Protocol of the Session on June 25, 2003

Die Gesundheit von Frauen wird in vielfältiger Weise aber auch durch Gewalt und Misshandlungen beeinträchtigt. Das reicht von akuten Verletzungen bis hin zu aus Gewalterfahrungen resultierenden chronischen körperlichen und psychischen Beschwerden.

Diese Unterschiede werden jedoch von unserem Gesundheitssystem – hier liegt das Problem – bisher kaum berücksichtigt. Während die Bundesregierung daraus für ihre Gesundheitspolitik Konsequenzen gezogen und sich im Koalitionsvertrag für die Legislaturperiode 2002 bis 2006 verpflichtet hat, im Interesse der Patientinnen und Patienten die Leistungen und Angebote des Gesundheitssystems alters- und geschlechtsspezifischen Erfordernissen anzupassen, fehlt in der Landesgesundheitspolitik diese geschlechtsspezifische Sichtweise weitgehend. Sollte sich das nach der Rede von Frau Stolz ändern, würden wir uns darüber freuen. Bisher gilt jedenfalls: Gender Mainstreaming ist für diese Landesregierung ein Fremdwort geblieben.

(Beifall der Abg. Christine Rudolf SPD)

Ich will dies an zwei Beispielen verdeutlichen.

In der Antwort auf die Große Anfrage führt die Landesregierung als Datengrundlage für eine geschlechtsspezifische Gesundheitspolitik das Krebsregister an. Genau dieses Register will sie, weil es angeblich nicht gut funktioniert, jetzt abschaffen. Ich frage mich, warum man da nicht eine Verbesserung angeht. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an BSE. Da hat man es seltsamerweise geschafft, sehr schnell ein Register anzulegen. Im Gegensatz dazu schaffen wir jetzt dieses Ding ab.

(Abg. Alfred Haas CDU: Was für ein „Ding“?)

Das Krebsregister wollen Sie zum Jahresende abschaffen. Das ist Ihnen vielleicht noch nicht bekannt, Herr Haas.

(Abg. Alfred Haas CDU: Doch!)

Es ist unstrittig, dass in Deutschland ein Defizit sowohl hinsichtlich nutzbarer klinischer Krebsregister als auch hinsichtlich einer flächendeckenden bevölkerungsbezogenen Krebsregistrierung besteht.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Wenn die Ärzte das nicht melden – – Bemühen Sie sich doch lieber, diese Zahlen zu bekommen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Haas ignorieren!)

Klinische Krebsregister sind deshalb insbesondere für die Qualitätssicherung der Versorgung wichtig.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Schreien Sie nicht pausenlos dazwischen, sondern hören Sie zu!

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Darüber hinaus sind sie wichtig als Datenlieferant für bevölkerungsbezogene Krebsregister. Nur mit diesen Daten der bevölkerungsbezogenen Krebsregister können nämlich beispielsweise die Effekte von Vorsorgemaßnahmen

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

wie die flächendeckende Einführung von Früherkennungsuntersuchungen wirklich evaluiert werden. Dies gilt natürlich auch im internationalen Vergleich.

(Abg. Alfred Haas CDU: „Ding“!)

Insbesondere für den Kampf gegen den Brustkrebs im Land bedeutet die Aufgabe des Krebsregisters einen Rückschlag. Wir brauchen die Daten des Krebsregisters auch, um die Effekte von Vorsorgemaßnahmen wie beispielsweise des Mammographie-Screenings – darauf komme ich noch zurück – evaluieren zu können.

(Abg. Alfred Haas CDU: Entschuldigung, das hat doch nichts miteinander zu tun!)

Ein weiteres Beispiel ist die Haltung der Landesregierung zur aktuellen Gesundheitsreform. Herr Repnik hat sich ja maßgeblich an dieser Diskussion beteiligt. Ich kann nur sagen: Vor allem die Forderung der CDU, dass die Krankenversicherung bei privaten Unfällen künftig nicht mehr zuständig sein solle und dies privat zu versichern sei, halte ich für extrem frauenfeindlich, weil viele Privatunfälle nun einmal im Haushalt geschehen. Ich befürchte, dass dies überwiegend immer noch die Frauen betrifft. Dieses Risiko will die CDU nun alleine den Frauen aufbürden. Nicht mehr die Krankenkasse, sondern eine Privatversicherung soll hierfür zuständig sein.

Ähnliches gilt für die Forderung der CDU, den Zahnersatz aus dem Leistungskatalog der Krankenversicherung herauszunehmen. Dies halte ich vor allem für familienfeindlich. Die Ersatzkassen haben diese Absicht völlig zu Recht als reine Klientelpolitik zugunsten der privaten Krankenversicherung bezeichnet.

(Abg. Alfred Haas CDU: Wobei bis zu 18-Jährige freigestellt sind!)

Denn anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung müsste in der Privatversicherung nämlich dann für jedes Familienmitglied – also auch für Ehepartner und Kinder – eine Versicherungspolice abgeschlossen werden. Sie wissen, dass das dann nicht mehr 7,50 € im Monat sind, sondern je nach Kinderzahl ein Vielfaches davon sein kann.

