Protocol of the Session on May 28, 2003

Punkt 8 der Tagesordnung ist damit abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Innenministeriums – Konzept zur Verbesserung der Situation der Polizei, des Verfassungsschutzes, des Katastrophenschutzes und der Justiz in Baden-Württemberg – Drucksache 13/1090

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache zehn Minuten je Fraktion, gestaffelt.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Fischer.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Antrag ist im Juni letzten Jahres eingebracht worden. Leider hat es sehr lange gedauert, bis er in die parlamentarische Beratung kam. Ich glaube aber, die Aktualität besteht heute aufgrund der zusätzlichen Diskussion über die Verwaltungsreform mit der angedachten Zerschlagung der bewährten Polizeistruktur mehr denn je.

Die Landesregierung vertritt die Auffassung, dass die bereits bei der Erstellung des Sicherheitsplans I erarbeiteten und im Rahmen der Aufstellung des Sicherheitsplans II modifizierten Berechnungsgrundlagen zur Darstellung des Per

sonalbedarfs der Polizei, mittlerweile über 25 Jahre alt, aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen als Planungsinstrument für die Zukunft nicht mehr geeignet sind, ohne jedoch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dem Landtag bisher einen den neuen Anforderungen angepassten und überarbeiteten Sicherheitsplan vorgelegt zu haben. Die Landesregierung verfolgt die Entwicklung der inneren Sicherheit also erklärtermaßen ohne ein konkretes Konzept.

(Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Ein solches Konzept und präzise formulierte Handlungsschritte, Termine und Finanzierungsvorstellungen, liebe Kollegin Fauser, sind jedoch unbedingt erforderlich, um die Sicherheit im Land dauerhaft zu gewährleisten und die notwendige Umsetzung sowohl für die Betroffenen als auch für das Parlament nachvollziehbar zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will nun gezielt einige Punkte aus unserem Antrag herausgreifen und diese anhand der Stellungnahme des Innenministeriums bewerten.

Personelle Verstärkung der Polizei: Die Reorganisation hat den gewünschten Erfolg nicht erbracht. Die Basis – das sind die Dienststellen und Dienstzweige, also jene, die den operativen Polizeidienst leisten – wurde nicht verstärkt. Ich behaupte: Hinsichtlich der Basisverstärkung war die Reorganisation eine Nullnummer, und die angedachte Präsenzverstärkung ist einfach in den Köpfen der verantwortlich Tätigen hängen geblieben.

Die in der Stellungnahme des Innenministeriums aufgeführte Personalverstärkung der Polizei im Rahmen des Antiterrorsofortprogramms ist nach unserer Einschätzung, Kolleginnen und Kollegen, eine Luftbuchung. Denn die jetzt geschaffenen 200 zusätzlichen Ausbildungsstellen wurden bereits in den Jahren 1998 und 1999 mit je 100 Stellen eingespart. Diese Erhöhung ist viel zu spät erfolgt, sodass bis zum Ende der Ausbildung die zusätzlich eingestellten Beamtinnen und Beamten die Lücken in der Polizei immer deutlicher werden lassen.

Wir wenden uns nicht gegen das Konzept der weiteren Optimierung des Personaleinsatzes der Polizei. Allerdings vertreten wir die Auffassung, dass die Arbeitszeitflexibilität kein Personalfindungskonzept ist. Sie kann die notwendige Personalverstärkung auch nicht ersetzen.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden deshalb allen Versuchen entschieden entgegentreten, den im Wechselschichtdienst eingesetzten Beamten ein nicht gewünschtes Arbeitszeitmodell zu verordnen. In diese Diskussion muss auch das immer höher werdende Durchschnittsalter der Betroffenen im Wechselschichtdienst einfließen, Herr Minister. Ich darf sagen: Es gibt Dienststellen, die ein Durchschnittsalter von nahezu 50 Jahren aufweisen. Eine Flexibilisierung der Arbeitszeit darf sich nicht nur an den Bedürfnissen und Wünschen der Dienststellen oder Dienststellenleiter orientieren. Sie muss an den Bedürfnissen der im Wechselschichtdienst beschäftigten Beamtinnen und Beamten ausgerichtet sein. Konkrete Vorschläge hierzu liegen nach unserer Kenntnis bis heute nicht vor.

Eine Entbürokratisierung der täglichen Arbeit, soweit dies überhaupt möglich ist, ist bisher nicht festzustellen. Im Gegenteil, aus der Praxis ist zu hören, dass immer mehr Listen und Formulare ausgefüllt werden müssen und dies unnötige Arbeitszeitbelastungen für die Beamtinnen und Beamten mit sich bringt. Hier gestatte ich mir bereits den Hinweis auf die noch immer nicht vorhandenen Vorgangsbearbeitungen. Das Projekt „POLIS“, das bei der PD Waiblingen und dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg mit viel Geld eine Lösung des Problems bringen sollte, ist nach unserer Einschätzung kläglich gescheitert. Hier sollte man einmal die Frage nach den Verantwortlichen stellen, die für diese Maßnahme zuständig sind.

Die Verbesserung durch die tatsächlich auf den Weg gebrachten Richtlinien im Bereich der strukturellen Verbesserung der Polizei ist nach unserer Ansicht zwar auf den Weg gebracht, aber bei weitem nicht ausreichend. Baden-Württemberg ist beim Laufbahnanteil des gehobenen Dienstes im Ländervergleich nach wie vor auf dem letzten Platz der alten Bundesländer.

Die Stellenobergrenzen im mittleren Dienst sind ausgeschöpft. Ob und gegebenenfalls welche Verbesserungen nach Öffnung der Stellenobergrenze durch das Besoldungsstrukturgesetz von der Landesregierung umgesetzt werden, ist zurzeit völlig offen.

Wir halten an der Forderung nach Einführung der zweigeteilten Laufbahn fest. Solange die Grundsatzentscheidung dafür nicht getroffen wird, brauchen wir mittelfristig einen über 50 % hinausgehenden Anteil des gehobenen Dienstes und kurzfristig eine Verbesserung der Anteile der Stellen A 9 und A 9 plus beim mittleren Dienst auf 70 %.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Glück FDP/ DVP)

Darüber hinaus sind die Stellen des gehobenen und des höheren Dienstes bis A 14 zu schlüsseln.

Die Aus- und Fortbildung der Polizei wurde grundlegend reformiert. Inwieweit die Veränderungen Sinn machen, soll durch eine Evaluation überprüft werden. Diese Maßnahmen sind schon lange eingeleitet. Ich frage Sie deshalb, Herr Minister: Bis wann können wir mit dem Ergebnis rechnen? Bis wann legen Sie uns die Fakten vor?

Ich komme zur Verbesserung der Ausrüstung der Polizei. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ausrüstung ist tatsächlich verbessert worden; das möchten wir nicht verkennen. Das Leasingprogramm zur Beschaffung der Dienstfahrzeuge macht optisch einen guten Eindruck. Allerdings ist deutlich darauf hinzuweisen, dass die finanziellen Auswirkungen auf das Budget der Dienststellen noch immer nicht richtig zu kalkulieren sind. Zu viele Unbekannte spielen dabei noch eine Rolle.

Ich darf hier gerade an die Diskussion über die Dienstfahrzeuge erinnern, die zurzeit in der Öffentlichkeit stattfindet: Über 500 Fahrzeuge sind zu viel angeschafft worden. Hier muss man schon fragen, Herr Minister: Wo liegt dafür die Verantwortung? Wie kann es sein, dass man erst nach der Prüfung durch den Rechnungshof darauf kommt, dass 500 Fahrzeuge zu viel auf der Straße sind? Oder anders gefragt:

Nach welchem Schlüssel werden die Zuweisungen vorgenommen? Da bitte ich wirklich um eine Antwort vonseiten der Regierung.

Mit dem Technikzukunftsprogramm für die Polizei wurden die richtigen Weichenstellungen vorgenommen. Einschränkend soll aber darauf hingewiesen werden, dass ein großer Nachholbedarf bestanden hat und die angedachten Finanzmittel in manchen Bereichen wohl nicht ausreichen, um die Polizei so auszustatten, wie es nach unserer Meinung in der heutigen Zeit notwendig ist.

