Protocol of the Session on June 25, 2003

Unser Ansatz – im Antrag ist er auch dargelegt – war nun der, dass wir gesagt haben: Lasst uns diese überflüssige Biotechnologie-Agentur auflösen, und lasst zumindest einen Teil des Geldes, das dort eingespart werden kann, den Regionen zukommen. Denn diese Regionen, die Bioregionen, sind nahe an den Firmen, sie haben die besten Kontakte, sie wissen genau, wie man diese Mittel vernünftig einsetzt. Also weg von dem Überbau, Geld runter in die Bioregionen! In den Ministerien, im Wissenschaftsministerium, im Wirtschaftsministerium, gibt es immer noch genügend Leute, die die notwendigen Koordinierungsarbeiten der Regionen organisieren können. Subsidiaritätsprinzip nennt man das. Das war also unser Vorschlag.

Nun, welch ein Wunder, meine Damen und Herren, ein SPD-Antrag wurde, zum Teil zumindest, umgesetzt. Tatsächlich wurde wenige Wochen später beschlossen, die Biotechnologie-Agentur Baden-Württemberg wegen Untauglichkeit aufzulösen – ein Erfolg!

(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Aus Angst vor einem SPD-Antrag!)

Ja, da habt ihr gezittert!

(Lachen bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wer aber nun meinte, meine Damen und Herren, auch der andere logische Schritt, nämlich die Stärkung und Förderung der Regionen, würde nun getan, der sah sich getäuscht. Nicht die Regionen werden gefördert, sondern auf einmal wird eine neue Agentur, diesmal mit dem Namen „BioPro“, gegründet. Das hat in der Biotechnologieszene Baden-Württembergs eigentlich niemand verstanden, zumindest niemand von denen, mit denen ich darüber gesprochen habe. Alter Wein in neuen Schläuchen – so nennt man das ganze Thema dann.

Herr Minister, Sie haben es – das ist meine Auffassung – versäumt, die Bioregionen in Baden-Württemberg an dieser Stelle zu stärken. Dies war, so meine ich, ein Fehler. Statt die tauglichen Instrumente dieser vier Regionen, die seit 1996 gut arbeiten und gute Konzepte entwickelt haben, zu stärken und finanziell zu stützen, wird wieder ein Wasserkopf ins Leben gerufen. Irgendwo zwischen Wissenschafts

ministerium, Wirtschaftsministerium, Staatsrat, GWZ und LGA angesiedelt, versucht diese Agentur nun, ihre Rolle zu finden. Hinausgeworfenes Geld, so meine ich. Dies ist der erste Kritikpunkt.

Ein zweiter Kritikpunkt, den ich an dieser Stelle anbringen möchte, ist die Frage, wie wir die Finanzierungskulisse für Gründer gestalten. Wir haben Gründerzentren, wir haben Bioparks, zumindest teilweise mit Landesmitteln bezahlt, und wir haben eine ganz gute Infrastruktur. Es sind also die Räume da, es sind die Ideen da, es sind Forschungsergebnisse da, aber es fehlt das Geld, um aus dem Ganzen marktfähige Produkte zu machen.

Das ist ähnlich wie heute Mittag beim Thema Energie: Forschung gut, Umsetzung suboptimal! Es handelt sich hier also um einen völlig parallelen Vorgang. Diesbezüglich hat die Landesregierung, meine ich, in der letzten Zeit die Finanzierungs- und Förderinstrumente, die sie hat und auf die sie Einfluss hat, falsch eingesetzt. Man ist nämlich dazu übergegangen – das ist der Eindruck, der auch aus der Szene zurückkam –, eben nicht mehr verstärkt Fördermittel in die Biotechnologie fließen zu lassen, sondern dem allgemeinen Trend zu folgen, der im Moment auch an der Börse und an anderen Stellen festzustellen ist, weniger Geld in Biotechnologie zu investieren. Ich habe Schreiben von Firmen aus Ulm, aus meinem Wahlkreis, vorliegen,

(Abg. Schmiedel SPD: Aus dem ganzen Land!)

aus ganz Baden-Württemberg, in denen steht, das Produkt werde nicht gefördert, und zwar nicht deswegen, weil es ein schlechtes Produkt, eine schlechte Produktidee sei, sondern weil es Biotechnologie sei. Man hat also sozusagen den allgemeinen Trend aufgegriffen, statt, was eigentlich die Aufgabe des Landes oder der öffentlichen Hand sein sollte, ein solches langfristiges strategisches Ziel, das man als richtig erkannt hat, auch in einer schlechten Zeit, in der an der Börse kein Geld für diese Technologie zu bekommen ist, weiter zu fördern und öffentlich zu unterstützen. Also, antizyklisches Fördern wäre eigentlich an dieser Stelle notwendig gewesen. Sie haben dies leider nicht getan, und ich meine, dass dies durchaus eine schlimme Angelegenheit für den Wirtschaftsstandort und für die Entwicklung der Biotechnologie in Baden-Württemberg ist.

