Protocol of the Session on December 11, 2002

(Zuruf des Abg. Dr. Lasotta CDU)

Ein Land, das eine vierstufige Schulverwaltung für richtig hält und nirgendwo Dezentralität erlaubt, kann sich nicht hinstellen und behaupten, bei Verkehrsverbünden ginge es ihm um Dezentralität.

(Abg. Wieser CDU: Bleiben Sie doch bei Ihrem Thema!)

Sie verweigern sich einfach der Verantwortung; das ist alles.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Seimetz CDU: Von der Schule hat er nicht so viel Ahnung! – Abg. Blenke CDU: Völlig daneben! Äpfel und Birnen in einen Topf!)

Sie können mir glauben, dass ich zur Kollegin Dederer ein gutes Verhältnis habe und auch mit ihr reden darf, auch über den Haushalt. Die Kollegin Dederer hat gegen dieses Modell keine Einwände erhoben – aus einem einfachen Grund. Der Grund lautet: Das Geld kommt vom Bund. Wir können dieses Geld im Landeshaushalt nicht umwidmen, wir können nichts einsparen. Das Geld steht zur Verfügung. Bisher sind Sie nicht in der Lage, es überhaupt auszugeben, weil jedes Jahr mehr übrig bleibt, als Sie bekommen. Deswegen ist ein Zusammenhang mit dem Haushalt oder dem Sparen im Land überhaupt nicht ersichtlich.

(Abg. Blenke CDU: Ihre Redezeit wird knapp! – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Palmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Scheuermann?

Bitte schön.

Bitte schön, Herr Abg. Scheuermann.

(Abg. Wieser CDU: Jetzt kommt die Prüfung!)

Herr Kollege Palmer, meine Zwischenfrage besteht aus drei Einzelfragen.

(Heiterkeit)

Ob ich noch so viel Redezeit habe, weiß ich nicht.

Erste Frage: Wer hat das neue Tarifsystem der Bahn erfunden und ins Werk gesetzt?

Zweite Frage: War Ihrer Meinung nach das Land an dieser neuen Tarifgestaltung beteiligt oder nicht?

Dritte Frage: Seit wann ist es denn Usus, dass jemand, der an der Tarifgestaltung nicht beteiligt war, hinterher die Nachteile ausgleichen soll?

(Beifall bei der CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! Bravo! Jetzt kommt die mündliche Prüfung!)

Herr Kollege Scheuermann, erstens: die DB AG. Zweitens: Das Land hat nichts damit zu tun. Drittens: In Hessen ist die Auswirkung gleich null, weil es dort große Verbünde gibt. Wir wollen nur Ihren Fehler der Zwergverbünde korrigieren. Derentwegen gibt es Auswirkungen in Baden-Württemberg und nirgendwo sonst.

Meine Redezeit ist lange aufgebraucht. Meine Damen und Herren, ich appelliere an Sie, wenigstens im nächsten Jahr, wenn die Protestwelle über uns hereinschwappt, nicht weiter auf Totalobstruktion zu fahren, sondern konkret zu berechnen, was unser Vorschlag bedeutet, und uns dann noch einmal darüber reden zu lassen. Den Kunden der Bahn würde es nur nützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schebesta.

Herr Kollege Palmer, niemand hier hat Auswirkungen verharmlost. Aber wenn Sie von Protestwelle sprechen und von etwas, das über uns hereinbricht, dann müssen Sie sich Zahlen anhören und diese auch sagen lassen über diejenigen, die die Bahncard, die Zeitkarten und die Verbundtarife im Bahnverkehr verwenden. Da müssen Sie sich halt sagen lassen, dass 80 % der Pendler Streckenzeitkarten haben und 60 % des Bahnverkehrs im Nahverkehr in den Verbünden stattfindet. Das hat nichts mit Verharmlosung zu tun, sondern damit, dass das diejenigen sind, auf die das Preissystem keine Auswirkungen hat.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP – Zurufe der Abg. Boris Palmer GRÜNE und Wieser CDU)

Das Zweite, Herr Kollege Palmer: Wer Verbundsysteme im öffentlichen Personennahverkehr mit der Schulverwaltung in unserem Land vergleicht

(Abg. Seimetz CDU: Der sollte sich sein Schulgeld zurückzahlen lassen!)

und davon spricht, dass aus dem Aufbau der Schulverwaltung Schlüsse hinsichtlich der Dezentralität im Tarifsystem zu ziehen wären, obwohl in beiden Bereichen völlig unterschiedliche Anforderungen bestehen, hat keine Ahnung.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wieser CDU: Der kann in die Bundesregierung eintreten! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wo set- zen Sie auf Dezentralität? Im Schulbereich doch nicht! – Abg. Wieser CDU: Das war ein Rohrkre- pierer, