Protocol of the Session on June 25, 2003

(Abg. Hauk CDU: Herr Kollege Witzel, was ma- chen Sie denn mit den Endlagern?)

Herr Hauk, auch wenn Sie jetzt ohne Erlaubnis der Frau Präsidentin eine Zwischenfrage stellen, will ich sie trotzdem beantworten. Wir Grünen waren von Anfang an gegen die Atomenergie, und wir sind dafür, dass man diese Energieform möglichst frühzeitig beendet, damit das Problem nicht immer größer wird, sondern mengenmäßig beschränkt wird. Wenn wir es dann mengenmäßig beschränkt haben – das haben wir glücklicherweise in der Bundesrepublik Deutschland geschafft; der Fahrplan für den Ausstieg steht fest –, dann müssen wir uns um die am wenigsten umweltschädliche Lösung kümmern. Eine gute Lösung, bei der man sagen kann: „Das Problem haben wir im Griff“, gibt es nicht. Das kann ich als jemand, der auch Physik studiert hat, Ihnen klar und deutlich bestätigen.

Es gibt noch andere Gründe. Es gibt das Risiko eines Reaktorunfalls. Es gibt die Gefahr durch radioaktive Niedrigstrahlung, sprich Krebserkrankungen im Umfeld von Kernkraftwerken. Es gibt die Gefahr der Proliferation, also der Umnutzung von radioaktivem Material für militärische Zwecke, möglicherweise in anderen Staaten, möglicherweise mit terroristischem Hintergrund und Ähnliches. Das alles sind Risiken, weshalb wir sagen: Keine Nutzung der Atomenergie! Wir wollen aussteigen, und es ist gut, dass die Bundesregierung das auf den Weg gebracht hat.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Es ist nicht so, dass wir nur den Ausstieg wollten. Wir wollen ja auch den Einstieg in eine neue Form der Energieversorgung, Herr Hofer. Wenn dieser Ausstieg jetzt im Plan festgelegt ist, bringt das auch eine Dynamik in anderen Bereichen: im Bereich der erneuerbaren Energien, im Bereich des Energiesparens, im Bereich der Energieeffizienz. Der

Boom der Windkraft und der Solarenergie ist nur ein Beispiel dafür. Das wollen wir fortsetzen.

Der Antrag der SPD hat das Thema: Energiewende und Atomausstieg. Was zur Energiewende zu tun ist, haben wir hier schon x-mal debattiert. Ich möchte mich daher in der jetzigen Debatte auf das beschränken, was eigentlich neu ist, nämlich die Gutachten, die die Landesregierung in Auftrag gegeben hat, und zwar speziell zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Ich möchte unsere Sichtweise dazu darstellen und dann auch Forderungen an die Landespolitik richten.

Zunächst müssen wir feststellen: Wir brauchen insgesamt einen Zubau von etwa 10 000 Gigawattstunden pro Jahr. Das erreichen wir nur, indem wir ein Bündel von erneuerbaren Energien voranbringen.

Wichtigstes Ergebnis ist: Die Hauptmenge an erneuerbaren Energien muss aus dem Bereich der Biomasse kommen.

(Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Das ist in Ord- nung!)

Biogas, Holzhackschnitzel, Stromerzeugung aus Holz usw.: Das sind wichtige Punkte; da muss man etwas tun.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Sehr richtig! – Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Da machen wir mit!)

Gut, die Landesregierung hat ein kleines Förderprogramm aufgelegt, das Programm „Energieholz Baden-Württemberg“. Hierfür sind ganze 1,2 Millionen € in den Haushalt eingestellt. Heute erfahre ich, dass diese Mittel im Rahmen der Haushaltskürzung noch einmal um ein Drittel gekürzt wurden und dass heute, Ende Juni, längst alle Mittel für 2003 vergeben sind. Zusätzlich liegen derzeit 35 Anträge auf Halde. Diese Projekte sind damit blockiert.

Meine Damen und Herren von der Landesregierung, Herr Döring, so geht es natürlich nicht, einerseits zu sagen, die Biomasse sei das Hauptfeld, wo man die erneuerbaren Energien voranbringen müsse, und andererseits aus 1,2 Millionen € noch ein Drittel herauszustreichen, und Mitte des Jahres liegen schon fast 50 Projekte auf Halde. So kommen wir sicherlich nicht voran.

(Beifall der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Der zweite Punkt ist die Wasserkraft. Es wird immer gesagt, wir brauchen den Neubau des Wasserkraftwerks Rheinfelden. Das ist richtig, und dazu stehen wir Grünen auch klar. Wir wollen die Große Wasserkraft ins EEG aufnehmen, aber es ist nicht so, dass wir allein damit das Problem lösen könnten. Das Gutachten zeigt auf, dass wir im Bereich der Wasserkraft 1 400 Gigawattstunden pro Jahr brauchen. Rheinfelden kann maximal ein Viertel davon erbringen, die andere Große Wasserkraft am Rhein vielleicht noch einmal ein Viertel. Das heißt, wir brauchen auch einen Ausbau der Kleinen Wasserkraft, sonst werden wir laut Gutachten die Ziele nicht erreichen können.

(Abg. Schmiedel SPD: Aber nicht bei der Wind- kraft! – Zuruf der Abg. Dr. Carmina Brenner CDU)

Ich fordere die Landesregierung daher auf, bei den Genehmigungsverfahren für kleine Wasserkraftwerke keine Bremsen einzuziehen,

(Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Das kriegen Sie doch aus Naturschutzgründen nirgendwo mehr hin! – Abg. Hofer FDP/DVP: Da ist die Fischtreppe teurer als das ganze Werk!)

sondern sie zügig zu bearbeiten.