Dies waren in Anbetracht der Zeit zwei Punkte, die ich an dieser Stelle ansprechen wollte. Zum einen wäre die Aufgabe eigentlich gewesen, die Bioregionen zu stärken und nicht einen neuen Wasserkopf zu schaffen. Zum anderen müssen Sie die Finanzierungsinstrumente umstellen. Sie müssen antizyklisch fördern. Dies ist eine wichtige Aufgabe. Ich meine, da muss etwas geschehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Netzhammer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Kollege Rivoir hat es bereits gesagt: Die Biotechnologie ist die Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts, die sich auf viele Wirtschaftsbereiche

auswirkt, von der Medizin über die chemische Produktion bis hin zu Landwirtschaft, Klima- und Gewässerschutz. Sie weckt große Erwartungen und Hoffnungen und stellt hoch qualifizierte Arbeitsplätze bereit. Ich möchte dieses Thema aus diesem Grund etwas ausführlicher behandeln, als Kollege Rivoir es getan hat.

Uns freut, dass Deutschland nach dem Biotechnologiereport von Ernst & Young auch im Jahr 2002 die meisten Firmen stellt und dass innerhalb Deutschlands Baden-Württemberg nach Bayern die Spitzenstellung einnimmt. Nahezu 400 Unternehmen sind in Baden-Württemberg im Bereich der Bio- und Gentechnik sowie ihrer Zulieferindustrie tätig, und, ergänzt um eine hochmoderne Infrastruktur aus Forschung und Entwicklung, Technologietransfer, Service und Dienstleistung sowie den vier Bioregionen, zählt BadenWürttemberg zu den herausragenden Standorten in Deutschland und in Europa.

Dass dies so ist, hängt damit zusammen, dass das Land die Biowissenschaften in Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen konsequent ausgebaut hat und im Rahmen von drei Zukunftsoffensiven über 100 Millionen € investiert hat. Wir sehen hier sehr gute Chancen. Denn weltweit werden bis zum Jahr 2010 rund 1,2 Millionen Menschen in der Biotechnologie tätig sein, und eine Wertschöpfung von 400 Milliarden US-Dollar wird erwartet. In der Pharmaindustrie werden bis 2010 rund 40 % der Wertschöpfung auf der Biotechnologie basieren. Der bedeutendste deutsche Pharmastandort ist heute Baden-Württemberg, und zwar mit 25 000 von 115 000 Arbeitsplätzen. Mit 980 gentechnischen Anlagen nimmt Baden-Württemberg auch hier den Spitzenplatz in Deutschland ein. Bereits jede vierte gentechnische Anlage in Deutschland steht in BadenWürttemberg.

Mit unseren Bioregionen, Herr Rivoir, sind wir unserer Meinung nach gut aufgestellt. 4 von 17 Regionen befinden sich in Baden-Württemberg, zwei davon konnten bei Bundeswettbewerben Siegertitel erreichen, und die Europäische Kommission hat der Bioregion STERN im Vorjahr das europäische Gütesiegel für Spitzenleistungen in der Innovationsförderung verliehen.

(Beifall der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU und Beate Fauser FDP/DVP)

Ich glaube, dies zeigt, wie qualitativ gut bei uns gearbeitet wird.

Trotz dieser großen Erfolge gibt es Probleme. Dies ist zutreffend. Es ist leider nicht genug bekannt, wie hochwertig der Biotechnologiestandort Baden-Württemberg ist. Wir müsxsen auch feststellen, dass die Gründerzeit beendet ist, dass wir eine Wende haben, dass die Zahl der Beschäftigten im vergangenen Jahr deutschlandweit um 7 % zurückging, der Gesamtumsatz um 3 % sank, 26 Unternehmen in die Insolvenz gingen – sich das in der Biotech-Branche investierte Eigenkapital um die Hälfte reduziert hat.

Es gibt Handlungsbedarf, und ich denke, es zeugt von der Weitsicht der Landesregierung,

(Abg. Rivoir SPD: Oh!)

dass sie erstens einen ausgewiesenen Experten für Biotechnologie, nämlich Herrn Professor Beyreuther, vor einiger Zeit in die Landesregierung berufen hat,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

zweitens lange vor Ihrem Antrag bereits im Juni 2001 eine interministerielle Arbeitsgruppe einberufen hat, die die Chancen und Risiken der Biotechnologie grundsätzlich aufgearbeitet und Handlungsempfehlungen ausgesprochen hat und drittens auch schon eine Offensive Biotechnologie Baden-Württemberg mit 29 Millionen € aus dem Erlös der Veräußerung der GVS gestartet hat. Dies alles hat nichts mit dem SPD-Antrag zu tun. Das muss ich zu Ihrer Enttäuschung, Herr Rivoir, leider sagen.

(Beifall des Abg. Dr. Birk CDU – Abg. Schmiedel SPD: Natürlich! – Abg. Rivoir SPD: Nur deshalb! Gespurt habt ihr!)

Sie haben Ihren Antrag hinterhergeschoben, um auf den Zug aufzuspringen. Das ist ja offensichtlich.

(Abg. Rivoir SPD: Das ist eine üble Unterstellung!)

Schwerpunktbildungen in verschiedenen Bereichen wie der Nanobiotechnologie, Strukturbiologie oder Proteomanalytik werden die biotechnologische Forschung in unserem Land weiter stärken. Die neu gegründete Dienstleistungsgesellschaft Bio-Pro als zentrale Anlaufstelle für alle Belange der Biotechnologie wird den Biotechnologiestandort BadenWürttemberg stärken und besser positionieren. Eine zentrale Stelle kann sehr viel effizienter Standortmarketing und Öffentlichkeitsarbeit im In- und Ausland auf dem Gebiet der Biotechnologie betreiben, als die vier Regionen das einzeln könnten. Von einer besseren Zusammenarbeit innerhalb der Branchen zwischen den Firmen und den öffentlichen Forschungseinrichtungen können alle nur profitieren. Eine enge Kooperation der Dienstleistungsagentur mit den Bioregionen ist ausdrücklich gewollt. Erste Ansätze einer effektiven Zusammenarbeit sind bereits erkennbar. Auf der Biotechnica in Hannover werden nämlich die vier Bioregionen auf dem Gemeinschaftsstand Baden-Württemberg insgesamt vertreten sein.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Schmiedel?

Das machen wir anschließend.

(Abg. Dr. Birk CDU: Sauber!)

Auch um die Finanzierung hat sich die Landesregierung bereits gekümmert. Der Risikokapitalfonds bei der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft wird aufgestockt. Es ist aber auch klar, Herr Rivoir und Herr Schmiedel, dass das Land Baden-Württemberg alleine die Finanzierung der Biotech-Branche natürlich nicht vornehmen kann.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, darf ich Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Es muss uns wieder gelingen, bei privaten Geldgebern Vertrauen und Risikobereitschaft zu erzeugen. Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen insgesamt für private Investitionen. Hier ist die Bundesregierung gefordert,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

und zwar nicht nur zu reden, sondern ihrem Reden Handeln folgen zu lassen. Dann kommen die Investitionen wieder, und dann können wir feststellen, dass die Biotechnologiefirmen wieder das entsprechende Kapital bekommen, um wachsen zu können.

(Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Die CDU-Fraktion hat zusammen mit der FDP/DVP-Fraktion einen Antrag vorgelegt. Wir wünschen, dass die Empfehlungen der interministeriellen Arbeitsgruppe im Rahmen der Haushaltslage weiterhin konsequent umgesetzt werden und dass dem Landtag bis Oktober 2003 ein Zwischenbericht vorgelegt wird, der insbesondere auf die Zusammenarbeit der Bio-Pro GmbH mit den Bioregionen eingeht.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Fauser.

(Beifall des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle einen Gruß an Herrn Staatssekretär Mehrländer sagen, der im Moment in Washington ist

(Abg. Dr. Birk CDU: Sind Sie seine Vertretung? Unterstaatssekretärin! – Abg. Kretschmann GRÜ- NE: Wie soll er von diesem Gruß etwas erfahren? – Weitere Zurufe)