Uns jetzt zu fragen, wie wir gegenüber einer Verschärfung des Fluglärmgesetzes eingestellt seien, nachdem Sie bis jetzt nicht einmal einen Entwurf zustande gebracht haben, lieber Herr Palmer, das ist doch wirklich arg viel verlangt.
Sie müssen sich einmal an die Tatsache gewöhnen: Sie haben mit uns bei der letzten Bundestagswahl um die Stimmenmehrheit gekämpft. Ihre Koalition hat sie bekommen. Folglich gelten die ganz allgemeinen Regeln, dass zunächst das, was politisch geschehen soll, von der Regierung auf den Tisch gelegt wird. Dann haben wir als Opposition in Berlin das gute Recht, uns darüber zu unterhalten, was wir damit machen. Aber umgekehrt ist das auch wieder eine Vergewaltigung einfachster demokratischer Spielregeln.
Es versteht sich von selbst, dass wir uns als Opposition in Berlin gegen eine Novellierung des Fluglärmgesetzes überhaupt nicht wehren können, weil es aus dem Jahr 1971 stammt und auch wir die Entwicklung nicht negieren können, die sich in den letzten 30 Jahren in Bezug auf Flugplätze, Flugzeuge und Fluglärm tatsächlich vollzogen hat.
Letzter Gesichtspunkt, letzte Bemerkung: Es bleibt auf absehbare Zeit gar nichts anderes übrig, als die Politik fortzusetzen, die der Flughafen Stuttgart in dieser Hinsicht betreibt, nämlich durch eine unterschiedliche Gestaltung der Start- und Landegebühren diejenigen Flugzeuge zu bevorzugen, die die heutige moderne Technologie besitzen. Wenn Sie einmal die Lärmauswirkungen eines Flugzeugs von vor 20 Jahren mit denen eines modernen Flugzeugs von heute vergleichen, stellen Sie fest, dass hier ein himmelweiter Unterschied besteht. Mit dieser Politik müssen wir fortfahren, mindestens so lange, bis Ihre Bundesregierung eine Novellierung des Fluglärmgesetzes auf den Tisch gelegt hat.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Fluglärm kann für die betroffenen Menschen eine schwerwiegende Beeinträchtigung bedeuten. Der Konflikt zwischen den wachsenden Ansprüchen der Gesellschaft an den Luftverkehr und dem berechtigten Bedürfnis nach Ruhe, insbesondere in der Nacht, nimmt zu. Diesem Konflikt müssen wir uns stellen. Da im Flugverkehr weitere Zuwachsraten zu erwarten sind, müssen Maßnahmenpakete zur Eindämmung und zur Vermeidung von Fluglärm geschnürt werden.
Fluglärm gibt es aber nicht nur am Hochrhein, sondern an allen baden-württembergischen Flughäfen und Verkehrslandeplätzen. So sehr uns auch der unberechtigte Schweizer Fluglärmexport beschäftigen muss: Lärmmindernde Maßnahmen sind an allen Standorten notwendig.
Wir werden dieser Aufgabe, lärmmindernde Maßnahmen zu ergreifen, nicht gerecht, wenn wir, wie von den Grünen gefordert, die Regelungen für den An- und Abflugverkehr des Flughafens Zürich über deutschem Gebiet zum Maßstab für Nachtflugeinschränkungen an den baden-württembergischen Flughäfen machen. Am Hochrhein findet nämlich Flugverkehr statt, der dort nicht stattfinden müsste. Das ist die besondere Situation. Wenn die Schweiz Flüge aus Süden, Westen oder Osten im Anflug auf den Flughafen Zürich nur deswegen über deutsches Gebiet führt, weil sie die eigene Bevölkerung schonen will, erfordert dies als Antwort strengere Regelungen, als bei unseren Flughäfen geboten sind.
Einen kleinen Moment! Lassen Sie mich noch einen Gedanken anfügen, der Herrn Palmer vielleicht schon wieder beruhigt. Ich komme aber auf Ihre Frage zurück.
Wenn allerdings CDU-Politiker am Hochrhein drohend in den Himmel, nach Berlin und über den Rhein in die Schweiz schauen, sich aber ansonsten bei den im Land zunehmenden Fluglärmproblemen taub stellen, ist dies pure Heuchelei.
Herr Kollege Caroli, müsste man nicht aus der von Ihnen vorgetragenen Besonderheit des Fluglärmexports und der Anflugrouten folgern, dass zahlenmäßig eine Einschränkung gegenüber der Schweiz durchgesetzt werden muss? Wie kann man aber mit dieser Argumentation eine Einschränkung bezüglich der Zeiten rechtfertigen? Da müssten doch alle gleich sein. Oder ist es so, dass man als Hochrheinbewohner nachts um 22 Uhr weniger empfindlich ist als ein Stuttgarter?