Drittens: Weil das jetzt immer der große Streitpunkt ist, muss man auch noch auf die Windenergie eingehen.

(Abg. Schmiedel SPD: Genau!)

Laut dem Gutachten, das die Landesregierung in Auftrag gegeben hat, soll die Windenergie 1 133 Gigawattstunden pro Jahr erbringen. Das ist etwa eine Verzwölffachung dessen, was wir im Jahr 2000 hatten. Das heißt, dieses im Auftrag der Landesregierung erstellte Gutachten besagt, wir müssen die Windkraft bis zum Jahr 2010 verzwölffachen.

(Abg. Capezzuto SPD: Das ist auch vernünftig!)

Jetzt kommt von Ihrer Seite immer wieder der Vorwurf einer Verspargelung der Landschaft. Dazu darf ich zitieren, was die Gutachter errechnen. Sie sagen, wir brauchten etwa 130 Standorte im Land mit jeweils drei bis vier Anlagen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Das ist ja noch machbar! – Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Das ist doch in Ordnung!)

Sie sagen, das ist in jedem Fall machbar. Ich zitiere aus dem Gutachten:

Aber selbst wenn im Extremfall jede Anlage als Einzelanlage errichtet würde, ist bei insgesamt rund 500 Anlagen im gesamten Land eine „Verspargelung“ der Landschaft nicht zu befürchten.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Dr. Witzel, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen. Ihre Redezeit ist bei weitem überschritten.

Frau Präsidentin, ich komme sofort zum Ende.

Ich bitte Sie, meine Damen und Herren von der CDU, das doch einmal zur Kenntnis zu nehmen: Eine Verspargelung der Landschaft steht nicht zur Debatte. Wir wollen aber, dass die Windkraft auch in Baden-Württemberg ihren Beitrag für die Energiewende leistet.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Deshalb bitte ich Sie, Ihren Widerstand gegen die Windkraft aufzugeben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Dr. Döring.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst bitte ich um Entschul

digung für mein Zuspätkommen, vor allem bei Ihnen, Herr Knapp. Ich habe übersehen, dass bei Punkt 5 keine Aussprache vorgesehen war. Ich bitte um Nachsicht.

(Abg. Teßmer SPD: Nicht nur Konzilien können ir- ren! – Heiterkeit)

Die Ausführungen, die auf der Grundlage des Antrags gemacht worden sind, zielen meiner Meinung nach an verschiedenen Stellen in die richtige Richtung. Sie haben schließlich auch das zur Grundlage, was wir uns zum Ziel gesetzt haben: wie wir mit dem Atomausstieg, der von der Bundesregierung beschlossen worden ist, und der Energiewende umgehen. Ich meine, Frau Brenner und Herr Hofer haben zum Thema Atomausstieg auch die Meinung der Landesregierung zum Ausdruck gebracht. Ich will deswegen nicht länger darauf eingehen. Das ist Beschlusslage, mit der wir umzugehen haben

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

und die wir ein Stück weit auch mit auszuführen und umzusetzen haben.

Was meiner Meinung nach an einzelnen Themen angesprochen werden sollte, ist zum einen, dass wir im Zusammenhang mit der regenerativen Energie hinsichtlich der Forschung im Bundesländervergleich nach wie vor noch ganz gut dastehen – bei weitem nicht so gut, wie wir es gerne hätten, das sei eingeräumt, aber weniger schlecht, als Sie es manchmal darstellen.

Auch wenn wir in den letzten Jahren – die Zahlen kenne ich mindestens so gut wie Sie; das können Sie mir glauben – aufgrund der Haushaltssituation immer wieder Abstriche vornehmen mussten, halte ich den Ansatz, sich vor allen Dingen in der Forschung zu engagieren, nach wie vor für richtig. Wir haben uns vor 14 Tagen in Freiburg das von Herrn Hofer erwähnte Institut angeschaut und dort bestätigt bekommen, dass dieses Institut weltweit eines der führenden ist. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sich die Landesregierung in den vergangenen Jahren in diesem Bereich, auch im investiven Bereich, engagiert hat. Das muss man zur Kenntnis nehmen, genauso wie man die Defizite aus Ihrer Sicht – und aus unserer Sicht ja auch – berechtigterweise anführt. Dass wir im Bereich der Forschungsmittel auch im Jahr 2003 immerhin noch mit 7 Millionen € unterwegs sind, um in dem Zusammenhang weltweit in einzelnen Positionen eine Spitzenposition einzunehmen, ist meiner Meinung nach ein guter Punkt und ein Pluspunkt für die Landesregierung von Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Theurer FDP/ DVP – Abg. Schmiedel SPD: Aber man muss et- was daraus machen!)

Ich will zu einem weiteren Punkt, den Sie angesprochen haben, etwas sagen, um auf Ihre Argumente einzugehen. Da spielt natürlich die Windkraft eine Rolle. Ich würde dringend darum bitten, dass Sie, Herr Witzel – auch der Kollege Knapp hat das in ähnlicher Weise gemacht –, uns nicht vorwerfen, wir würden hier eine Verhinderungstaktik fahren.

(Abg. Knapp SPD: Das ist ja nichts anderes!)

(Minister Dr. Döring)

Es ist von Ihnen doch aus dem Gutachten zitiert worden, wie viele Anlagen notwendig wären. Diese Anlagen sind ganz selbstverständlich realisierbar. Aber sie sind sinnvollerweise dort zu realisieren, wo sie von der Regionalplanung her hingehören, und sollten nicht einzeln quer über das Land Baden-Württemberg verteilt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Und wenn Sie das machen – dazu sind jetzt auch alle Verantwortungsträger in den Regionen ausdrücklich aufgefordert worden –, dann werden Sie sehen, dass es auch in der Umsetzung ist.