Protocol of the Session on March 26, 2003

(Abg. Dr. Birk CDU: Haben wir doch!)

bin ich sicher, dass wir jeden dieser Vorschläge aufgreifen werden. Bisher vermag ich nicht zu erkennen, was besser geeignet wäre, die Probleme zu lösen, als die Vorschläge, die ich Ihnen heute noch einmal vorgestellt habe.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Theurer.

Herr Kollege Junginger, wir sollten vermeiden, den Eindruck zu erwecken, als ob das jetzige Modell und die jetzigen Gemeindefinanzsysteme funktionieren würden.

(Abg. Dr. Birk CDU: So ist es!)

Schon heute gibt es Gemeinden, die große Probleme haben, weil sie keine ertragsstarken Gewerbesteuerzahler haben, bei denen die Bürgerinnen und Bürger Schulanbauten vorfinanzieren, Kindergärten selbst erstellen, Kinderspielplätze selber pflegen, bei denen das bürgerschaftliche Engagement fehlende Mittel ausgleichen muss, obwohl die Bürgerinnen und Bürger in diesen finanzschwachen Kommunen schon heute die gleichen Einkommensteuersätze zu zahlen haben wie die Bürgerinnen und Bürger in anderen Städten, die davon profitieren, dass dort ertragsstarke Betriebe angesiedelt sind. Das sind häufig nicht unbedingt arbeitsplatzreiche Unternehmen, die hohe Gewerbesteuern zahlen, sondern das

sind die ertragsstarken Betriebe, die das finanzieren. Ich denke, es wäre wirklich eine verpasste Chance, wenn wir die jetzige Diskussion um eine Reform der Gemeindefinanzen nicht dazu nutzen würden, einmal grundsätzlich die Finanzverfassung der Gemeinden zu überprüfen. Ich denke, hierzu besteht eine Notwendigkeit.

Ich möchte deshalb noch einmal die Vorteile aufzeigen. Wir müssen eine Verbindung zwischen Wirtschaft und Gemeinde haben und erhalten. Allerdings ist das Ziel, Arbeitsplätze anzusiedeln. Deshalb plädieren wir von der FDP/ DVP-Fraktion dafür, ein System der Zerlegung der Umsatzsteuer einzuführen, bei dem die Umsatzsteuer an die Zahl der Arbeitsplätze anknüpft. Ich denke, damit kann man die Verbindung zwischen Wirtschaft einerseits und Kommune andererseits realisieren. Wir sollten den Umsatzsteueranteil der Gemeinden erhöhen, damit die Gemeinden an einer Wachstumssteuer partizipieren.

Zweitens: Die Gewerbesteuer ist konjunkturabhängig. Sie trifft nur wenige Gewerbesteuerzahler und ist im internationalen Vergleich ein Ansiedlungshindernis.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Deshalb gehört sie abgeschafft,

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Jun- ginger SPD)

nicht revitalisiert, meine Damen und Herren, und nicht ausgedehnt auf Freiberufler, nicht durch eine Senkung der Freibeträge ausgedehnt auf die Kleinbetriebe. Das würde genau diejenigen bestrafen, die in unserem Land Arbeitsplätze schaffen und Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Das wollen wir nicht.

Wenn man sich überlegt, dass die Gewerbesteuer heute einkommensteuermindernd angesetzt werden kann, dann stellt man erstens fest, dass das Ganze das Steuersystem massiv verkompliziert, und wenn man die Gewerbesteuer abschaffen würde, dann hätten Bund und Länder zweitens etwa 7 Milliarden € Mehreinnahmen pro Jahr – Mehreinnahmen! –, und zwar bei der Einkommensteuer.

Bei der Körperschaftsteuer könnte man auch noch etwas machen.

Deshalb ist unser System auch gegenfinanziert. Wenn man sich dieses Modell – BDI, VCI, aber auch vom Deutschen Steuerzahlerbund – einmal genau anschaut, stellt man fest, dass es rechenbar ist und dass es unter dem Strich zu einer nicht finanzierten Deckungslücke von 1 Milliarde € bundesweit kommt, für die man sich noch überlegen müsste, wie man sie schließt.