Ihre These ist nicht einmal richtig, wenn ich sie nur auf die baden-württembergischen Standorte beziehe. Sie ist auch dann falsch. Aber hier ist sie besonders falsch, weil es nämlich darum geht, dass Flugzeuge, die dort gar nicht hingehören, über deutschem Gebiet verkehren
und Lärm für die dort wohnende Bevölkerung bringen. Das ist der Punkt. Das müssen wir verhindern, weil die Schweiz auf diesem Wege nämlich eine Beeinträchtigung der eigenen Bevölkerung umgeht, für die sie selber Sorge tragen muss, damit dies nicht so stattfindet. Insofern kann ich Ihrer These nicht zustimmen.
Wir brauchen erstens Überlegungen zu differenziert angelegten Lärmminderungsstrategien an den baden-württembergischen Standorten. Dies sage ich insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung des Stuttgarter Flughafens, weil dort durch das großflächige Zusammenwirken von Flugund Verkehrslärm in dem sehr dicht besiedelten Gebiet eine einmalige Sondersituation besteht.
Ich erspare mir an dieser Stelle Ausführungen zu den Bestandteilen eines umfassenden Fluglärmschutzes. Dieser beinhaltet gesetzliche Vorschriften, eine Verbesserung der Triebwerkstechnologien, gestaffelte Landegebühren, Lärmschutzzonen, Messanlagen und Nachtflugbeschränkungen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Wir brauchen zweitens ein Luftverkehrskonzept, in das arbeitsteilige Strukturen bezüglich der unterschiedlichen Flugverkehrsangebote von Linien-, Charter- und Frachtflügen sowie der expandierenden Billigflieger eingehen und mit dem eine sinnvolle Aufgabenverteilung für die Standorte im Land gefunden wird.
Drittens brauchen wir gemeinsame Anstrengungen zu einer schnellen Novellierung des Fluglärmgesetzes und Regelungen für den Bau und die Veränderung von Flugplätzen.
Wenn Sie Ihre Initiative allein auf Nachtflugregelungen reduzieren, dann greift dies zu kurz. Deshalb sollte diese Ini
tiative in den Umwelt- und Verkehrsausschuss verwiesen werden, um dort – allerdings mit meinem differenzierteren und deshalb effizienteren Ansatz – diskutiert zu werden.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch die FDP/DVP-Fraktion tritt seit Jahren dafür ein, dass die Lärmemissionen im Luftverkehr – vor allem solche zulasten der Anwohner in Flughafennähe – minimiert werden und dass hierzu entsprechende Vorschriften erlassen werden.
Wir nehmen aber sehr wohl wahr, dass auch ohne den Erlass von Vorschriften beträchtliche Anstrengungen vonseiten der Industrie und der Flughäfen unternommen werden und dass diese Erfolg haben. Es gab in den letzten Jahren aufgrund technischer Veränderungen enorme Verbesserungen hinsichtlich der Belastung durch Fluglärm.
Einerseits entstehen durch Flugverkehr natürlich Lärm und eine Belastung der Anwohner, andererseits müssen Sie aber bitte auch die wirtschaftliche Notwendigkeit sehen. Ich erinnere mich sehr gut an ein Gespräch mit Vertretern der Industrie- und Handelskammern, die sich beklagt haben, dass man abends nicht mehr von London nach Stuttgart kommt, weil zu Zeiten, in denen man in Stuttgart noch ankommen könnte, in London kein Abflug möglich ist, weil der dortige Flughafen überlastet ist.
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Da müssen sie halt einmal übernachten, damit andere Leute schlafen können! Meine Güte!)
Solche Aspekte müssen auch bedacht werden. Die Bevölkerung profitiert schließlich auch von den Vorteilen, die aus der Wirtschaftsstärke unserer Region resultieren.
Ich denke, man sollte eigentlich eine Lösung finden, bei der alle, die hier blockieren, künftig nicht mehr von den Vorteilen profitieren.
Der Antrag der Fraktion GRÜNE, die Nachtflugverbote einheitlich zu regeln, ist schon deshalb nicht umsetzbar, weil – schauen Sie sich in Baden-Württemberg um – bei uns fast überall die Notwendigkeit besteht, sich mit den Ausländern abzustimmen, weil die Flughäfen in der Nähe von Staatsgrenzen liegen. Dazu braucht man einen Staatsvertrag, und den schließt nicht das Land ab, sondern der Bund.
Ihr Antrag zielt zu Recht auf deutsche und auf baden-württembergische Flughäfen ab. Nehmen Sie aber bitte zur Kenntnis, dass das Zürich gar nicht betrifft.
Sie haben hier munter Dinge miteinander vermengt, die überhaupt nicht zusammenpassen. Ich habe mich informiert: Für Zürich gilt eine wesentlich geringere Einschränkung. Dort ist für den Linienverkehr von 0:30 Uhr bis 6 Uhr kein Start möglich, von 0:30 Uhr bis 5:30 Uhr keine Landung. Das ist weit entfernt von dem, was Sie hier für uns vorschreiben wollen.
Aber eines muss man sagen: Auch wir sind sehr froh, dass kürzlich mit der Schweiz ein Kompromiss, eine Übergangslösung zustande gekommen ist. Das ist schon deshalb notwendig, weil wir, wie der Kollege Winkler schon gesagt hat, das gutnachbarschaftliche Verhältnis zur Schweiz nicht gerade durch dieses Problem zu Schaden kommen lassen sollten.