Protocol of the Session on October 2, 2003

Die Eckpunkte, an denen sich unserer Meinung nach die Gesetzgebung orientieren muss, sind: ein Hochschulgesetz für alle Hochschularten, ein europataugliches Hochschulgesetz, Autonomie, die diesen Namen auch verdient, Rückzug des Ministeriums aus der Detailsteuerung und damit auch der entsprechende Personalabbau, Weiterentwicklung der Finanzverantwortung und leistungsbezogene Mittelvergabe, eine höhere Durchlässigkeit zwischen den Hochschularten und die Öffnung unserer Hochschulen.

Im Einzelnen heißt das: Wir wollen ein Hochschulgesetz aus einem Guss für alle Hochschularten, das bei aller Straffung von Entscheidungsabläufen die Hochschulen nicht zu einem demokratiefreien Raum macht. Trotz aller Unterschiede soll die Gleichwertigkeit klar zum Ausdruck kommen, aber den spezifischen Eigenarten Raum lassen.

Papier ist geduldig, auch wenn darauf Gesetzestexte gedruckt sind. Deshalb muss dieses Gesetz konkrete Perspektiven für die Fachhochschulen, die Pädagogischen Hochschulen und die Berufsakademien aufzeigen, damit die strukturellen Defizite, zum Beispiel in Bezug auf die Verwaltungsstrukturen, den Aufbau eines tragfähigen Mittelbaus sowie eine angemessene Forschung, mittelfristig abgebaut werden können.

Wir wollen ein europataugliches Hochschulgesetz, das den Hochschulen den Raum gibt, im europaweiten Wettbewerb erfolgreich mithalten zu können. Das bedeutet: rasche gegenseitige Anerkennung der Abschlüsse, Schaffung europaweit kompatibler Studiengänge, flächendeckende Einfüh

rung eines Kreditpunktesystems, Förderung der Mobilität von Lehrenden und Studierenden. Dazu gehört auch die Bereitstellung von ausreichendem Wohnraum.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: So ist es!)

Wir wollen eine Autonomie der Hochschulen, die diesen Namen auch verdient.

(Beifall bei der SPD)

Sie verdient diesen Namen, wenn es für den Hochschulrat heißt, dass dessen Zusammensetzung, Amtszeit, Befugnisse, Größe und auch dessen Name die Hochschulen in ihrer Grundordnung festlegen. Das heißt für die inneren Strukturen, dass die Hochschulen selbst regeln, welche Größe ihre Fakultäten haben sollen, ob es fächerübergreifende Departments gibt oder ob gar hochschulartenübergreifende Strukturen gefunden werden. Das heißt auch: Zukünftig liegt die Zuständigkeit für Berufungen bei den Hochschulen ebenso wie die Zuständigkeit für die inhaltliche Weiterentwicklung, bei der vor allem die Fachhochschulen bisher in nicht mehr akzeptabler Weise gegängelt werden. Damit muss Schluss sein.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Genau so ist es!)

Wir wollen die Verschlankung des Ministeriums und seinen Rückzug aus der Detailsteuerung.

(Abg. Röhm CDU: Der Minister muss sich ver- schlanken! – Heiterkeit)

Nicht der Minister muss sich verschlanken, sondern das Ministerium. Ich glaube, das ist ein entscheidender Unterschied, werter Kollege.

Die Hochschulen brauchen ein Ministerium, das sich als Serviceeinrichtung versteht, das Hochschulentwicklung begleitet und berät, das als Mittler und Moderator zwischen Hochschulen, Expertenkommissionen und dem Parlament die inhaltliche und strukturelle Entwicklung der badenwürttembergischen Hochschulen vorantreibt.

Wir wollen die Durchlässigkeit zwischen den Hochschulen und die unvoreingenommene Öffnung für so genannte „Quereinsteiger“. Neben der erfolgten Verbesserung des BAföG und dem notwendigen Ausbau des Stipendienwesens brauchen wir diese Durchlässigkeit und Öffnung, um den bisher unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen den Hochschulzugang zu ermöglichen. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Renate Rastät- ter GRÜNE – Zuruf der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU)

Das ist aber auch eine Frage der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, denn nur so werden wir die Zahl der Hochschulabgänger erhöhen und den Bildungsvorsprung, den die Menschen aus OECD-Ländern gegenüber unserem Land haben, abbauen.

Wir wollen mehr finanzielle Autonomie für die Hochschulen, und wir wollen die Weiterentwicklung der leistungs

bezogenen Mittelvergabe nach den Kriterien und nach den Entscheidungen der Hochschulen, die den spezifischen Eigenarten einzelner Hochschulen besser Rechnung trägt. Dazu gehört auch die Übergabe der Verantwortung für die Gebäudebewirtschaftung. Und dazu gehört, dass der Kampf der Hochschulen mit dem Finanzminister um den Erhalt eingesparter erwirtschafteter Mittel für größere Projekte im nächsten Haushaltsjahr endlich ein Ende findet.

(Beifall bei der SPD – Abg. Regina Schmidt-Küh- ner SPD: So ist es!)

Wir verlangen, dass der Albtraum NSI endlich von den Hochschulen genommen wird.

(Beifall bei der SPD – Abg. Stickelberger SPD: Ja- wohl! – Gegenruf des Abg. Pfisterer CDU)

Die zu beobachtende Erosion dieses bürokratischen Monstrums darf nicht dort aufhören, wo es am allerwenigsten taugt, nämlich bei der Bewertung der Qualität von Forschung und Lehre.

Zur Farce wird die Autonomie der Hochschulen aber dann, wenn diesen durch umfangreiche Kürzungen der Handlungsspielraum entzogen wird. Wir kommen heute beim Tagesordnungspunkt 8 noch einmal auf diese Thematik zurück. Deshalb will ich es hier an dieser Stelle mit dieser Bemerkung bewenden lassen.

(Abg. Pfisterer CDU: Bundesbaumittel zum Bei- spiel!)

Ein Gesetz mag noch so gut sein: Wenn im Alltag durch ministeriales oder Verwaltungshandeln im Detail, aus welchen Gründen auch immer, die gesetzlich gewährte Freiheit eingeschränkt wird – Herr Pfister hat ja in seiner Rede einige Beispiele genannt –, dann verkehrt sich ein gutes Gesetz ins Gegenteil. Aus diesem Grund ringen die Rektorinnen und Rektoren unserer Hochschulen um weiter gehende Befugnisse und werben dafür, dass man ihnen auch zutraut, ihre Aufgaben im bereits beschriebenen Sinne angemessen zu erfüllen. Wir haben in den Hochschuldebatten immer eine Lanze dafür gebrochen, sich an den leistungsstarken und hoch motivierten Kräften zu orientieren und gemäß dem sonst so geschätzten Benchmarking oder Best-PracticePrinzip zu handeln.

Dass dabei die politische Verantwortung des Parlaments und des Ministeriums nicht außen vor bleibt, versteht sich von selbst. Wir sind dafür verantwortlich, dass das Grundrecht auf Bildung für jede und jeden umsetzbar ist, der die entsprechenden Zugangsvoraussetzungen hat. Staatliche Hochschulen werden aus Steuermitteln finanziert. Nicht zuletzt deshalb bleibt die Hauptverantwortung bei uns.

Lassen Sie uns gemeinsam ein Hochschulgesetz machen, das von Vertrauen geprägt ist und die Weichen für ein starkes Baden-Württemberg innerhalb Europas stellt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bauer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die FDP/DVP hat ja mit diesen drei Großen Anfragen eine ordentliche Fleißarbeit vorgelegt. Aus einer einzigen Studie gleich drei Große Anfragen zu basteln ist schon eine Leistung.

(Lachen bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Stickelberger SPD: Auch Kleinvieh gibt Mist!)

Ich will das jetzt nicht unter dem Gesichtspunkt Bürokratieabbau beurteilen. Das lassen wir jetzt einmal beiseite. Die größere Fleißarbeit hat die FDP/DVP mit diesen drei Großen Anfragen ja dem Ministerium abverlangt.

(Abg. Pfister FDP/DVP: So war es auch gedacht!)

Wahrscheinlich war es so etwas wie ein pädagogischer Ansatz, zu sagen: Wenn das Ministerium die gesamte Studie noch einmal in eigenen Worten nacherzählt, nähert es sich vielleicht dem Leitbild des Stifterverbands an.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Man muss aber als Resümee sagen: Auch diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Ich sehe da gar nicht so viel Übereinstimmung, wie Sie jetzt gerade konstatiert haben.

