Wir sind der Ansicht, gegenüber Rechtsradikalismus und jeder Art totalitärer Ideologie müssen wir entschieden zusammenhalten und gegen jede Tendenz von Gewalt, gegen jede Tendenz, die Grundrechte zu bekämpfen, und gegen jede Tendenz, Demokratie und Freiheit zu bekämpfen, entschieden auftreten.
Da bin ich, glaube ich, mit allen in diesem Haus ganz solidarisch. Wir dürfen dabei keine Grenzen überschreiten. Es ist auch eine Kritik von mir an dieser Ausstellung, dass sie selbst diese Grenzen teilweise überschreitet.
Trotzdem müssen wir uns in dieser Republik abgewöhnen, dass wir Ausstellungen, die uns nicht passen, die wir für schlecht, falsch oder gar widerwärtig halten, einfach verbieten. Man hat in dieser Gesellschaft das Recht, auch widerwärtige und falsche Dinge darzustellen.
(Abg. Fleischer CDU: Das ist Libertinage, Herr Kollege! – Zuruf des Abg. Dr. Lasotta CDU – Un- ruhe)
das die Fraktion GRÜNE hat, und dazu möchte ich mich ausdrücklich bekennen. Darum muss ich, Herr Präsident,
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen, meine Herren! Gestern Vormittag hat uns die Einladung, die Nachricht über eine geplante Ausstellung erreicht, die heute um 13 Uhr, in der Mittagspause, im Haus der Abgeordneten in den Fraktionsräumen der Grünen stattfinden soll.
Damit das klar ist, sage ich: Die CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg legt Wert auf eine gute und offene Streitkultur. Wir haben in den letzten Jahren, meine ich, zwischen den vier demokratischen Parteien parlamentarisch-politisch auch eine gute Streitkultur mit gewissen Grundregeln gepflegt. Wir nehmen die Absicht, dass Sie diese Ausstellung durchführen wollen, hin. Wir beantragen kein Verbot.
Aber wir fordern Sie, Kollege Kretschmann, auf: Prüfen Sie nochmals nach! Prüfen Sie nochmals nach, ob diese Ausstellung, für die Sie als Veranstalter eine Mitverantwortung tragen, von der man sich nicht einfach distanzieren kann,
nicht die Kultur und die Grundlage unserer streitigen demokratischen Zusammenarbeit gröblich verletzt.
Um es klar zu sagen: Meinungsfreiheit ist eines der höchsten Güter, die der demokratische Rechtsstaat zu wahren hat. Genauso klar ist, dass Extremismus in jeglicher Form – Neofaschismus, Rechtsextremismus, aber auch Linksextremismus – für uns keinerlei Plattform der Zusammenarbeit bieten darf. Inhaltlich und formal ist eine klare Abgrenzung notwendig. Ich glaube, dass die CDU im Landtag von Baden-Württemberg dafür, auf keinem Auge blind zu sein, gegen rechte und linke Extremisten mit deutlicher Distanz auf Abstand zu gehen und ihre Politik anzuprangern, keinen Nachholbedarf hat. Wir bekennen uns zur Demokratie und auch zu einer streitbaren Demokratie, wenn es gegen extreme, wenn es gegen menschenverachtende, wenn es gegen demokratiefeindliche und wenn es gegen linke und rechte radikale Politik geht.
Wissen Sie, Kollege Kretschmann – dieser Schlenker sei mir erlaubt –: Wir nehmen auch hin, dass die Grünen einen
Bundesvorsitzenden gewählt haben – ein früherer Landtagskollege, den ich als intelligenten und sachkundigen Kollegen schätzen gelernt habe –, der jahrelang Mitglied der KHG und des KBW, der Maoisten und der Marxisten gewesen war. Das nehmen wir hin,
(Abg. Fleischer CDU: So ist es! Jawohl! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Es soll Ministerpräsidenten gegeben haben, die bei den Nazis gewesen sind!)
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ich sage nur „Filbin- ger“! – Gegenruf des Abg. Alfred Haas CDU: Ich sage nur „Palmer“! – Weitere Zurufe und Unruhe)
dass der billige und miserable Versuch gemacht wird, eine Grauzone zwischen konservativen Demokraten, zwischen Abgeordneten und Mandatsträgern der CDU und der SPD einerseits und dem rechtsextremen Bereich andererseits aufzubauen.
