Protocol of the Session on March 26, 2003

(Abg. Capezzuto SPD: Und auch darüber hinaus!)

Meine Damen und Herren, nach den Vorbereitungen der Bewerbung seitens der Stadt spreche ich hier ausdrücklich meinen Respekt aus vor der Arbeit der Stuttgart 2012 GmbH und ihres Geschäftsführers Raimund Gründler

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

sowie seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Vorbereitungen dieser Bewerbung finden Anerkennung, Zustimmung und Unterstützung bei der breiten Mehrheit der Städte und Gemeinden in unserem Land – das sind ja nicht nur die Stadt und die Region, sondern es ist die überwältigende Mehrheit der Städte und Gemeinden –, in der Bevölkerung, in der Wirtschaft, in allen Fraktionen des Landtags und bei der Regierung. Deshalb finde ich: Es gibt allen Grund für eine selbstbewusste und leidenschaftliche Präsentation dieser Bewerbung am 12. April in München.

Zum Evaluationsbericht ist einiges gesagt worden. Er hat für Irritationen gesorgt. Ich werde hier jetzt nicht vertieft darauf eingehen, sage aber auch für unsere Auswertung die

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

ses Evaluationsberichts noch einmal: Es gibt zwischen den fünf Städten einen minimalen Punkteabstand von 9,11 zu 8,68. Das ist nun wirklich minimal. Die Einstufung Stuttgarts lautet: sehr gut, kaum besser machbar. Deshalb möge niemand diesen Evaluationsbericht schon für das Ganze der Beurteilung halten, so ärgerlich das für manchen war.

Natürlich hat dieser Bericht kritische Rückfragen provoziert, zum Beispiel die Fragen: Wofür erhält welche Stadt Plus- und Minuspunkte? Welche Bedeutung hat eigentlich Sportinfrastruktur? Diese Frage stellt sich, wenn man sich einmal den Punktevergleich und die Beurteilung dieses zentralen Bereichs anschaut. Oder: Ist es richtig, dass trotz andersartiger Ankündigung die Situation des Leistungssports im jeweiligen Land, der Nachwuchsförderung oder des Schulsports im tatsächlichen Bericht kaum mehr gewichtet wird,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ja, das ist leider wahr!)

obgleich es laut und deutlich anders angekündigt worden ist?

Ich finde, das sind schon zentrale Fragen, die an diesen Bericht gestellt werden, die übrigens nicht nur von uns gestellt werden.

Ich finde, das Stuttgarter Konzept ist überzeugend: moderne Wettkampfstätten, großzügige Trainingsmöglichkeiten um das Gottlieb-Daimler-Stadion herum, kurze Wege für die Athletinnen und Athleten, die Medienvertreter und das Publikum, 84 % aller sportlichen Entscheidungen in einem Radius von nur zwölf Kilometern und ein Konzept für eine hervorragende Nachnutzung der vorgesehenen Wettkampfstätten.

Natürlich – ich bin überzeugt, dass dies in der Zeit bis zum 12. April und bei der Meinungsbildung der NOK-Mitglieder eine Rolle spielen wird – kommen Faktoren hinzu, die die Situation des Leistungssports, der Nachwuchsförderung und des Schulsports betreffen.

Baden-Württemberg hat durch Beschlüsse im Ministerrat zur Förderung des Leistungssports vor allem im Nachwuchsbereich mit einer Fortschreibung des Förderkonzepts Leistungssport und einer Erhöhung der Leistungssportförderung im Bundesvergleich – und damit auch im Vergleich zu den Bundesländern, aus denen die anderen Bewerberstädte kommen – eine Spitzenposition.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Das wird in jeder Sportministerkonferenz beschrieben. Dazu zählen viele Aus- und Neubaumaßnahmen für den Spitzensport: die so genannte Traineroffensive, finanziert durch die Umschichtung von Haushaltsmitteln im Bereich des Leistungssports, die Gründung einer Stiftung „Olympianachwuchs Baden-Württemberg“, die Schaffung der Voraussetzungen für die Einrichtung von nunmehr vier Eliteschulen, der Kampf gegen das Doping im Sport mit der Zustiftung zur eingerichteten „Stiftung Nationale Anti-Doping-Agentur Deutschland“. Das sind Beschlüsse der letzten Jahre, verbunden mit einem dichten Netz leistungssportlicher Strukturen: 4 Olympiastützpunkte,

(Abg. Wieser CDU: Kapiert das die Auswahlkom- mission nicht?)

32 Bundesstützpunkte, 56 Landesleistungszentren, 160 Landesstützpunkte der Fachverbände, 4 000 Landeskaderathletinnen und -athleten, 800 Talentfördergruppen usw.