Ich möchte nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf einige Punkte eingehen, die uns im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform aktuell beschäftigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Regierung hat keinen Mut gehabt, die vorgelegte Verwaltungsreform in der richtigen Form durchzuführen und eine Verwaltungsebene herauszunehmen. Sie wissen, das ist eine Forderung, die im Entwurf der SPD steht. Ich frage Sie: Was richten Sie an mit der Zerschlagung der Polizei, mit der Eingliederung in die Landratsämter und mit der Eingliederung in die großen Städte?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann eines nicht verstehen. Wenn ich vor Ort bin, höre ich von Leitern von Polizeidirektionen, dass Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen bei ihnen waren und vor Entsetzen gesagt haben: Wir haben nicht gewusst, welche Probleme da entstehen. Da muss ich schon sagen: Entweder haben Sie sich nicht richtig informiert, oder Sie scheuen den Mut, klar zu bekennen, dass Sie letztlich dem Herrn Ministerpräsidenten in dieser Sache nachlaufen und nicht gegensteuern.

Ich respektiere und bewundere den Mut des Polizeibeirats der CDU Karlsruhe – ich sage das ganz bewusst –, der vor der Presse klar erklärt hat: Wir werden gegen die TeufelPläne in diesem Bereich stimmen.

(Beifall bei der SPD)

Ich appelliere an Sie: Stimmen Sie da mit, und verhindern Sie den Blödsinn der Eingliederung der Polizei in die Landratsämter oder in die Großen Kreisstädte!

So viel einmal zu Beginn, damit nachher noch mein Kollege Gall zu anderen Punkten der inneren Sicherheit Stellung nehmen kann.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Blenke.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist jetzt, wenn ich es anhand der Tagesordnung richtig gesehen habe, die dritte Initiative der SPD älteren Datums – vom vergangenen Jahr –, anhand der Sie sich mit einem sehr aktuellen Problem oder einer sehr aktuellen Fragestellung, nämlich der Verwaltungsreform, beschäftigen.

(Abg. Teßmer SPD: Das war halt vorausschauend! – Zuruf des Abg. Drautz FDP/DVP)

Das ist schon interessant. Sie ziehen jetzt offenbar olle Kamellen, die schon in der Schublade lagen, hervor, um damit einzelne Themen immer wieder an der Verwaltungsreform festzumachen.

(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Zeller: Blödsinn!)

Kollege Fischer, Sie sprechen von Zerschlagung bewährter Polizeistrukturen. Dass wir eine bewährte, eine sehr leistungsfähige und gute Polizei haben, ist unbestritten. Dass es sich dort auch um hervorragende Mitarbeiter handelt, ist ebenfalls unbestritten.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Aber wir haben gerade einmal einen Grundsatzbeschluss gefasst, und wir beraten in diesen Tagen und Wochen in den Fraktionen über die Umsetzung im Einzelnen. Wir haben von vornherein gesagt, dass die Organisation der Polizei unabhängig bleiben wird, dass sie nicht unter die Weisungsstränge fällt. Sie wissen schon jetzt, dass die Strukturen zerschlagen werden. Ich möchte einmal wissen, woraus Sie dies begründen.

(Zurufe von der SPD)

Lieber Kollege Fischer, Sie mäkeln an der Verwaltungsreform herum. Sie geht Ihnen zu weit, und gleichzeitig sagen Sie, wir seien nicht mutig genug, eine richtige Reform zu machen. So haben Sie es gerade gesagt,

(Beifall des Abg. Dr. Glück FDP/DVP)

weil Sie nämlich sagen, wir machten keinen zweistufigen Aufbau. Lesen Sie doch bitte einmal das Gutachten von Professor Hesse. Es wurde nicht von uns, sondern vom Bund der Steuerzahler in Auftrag gegeben. Professor Hesse sagt ausdrücklich: In einem Flächenland wie Baden-Württemberg ist ein dreistufiger Verwaltungsaufbau im Interesse der Bürgernähe der richtige. Darüber können wir unterschiedlicher Meinung sein. Man kann Argumente für Ihre Position haben. Aber unsere Position ist nun einmal: Wir wollen nicht eine untere Verwaltungsebene haben, die großräumig und bürgerfern ist. Deshalb bleiben wir beim bewährten dreistufigen Aufbau.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Auch wenn Sie das jetzt etwas in den Hintergrund gerückt haben, möchte ich mich dennoch mit dem eigentlichen Anliegen Ihres Antrags beschäftigen.