Angesichts Ihrer eigenen Zerstrittenheit in solchen Fragen möchte ich nur an Sie appellieren: Helfen Sie mit, dass ein solcher Unsinn ein Ende findet! Sorgen Sie dafür, dass auch in Baden-Württemberg ein bisschen mehr nach Seehofer und vielleicht ein bisschen weniger nach Haas geschaut wird.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Wieser CDU)

Meine Damen und Herren, ich möchte in dieser Diskussion noch ein paar Anmerkungen zum Brustkrebs machen. Jede zehnte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Das ist aber kein unabwendbares Schicksal. Deshalb halte ich es für wichtig, dass wir die Frauenverbände, die hierbei sehr aktiv sind, fördern und unterstützen, allen voran den Landesfrauenrat.

(Der Rednerin wird das Ende ihrer Redezeit an- gezeigt.)

Meine Sprechzeit ist zu Ende?

Gut, ich muss dann sehr abkürzen.

Auf jeden Fall denke ich, dass wir jetzt einen Schritt weitergekommen sind. Wir begrüßen es deshalb sehr, dass eine Einigung in Sicht ist, dass die Ersatzkassenverbände, die IKK Baden-Württemberg und die BKKen, die Deutsche Gesellschaft für Senologie und der Krebsverband BadenWürttemberg im März dieses Jahres eine Absichtserklärung unterschrieben haben, die den Weg zum Aufbau eines strukturierten Behandlungsprogramms für Brustkrebs aufzeigt.

Zum Schluss kann ich nur noch sagen: Ich wünsche allen Partnern auf diesem Weg viel Erfolg. Sie sind auf dem richtigen Weg. Ich denke, unsere Aufgabe ist es, hierbei maßgebliche Unterstützung zu leisten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! „Gesundheitliche Situation von Frauen in Baden-Württemberg“, so ist die Große Anfrage der Fraktion der CDU überschrieben. Über viele, viele Seiten ist die Antwort der Landesregierung aber eher ein Krankheitsbericht.

Meine Freude darüber, dass Baden-Württemberg auch bei der Lebenserwartung der Männer und Frauen in Deutschland Spitze ist, wurde ganz schnell durch die Erkenntnis im nächsten Absatz getrübt, dass sich Deutschland diesbezüglich insgesamt im hinteren Drittel der europäischen Länder befindet. Allerdings ist dies kein Thema für unseren Landtag, es sollte uns aber zu denken geben.

(Abg. Capezzuto SPD: Da ist Berlin schuld! – Un- ruhe)

Nein, aber man muss das in Berlin bearbeiten. Ich sage nicht, dass Berlin schuld ist, meine aber, dass man etwas tun muss.

(Unruhe)

Vor 30 Jahren war es noch so, dass man gesagt hat: Frauen kriegen deshalb weniger Geld, weil sie einen höheren Krankenstand haben. Deshalb habe ich mich über die Feststellung gefreut, dass bei der Zahl der Arbeitsunfähigkeitsfälle – zumindest in der Statistik der AOK West – inzwischen die Männer leicht überwiegen. Die Aussage hatte schon damals schichtenspezifisch nicht gestimmt.

Aber es ist natürlich richtig, was meine Vorrednerinnen gesagt haben: Frauen und Männer gehen unterschiedlich mit Gesundheit, Krankheit und Belastungen um. Man braucht deshalb grundsätzlich eine differenzierte Fragestellung. Wir sollten aber aufpassen, dass wir mit dieser Anfrage nicht so tun, als ob nur Frauen solche Probleme hätten.

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sehr gut!)

Man könnte genau die gleiche Anfrage auch für Männer machen und würde genauso ausführliche Antworten erhalten, insbesondere beim Thema Sucht. Wenn man dann einmal danach fragt, wer denn Präventionsangebote wahrnimmt und wer Prävention betreibt, dann sieht man: Da sind die Frauen Spitze.

Erstaunt hat uns, dass für die Fragesteller und für die Antworten der Landesregierung offensichtlich die Reproduktionsquote noch immer ein Thema der Frauengesundheit ist.

(Abg. Zeller SPD: Reproduktion! Welch scheußli- ches Wort!)

Meines Erachtens ist dieser Wert – also die Zahl, wie viele Kinder geboren werden – viel eher eine Kennziffer für die Gesundheit einer Gesellschaft: Wie steht sie zu Kindern? Wie geht sie mit ihnen und mit ihren Eltern um? Was macht die Familienpolitik? Wie ist die Kinderbetreuung? Das ist, glaube ich, kein Thema von Frauengesundheit.

Viel zu kurz ist dagegen der Punkt abgehandelt worden, bei dem es um die Mehrfachbelastung geht. Das ist, glaube ich, wirklich ein Angelpunkt. Frauen halten viel aus und werden auch durch die Mehrfachbelastung trainiert. Aber wie oft so etwas bei all den intensiv diskutierten Krankheiten im Hintergrund steht, ist leider bisher viel zu wenig erforscht. Das wäre aber wichtig.