Was die berühmte dritte Sportstunde angeht, Frau Dederer: Sie haben meines Wissens gerade einen Brief von mir mit einer Anlage bekommen, nachdem Sie auch einen Beitrag in der Zeitschrift des Kultusministeriums geschrieben haben, in dem Sie dieses Thema – übrigens genauso wie Frau Rudolf – angesprochen haben. Sie wissen, dass wir in den letzten Jahren überdurchschnittlich viele Lehrerinnen und Lehrer mit dem Fach Sport eingestellt haben. Sie wissen, dass von der Deputatszuweisung her die dritte Sportstunde in Baden-Württemberg gesichert ist, und Sie wissen, dass sie da, wo sie in dem einen oder anderen Jahrgang nicht erteilt wird, in andere sport- und bewegungsfreundliche Programme, in Arbeitsgemeinschaften und andere gezielte Programme investiert wird.

An die Fraktion, die immer von der Autonomie der Schule spricht, gerichtet sage ich: Wenn das heute Morgen nicht nur ein andächtiges Schwärmen war, sondern mit Realität zu tun haben sollte, dann muss derjenige, der A zu Autonomie sagt, wenn er glaubwürdig bleiben will, auch B dazu sagen, dass Schule mit den Ressourcen, die sie hat,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Selbstständig umge- hen muss!)

selbstständig umgeht und es dann zu besonderen Akzenten kommt.

Das Gleiche, was ich zum Leistungssport, zur Sportinfrastruktur und zur Nachwuchsförderung sage, lässt sich auch zur Behindertensportkonzeption sagen. Auch hier gab es in den letzten Jahren viele Initiativen und einen aktiven Landesverband.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wer in hohem Maße olympiatauglich ist, hat am 12. April auch eine gute Chance. Die Einigkeit in Stuttgart und im ganzen Land sowie die Einigkeit zwischen allen vier Fraktionen dieses Hauses sind gute Begleiter für die Zeit bis zum 12. April. Die Einigkeit, die Begeisterung und die Kompetenz derer, die die Bewerbung gestalten, werden am 12. April nicht zu übersehen sein. Wir wollen Olympia. Wir wollen, dass die Olympischen Spiele und die Paralympics 2012 nach Stuttgart zu den Schwaben kommen,

(Abg. Fischer SPD: Und Badenern!)

die die Erfinder der La-Ola-Welle sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie der Abg. Heike Dederer GRÜNE – Abg. Wieser CDU: Oh! Ich schäme mich schon als Badener!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich gehe davon aus, dass der Antrag durch die so einmütig erfolgte Aussprache erledigt ist.

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Jawohl!)

(Stellv. Präsidentin Christa Vossschulte)

Sie stimmen der Erledigterklärung zu. Es ist so beschlossen.

Damit ist Tagesordnungspunkt 2 erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Gemeindefinanzreform rasch zum Abschluss bringen – Wege zur Konsolidierung der Kommunalfinanzen – beantragt von der Fraktion der CDU

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuelle Debatte eine Gesamtredezeitdauer von 40 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und die Redner in der zweiten Runde gilt eine Redezeit von jeweils fünf Minuten. Ich darf die Redner der Landesregierung bitten, sich ebenfalls nach dem vorgegebenen Zeitrahmen zu richten. Schließlich darf ich auf § 60 Abs. 4 der Geschäftsordnung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Birk.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe, die Reihen haben sich gelichtet. Viele sitzen erschöpft da, sind aber doch zufrieden, dass beim vorhergehenden Tagesordnungspunkt diese große Einigkeit zustande gekommen ist.

Wir kommen jetzt wieder zu einem Thema, das auch in der weiteren Entwicklung sicherlich sehr kontrovers diskutiert wird, nämlich die Gemeindefinanzreform, die wir rasch zum Abschluss bringen müssen. Dafür wurde ja auf der Bundesebene auch eine Kommission eingesetzt. Wenn man sich einmal anschaut, was in dieser Kommission bislang diskutiert worden ist und was an Vorschlägen der Bundesregierung auf dem Tisch liegt, dann muss man sich schon wundern, dass zunächst eine Kommission eingesetzt wurde und dann vom Bundeskanzler die entsprechenden Vorschläge nachgereicht werden, sodass man sich die Frage stellt, ob es eigentlich sinnvoll ist, überhaupt noch solche Kommissionen einzusetzen. Deshalb wollen wir uns kritisch damit beschäftigen. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt ist: Wir haben eine katastrophale Situation der kommunalen Haushalte. Schauen wir uns die Entwicklung der kommunalen Haushalte an: Der Finanzsaldo lag 1998 noch bei plus 2,15 Milliarden €, es gab also mehr Einnahmen als Ausgaben. 2002 gab es ein Defizit von 6,5 Milliarden €, und 2003 wird es ein Defizit von rund 8 Milliarden € geben. Das ist, glaube ich, in der Bundesrepublik Deutschland einmalig und wirkt sich natürlich vor Ort aus auf das Investitionsverhalten der Kommunen, auf die Frage der Unterhaltsfähigkeit von Einrichtungen in den Kommunen, ja auch auf die Frage, wie kommunale Eigenverantwortung und kommunale Gestaltung in Baden-Württemberg in Zukunft noch möglich sind.