Wir meinen, das ist eine riesige Chance, eine grundsätzliche Reform umzusetzen, die den Standort Deutschland für Investitionen interessanter macht, die die Wirtschaft in einer schwierigen Zeit entlastet und die das Steuersystem massiv vereinfacht, was dazu führt, dass in der Steuerverwaltung Mitarbeiter eingespart werden können und Bürokratiekosten gesenkt werden können. Man hat darüber hinaus eine Verstetigung der Einnahmen durch die Einführung eines Hebesatzes bei der Einkommen- und der Körper

schaftsteuer, und man kann dieses derzeitige verkorkste System – Anrechenbarkeit der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer einerseits, aber Nichtanrechenbarkeit bei der Körperschaftsteuer andererseits und damit gespaltene Steuersätze und eine nicht rechtsformneutrale Besteuerung von Unternehmen in Deutschland – endgültig beseitigen. Das wäre gerade im Interesse der kleinen und mittelständischen Betriebe erforderlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Daher ist es, glaube ich, dringend erforderlich, eine Reform herbeizuführen, was die Einnahmeseite angeht, und Klarheit in unser Steuersystem hineinzubekommen. Das könnte man ja auch fortsetzen. Auch die Länder könnten vielleicht Hebesatzrechte auf die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer bekommen. Im Sinne einer Föderalismusreform müsste das angesprochen werden.

Lassen Sie uns auch über andere Steuervereinfachungen sprechen: Durch eine Abschaffung der Kfz-Steuer und eine Umlage auf die Mineralölsteuer könnte man nach Schätzungen unseres Finanzministeriums offensichtlich 4 000 Steuerbeamte in der Bundesrepublik einsparen, ohne dass dadurch eine Aufgabe nicht erledigt würde und ohne dass der Staat dadurch weniger Geld einnehmen würde. Wenn wir nicht anfangen, unseren Staat zu verschlanken, wenn wir dort kein Geld einsparen, dann können wir die Bürgerinnen und Bürger nicht entlasten, was wir aber dringend müssen.

Ein anderer Bereich sind die Ausgaben. Hierzu nur eine Aussage: Ich denke, eine Sanierung der Gemeindefinanzen erfordert auch eine Aufgabenkritik. Wenn wir uns anschauen, zu wie vielen ungedeckten Kosten bei unseren Landkreisen allein das Grundsicherungsgesetz führt, merken wir, dass das nicht in Ordnung ist. Die ungedeckten Kosten betragen im Stadtkreis Baden-Baden 550 000 € pro Jahr, in Freiburg betragen sie 3 Millionen € pro Jahr. Wir müssen also auch darüber nachdenken, dass es nicht mehr so sein kann, dass die höhere Ebene Bund und manchmal auch das Land etwas beschließen und die Gemeinden das dann finanzieren müssen. Hier müssen wir wirklich mit uns ins Gericht gehen und vor allem das Konnexitätsprinzip auch auf Bundesebene einführen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Konnexitätsprinzip, Kollege Theurer, steht in unserer Landesverfassung,

(Zuruf von der FDP/DVP: Das wissen wir!)

und trotzdem greift die Landesregierung wie der Bund den Kommunen in die Taschen.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Nichts ist so gut, als dass man es nicht verbessern könnte!)

Ich erinnere nur an die Medienausstattung der Gemeinden. Ihnen wird vom Land eine neue Aufgabe zugewiesen, und

sie sollen sie ohne neue Finanzmittel lösen. Das ist doch genau das gleiche Problem.

(Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Das Problem ist doch, glaube ich, Folgendes: Rot-Grün regiert im Bund, und Sie, Union und FDP, haben im Bundesrat die Mehrheit, und es besteht die Gefahr, dass man sich jetzt nochmals jahrelang blockiert. Deshalb ist es so: Wenn man sich auf Ihr Modell einlässt und kommunale Hebesätze auf die Einkommensteuer einführt, dann geht das sicher nur, wenn man das mit vielen Maßnahmen flankiert. Sie brauchen dazu eine Änderung des kommunalen Finanzausgleichs.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Genau!)