Damit komme ich ganz konkret zu der Ausstellung, die in diesen Stunden in Ihren Räumen aufgebaut und ab 13 Uhr wohl von Ihnen verantwortet werden wird. Ein Kapitel nennt sich „Feindbilder“, und unter „Feindbilder“ wird dann ein Zitat von Otto Schily gebracht. Ob die Aussage „Die Grenze der Belastbarkeit Deutschlands durch Zuwanderung ist überschritten“ richtig oder falsch ist, halte ich für sekundär. Aber Otto Schily zu unterstellen, dass er sich in seiner Funktion als sozialdemokratischer Innenminister in der Grauzone zum Rechtsextremismus bewegt, ist unverschämt.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der SPD – Abg. Birzele SPD: Deshalb haben Sie eine Missbilligung beantragt! – Abg. Herrmann CDU: Die SPD klatscht nicht! – Abg. Drexler SPD: Wir können uns selbst wehren! Es ist immer verdächtig, wenn Sie uns unterstützen! Wir kommen nachher zu Schloss Weikersheim! Nur Ruhe! – Abg. Alfred Haas CDU: Drexler dreht durch! – Große Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Dann werden Fotos über Informationsstände der ChristlichDemokratischen Union dargestellt. Und dann wird ein Plakat der CDU Nordrhein-Westfalen aus dem letzten Wahlkampf dargestellt. Über die Inhalte und die Strategie kann man füglich streiten. Das tun wir auch bei uns. Aber der entscheidende Punkt ist, dass der Veranstalter ganz gezielt, also nicht fahrlässig, den Versuch unternimmt, eine Grauzone zu behaupten, und Belege dafür in die Ausstellung bringt, wonach Christdemokraten und Sozialdemokraten in Mandat und Funktion im Netzwerk der Grauzone zum Rechtsextremismus aktiv sind. Dies ist im Grunde genommen ein Bruch der bisherigen Streitkultur im Landtag von Baden-Württemberg.
Unser Parlament hat zwei Phasen der Mitgliedschaft von rechtsextremen Parteien im Landtag erlebt, und zwar in den Sechzigerjahren die Mitgliedschaft der NPD und, für viele von uns noch nachvollziehbar, in den neun Jahren von 1992 bis 2001 die der Republikaner. Die Republikaner waren formal unter unserem gemeinsamen Dach im Haus der Abgeordneten, aber eine Zusammenarbeit hat es nicht gegeben. Die Christlich-Demokratische Union hat in diesen beiden Phasen den Nachweis erbracht, dass sie auf keinem Auge blind ist und dass für uns jegliches Taktieren, der Aufbau einer grauen Zone mit dem Rechtsextremismus, wo er sich parlamentarisch zeigt, nicht angezeigt ist, sondern dass eine formale Achtung da ist, wir aber die inhaltliche Abgrenzung in jeglicher Deutlichkeit nachweisen konnten.
Wir hätten es uns 1992 einfacher machen können. Die große Koalition war für uns ein schwerer Schritt. Es war keine schlechte Zeit, aber es war für uns ein schwerer parlamentarisch-politischer Schritt.
Wir haben nicht wie andere Parteien den Fehler gemacht, der Verlockung einer leichten linken Mehrheit zu erliegen – ich sage nur „PDS“ –, sondern wir haben gesagt: Demokraten gehören in die Gemeinsamkeit, und die Abgrenzung wird dann auf dem Prüfstand stehen, wenn sie sich konkret parlamentarisch zeigt. Wir haben die Abgrenzung neun Jahre ohne Wenn und Aber durchgehalten, jeder Kollege und jede Kollegin meiner Fraktion und die Ihrer Fraktionen ebenso.
Wenn in diesem Haus, dem Landtag von Baden-Württemberg, wo die Versuchung ja konkret gewesen war, wo die Rechtsradikalen mit uns unter einem Dach gewesen sind, also in demselben Gebäude, wo man diesen Nachweis erbracht hat, eine Ausstellung eröffnet wird, in der das Gegenteil behauptet wird, nenne ich dies unverschämt, unkollegial und im Grunde genommen eine Kultur unter aller Sau.
Kollege Kretschmann, Sie üben heute Morgen einen doppelten Spagat. Mir scheint, dass Sie hier Ihre Fraktion vertreten, von der Mehrheitsmeinung Ihrer Fraktion selber aber nicht hundertprozentig überzeugt sind. Das spürt man bei Ihnen.
Sie sind ein Politiker mit Blut und Emotionen. Bei Ihnen erkennt man – bei anderen auch; bei Ihnen stark, bei mir vielleicht auch –, ob Sie überzeugend und überzeugt argumentieren oder pflichtgemäß.
Das ist der eine Spagat. Der andere Spagat ist, dass Sie zu 80 % Ihrer Redezeit auf Distanz zur Ausstellung gingen. Nochmals: Wer eine Ausstellung hereinholt, wer Veranstalter ist, trägt auch für die Inhalte eine Mitverantwortung.