Eine der Hauptursachen für diese Misere ist natürlich das Wegbrechen der Gewerbesteuer, immerhin – nach Abzug der Umlage – ein Minus von 11 %. Das verkraften die kommunalen Haushalte derzeit nicht mehr, auch angesichts der

Entwicklung, dass die Sozialausgaben ebenfalls aus dem Ruder laufen und somit, auch aufgrund gesetzgeberischer Regelungen, noch weitere Belastungen entstanden sind.

Ich denke, wir müssen uns wirklich intensiv darüber austauschen, wie eine faire Partnerschaft hinsichtlich der Belastungen, aber auch der Einnahmen über die Steuern seitens des Bundes, seitens der Länder und seitens der Kommunen wieder hergestellt werden kann.

In diesem Zusammenhang können wir auch Einigkeit darüber bekommen, dass wir die Kommunen zum Beispiel im Bereich der Sozialhilfe entlasten wollen, indem wir die Arbeitslosen- und die Sozialhilfe zusammenlegen. Dann brauchen die Kommunen dafür aber auch einen entsprechenden Ausgleich seitens des Bundes. Deshalb wird auch die Frage zu stellen sein, inwieweit der Bund bereit ist, einen vollen Ausgleich zu gewährleisten, oder ob er nur einen anteiligen Ausgleich gewährt.

Die zweite Frage wird sein: Wie können wir weiterhin eine stabile Einnahmesituation für die Kommunen ermöglichen? Die Stabilisierung der Einnahmen der Gemeinden ist das wesentliche Element im Hinblick auf die Weiterentwicklung der kommunalen Steuergesetzgebung. In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich schon die Frage, ob es sinnvoll ist, die Gewerbesteuer zu revitalisieren, wie es zum Beispiel von den kommunalen Spitzenverbänden, aber auch vom Land Nordrhein-Westfalen vorgeschlagen wird.

Wir halten aus mehrerlei Gründen nichts davon: Die Erweiterung der Bemessungsgrundlage auf Schuldzinsen, Mieten und Pachten führt eher dazu, dass es eine weitere Belastung gibt und dass die Wirtschaft, dass der Mittelstand weiterhin und noch stärker belastet wird. Ebenso erhebt sich die Frage, welcher Personenkreis in Zukunft für die Gewerbesteuer aufkommen soll: Sollen Freiberufler und Selbstständige einbezogen werden? Wir denken, das ist das falsche Signal. Wir wollen den Mittelstand, die Leistungsträger entlasten und nicht noch zusätzlich belasten.

Deshalb sprechen wir als CDU-Fraktion uns dafür aus, dass wir ein Zuschlagsmodell bekommen, das heißt, dass die Kommunen in Zukunft über einen Zuschlags- oder Hebesatz auf die Einkommensteuer selber entscheiden können, inwieweit sie davon Gebrauch machen wollen. Somit hätte die Einkommensteuer auch auf die Kommunen direkte Auswirkungen.

Wir versprechen uns davon mehr Wettbewerb zwischen den Kommunen, eine Verstetigung der Einnahmen der Kommunen und damit auch mehr Bürgernähe und eine weitere Steuergerechtigkeit in der Form, dass eine Kommune zum Beispiel zeitlich begrenzt, befristet für bestimmte Projekte, den Hebesatz des kommunalen Anteils der Einkommensteuer erhöhen kann und im Laufe der Zeit auch wieder abbauen kann.

Lassen Sie mich zum Abschluss kommen. Ich denke, die Vorschläge der Kommission, die auf den Tisch gelegt werden, müssen intensiv diskutiert werden. Wir sollten von der rot-grünen Bundesregierung keine zu starren Vorgaben für den kommunalen Bereich bekommen, die letztendlich eine Vorfestlegung für die Kommunen bedeuten. Denn die beste Kommission kann nichts bringen, wenn seitens der rot-grü

nen Bundesregierung bereits die Pflöcke eingerammt werden, ohne dass das Votum der kommunalen Spitzenverbände und auch der an dieser Finanzkommission Beteiligten abgewartet wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Seimetz CDU: Sehr gut!)