Sie müssten im Prinzip die Entfernungspauschale abschaffen, weil die den Trittbrettfahrereffekt verstärkt, und Sie müssen auch die ökologischen Komponenten sehr viel stärker beachten. Wir müssen also die Grundsteuer als eine wichtige Kommunalsteuer stärker ökologisch ausrichten, wir müssen Flächenverbrauch und Versiegelung der Landschaft bei der Grundsteuer berücksichtigen, wir müssen bessere Anreize für einen sparsamen Umgang mit Boden schaffen, um Baupotenzial im Siedlungsbestand zu mobilisieren, und wir müssen Brachen und Recyclingflächen in Städten nutzbar machen. Das alles sind wichtige Maßnahmen. Sonst wird der Effekt, den ich in der ersten Runde genannt habe, durchschlagen.

Jetzt komme ich zur Gewerbesteuer.

Erstens führt Ihr Modell der Hebesätze auf die Einkommensteuer – wie ich zugegeben habe – zu einer Verstetigung der Einnahmen der Gemeinde. Das ist aber bei der Reform der Gewerbesteuer genauso.

(Zuruf des Abg. Dr. Birk CDU)

Wenn wir die Gewerbesteuer revitalisieren, wie es konzipiert ist, indem wir erstens den Kreis der Gewerbesteuerpflichtigen ausweiten

(Abg. Dr. Birk CDU: Das reicht doch nicht!)

und zweitens die Bemessungsgrundlage erweitern, verstetigt sich die Gewerbesteuer selbstverständlich ebenfalls. Dass es, wie Sie heute gesagt haben, eine „Großunternehmersteuer“ ist, soll ja gerade damit verhindert werden, dass der Kreis erweitert wird und auch Selbstständige und Freiberufler mit einbezogen werden.

Selbstverständlich hat das auch Nachteile. Sie haben es gesagt: Ein Nachteil dieser Steuer ist, dass sie bürokratieaufwendig wird. Natürlich geht eine erweiterte Bemessungsgrundlage, wie sie vorgesehen ist, auch in die Substanz der Betriebe und ist damit prozyklisch. Auch das ist ein Nachteil, aber einer, den man hinnehmen muss, wenn man eine Verstetigung will.

Da die Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer anrechenbar ist, führt sie zu Mehreinnahmen der Gemeinden auf Kosten des Bundes und der Länder. Das heißt, diese Reform führt tatsächlich dazu, dass sich die Steuern zwar insgesamt nicht erhöhen, dass aber Teile dieser Steuereinnah

men – weil sie auf die Einkommensteuer angerechnet werden können – von Bund und Land an die Kommunen fließen. Das ist der Vorteil.

Schließlich ist die Gewerbesteuer einfach eine Steuer mit Tradition. Wir können mit ihr umgehen. Solange man die Nachteile bei Ihrem Vorschlag nicht durch flankierende Maßnahmen ausräumen kann, hält man doch besser an dem Modell fest, das das Band der Kommune zur örtlichen Wirtschaft stärkt. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiges Moment bei dieser Gewerbesteuer.

Vielleicht kann man sich in diesem Prozess zwischen dem unionsdominierten Bundesrat und der Bundesregierung darauf einigen, in die Richtung der Vorschläge der Bertelsmann-Stiftung zu gehen, die den Nachteil des Aufsatzes auf die Progression bei ihrer Bürgersteuer vermeidet. Aber auch sie hält genau diese flankierenden Maßnahmen für erforderlich.

Herr Finanzminister, Sie haben gesagt, Ihr Modell stärke sozusagen die Steuerkultur in einer Gemeinde. Ich muss Sie aber auf Folgendes hinweisen: In der Schweiz, wo das so ist, bestehen die genannten Probleme, und dort kann das Gemeindevolk in direkter Demokratie über das Budget entscheiden.

(Abg. Schmid SPD: Das ist richtig!)

Nun ist klar: Wenn ich in direkter Abstimmung den Hebesatz erhöhe, kann man davon ausgehen, dass ich hinterher nicht aus der Stadt wegziehe.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Da haben wir nichts da- gegen!)