veränderungen in der Behindertenpolitik in den letzten Jahren ein. Gehen wir einmal ein auf die Änderung der Grundsätze: weg von der Fürsorge hin zur Teilhabe und Selbstbestimmung,
weg von der reinen Betreuung hin zu den Interessen der Behinderten selbst und ihrer Angehörigen. Da muss man sagen, dass seit 1998, seit diese Bundesregierung in Berlin regiert,
natürlich einiges geschehen ist. Zum Beispiel hat es mit dem Sozialgesetzbuch IX und mit dem Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen Meilensteine in der Sozialund Behindertenpolitik gegeben. Das muss jetzt natürlich in den Ländern auch ausgefüllt bzw. so umgesetzt werden, dass die Behinderten und ihre Angehörigen davon etwas spüren und etwas haben.
Dazu gehören auch das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen – das muss man ja auch einmal sehen – und das Instrument der Integrationsvereinbarung. Damit ist es gelungen, die Beschäftigungs
Zum Beispiel ist es gelungen, die Arbeitslosigkeit von Schwerbehinderten im Zeitraum von 1998 bis 2002 um 18,7 % zurückzuführen. Auch das ist ein Erfolg der SPDgeführten Bundesregierung, die mit dem Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik die Wegmarken gesetzt und die Zeichen zur Umsetzung weiterer Maßnahmen in den Ländern und in den Gemeinden gegeben hat.
Ich sage jetzt einmal etwas zu dem Vorwurf, der immer in die Diskussion gebracht wird, man dürfe in Berlin keine Gesetze machen, die dann auf Länder- und Kreisebene bezahlt werden müssten. Meine Damen und Herren, wer tatsächlich Politik für Behinderte machen will, wer das alles begrüßt, was die Bundesregierung gesetzlich auf den Weg gebracht hat, wer Selbstbestimmung und Teilhabe reklamiert und dies sogar in der Begründung einer Großen Anfrage als Ziel der Politik angibt, der kann natürlich nicht auf der einen Seite die Fortschritte begrüßen, aber dann auf der anderen Seite, wenn es an das Zahlen geht, die gesamtgesellschaftliche Verantwortung aller staatlichen Ebenen vergessen. Das geht nicht.
(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Capezzuto SPD: Das ist unredlich! Das macht man nicht! – Abg. Drexler SPD: Da hat er Recht!)
(Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Die Kritik richtet sich dagegen, dass die eigene Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigt wird!)
Ja, ich gebe Ihnen Recht. Aber Sie müssen doch wissen: Wir begrüßen etwas und halten es für Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen für richtig. Dann dürfen wir nachher nicht sagen: „Das ist wohl richtig. Wir wollen es aber nicht bezahlen. Bezahlen sollen es die anderen.“ Sie haben vorhin selber angesprochen, dass dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Wir sollten das auf allen staatlichen Ebenen so halten.
Es kommt nämlich auch hinzu, dass ein falscher Zungenschlag in diese Diskussion hineinkommt, dass man damit das Kind mit dem Bade ausschüttet. Wenn man Politik mit Behinderten, ihren Verbänden, ihren Interessenvertretern und ihren Angehörigen macht – ich sage ausdrücklich „mit“ –, muss man natürlich auch dafür sorgen, dass in der Gesellschaft Toleranz, Akzeptanz und Verständnis erweitert werden, dass Bewusstsein hergestellt wird.
Das passiert genau dann nicht, meine Damen und Herren, wenn man sagt: „Der Bund macht Gesetze, wir da unten müssen es bezahlen“ und es dann zu Schlagzeilen kommt wie „Behindertenhilfe sprengt Gemeindekassen“ oder, wie der „Spiegel“ titelt, „Das Handicap der Kämmerer“.
(Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Dann setzen Sie sich doch bitte beim Bund dafür ein, dass er für die Fi- nanzierung aufkommt!)
Der „Spiegel“ meint das ironisch, gleitet aber in den Zynismus ab, weil er mit einem Fachbegriff aus dem Finanzbereich einen Zusammenhang herstellt, der für die Behinderten nicht nachvollziehbar ist. Für die Behinderten ist es ja wichtig, die notwendigen Unterstützungen und Hilfen zu bekommen.
Weil es gerade so ist und weil wir natürlich auch wissen, dass die Kassen leer sind und dass die Zahl der Menschen mit Behinderungen zunimmt, sind wir natürlich auch auf die Mitarbeit all derer angewiesen, die jetzt schon ehrenamtlich in diesem Bereich arbeiten.
Wir sind aber auch auf eine interessierte Öffentlichkeit angewiesen, die diese Arbeit schätzt, sie wertschätzt und zur Kenntnis nimmt und die erkennt, dass es ohne diese Arbeit eigentlich überhaupt keinen Fortschritt und keine adäquate Hilfe für Behinderte geben kann.
Deshalb ist es auch vollkommen richtig, dass man bei diesem Thema an all die denkt, die auf diesem Gebiet arbeiten: die Träger, die Verbände und die Selbsthilfeorganisationen. Wer in den Veranstaltungen zum Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen gesehen hat, mit wie viel Engagement und wie viel Einsatz über das normale Ehrenamt hinaus hier Menschen tätig sind und wie sie für ihre Sache und für die Behinderten eintreten, dem muss dies Dank und Respekt abnötigen. Im Namen der SPD-Landtagsfraktion sage ich ausdrücklich, dass die Situation Behinderter und ihrer Angehörigen ohne die Arbeit dieser Menschen noch sehr viel schwieriger wäre, als sie ohnehin schon ist.
Aber das alleine reicht natürlich noch nicht, meine Damen und Herren. Dort, wo die politische Öffentlichkeit, wo ein Parlament die Chance hat, die Situation für behinderte Menschen und ihre Angehörigen zu verbessern, sollte diese Chance auch wahrgenommen werden. Wir haben mit dem Gleichstellungsgesetz des Bundes eigentlich schon ein Vorbild, ein Modell, das auf das Land übertragen werden kann. Wir brauchen ein solches Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderungen auch in Baden-Württemberg. Die Landesregierung hat versprochen, einen Entwurf hierfür vorzulegen,