Aber noch einmal vorneweg: Die Noten, die der Stifterverband in der Studie erteilt hat, als es um die Bewertung der Hochschulgesetze ging – nicht um die Bewertung der Praxis, sondern um die Gesetze –, sind für Baden-Württemberg wirklich passabel ausgefallen. Man muss aber auch dazusagen: Die Meriten für diese guten Noten hat sich Herr von Trotha verdient, nicht der jetzige Wissenschaftsminister.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Warum dieser Hinweis? Welchen Sinn hat dieser Hinweis? – Abg. Dr. Klunzinger CDU: Sie kann halt nichts einräumen!)

Das werde ich Ihnen jetzt gleich erläutern. Hören Sie gut zu!

In der Studie ist ein Hochschulgesetz bewertet worden, das in der letzten Legislaturperiode auf den Weg gebracht wurde. Die spannende Frage ist ja jetzt: Wo stehen wir heute? Was ist der Beitrag des jetzigen Wissenschaftsministers, des jetzigen Wissenschaftsministeriums und der jetzigen Landesregierung zum Zustand der Hochschulen? Meine Bilanz, lieber Herr Pfister, fällt da anders aus. Meine Bilanz nach zwei Jahren sieht so aus: Herr Frankenberg steht in Bezug auf die Autonomie der Hochschulen nicht auf dem Gaspedal, sondern ganz im Gegenteil: Er steht mit dem Fuß auf der Bremse.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Sie wissen, dass das Ge- setz erst kommt! – Gegenruf des Abg. Birzele SPD: Das kommt schon zweieinhalb Jahre! – Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

Ich werde Ihnen das jetzt erläutern. Haben Sie einfach noch ein bisschen Geduld; dann werden Sie das schon verstehen.

Greifen wir jetzt einfach einmal drei Beispiele aus den Bereichen heraus, für die Baden-Württemberg in der Studie die besten Noten erhalten hat.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Das Gesetz ist eines, die Realität ist etwas anderes!)

Ich nehme jetzt nicht die schlechten Beispiele, bei denen noch Innovationsbedarf angemahnt wurde. Ich nehme vielmehr die drei besten Beispiele. Ich zeige Ihnen: Eines davon gibt es bis heute in der Praxis nicht; das nächste gibt es demnächst nicht mehr, und das dritte hat es nie gegeben. Das werde ich Ihnen jetzt einmal erklären.

(Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Das ist auch erklä- rungsbedürftig!)

Das erste Beispiel, das es noch gar nicht gibt: Wir haben gute Noten für das neue Steuerungsinstrument der Zielvereinbarung eingefahren. Bis heute steht dieses Instrument zwar auf dem Papier, doch ist es nicht in die Praxis umgesetzt – ganz genauso übrigens auch das Instrument des Berichtswesens, das ein wesentlicher Bestandteil für Rechenschaftslegung ist. Auch das ist bis heute nicht eingeführt.

Das zweite Beispiel: Gute Note für etwas, was es nicht mehr gibt. Viel gelobt wurde die leistungsorientierte Mittelvergabe, also die Verteilung staatlicher Gelder nach Leistungsindikatoren. Die Hochschulen müssen sich im Wettbewerb darum bemühen, diese Gelder zu erhalten. Schauen Sie sich an, was in den letzten Jahren passiert ist: Für die Universitäten ist das Finanzvolumen, das nach Leistungskriterien umverteilt wird, geschrumpft – es ist nicht gewachsen – von 21 % auf ganze 2 %. Damit wird ein Finanzierungsinstrument ruiniert und in die Bedeutungslosigkeit versenkt.

Das dritte Beispiel, das es bald nicht mehr gibt: Viel gerühmt und mit bundesweitem Vorzeigecharakter war der Solidarpakt: zehnjährige Laufzeit, Planungssicherheit für die Hochschulen, Gestaltungsfreiheit. Sie mussten dafür auch große Einsparbemühungen selbst schultern. Das war beispielhaft für die Bundesrepublik. Aber man muss wirklich sagen: Es war so. In den Solidarpakt, der noch zwei Jahre läuft, wird ab 2004 eingegriffen. Man hat es nicht geschafft, im nächsten Jahr die Hochschulen zu verschonen. Im nächsten Jahr gilt der Solidarpakt nicht mehr in der ursprünglich beschlossenen Form, und man nennt das, was übrig bleibt, vornehm „den kleinen Solidarpakt“ – eine schöne Formulierung für das, was passiert.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wir haben viel gelernt!)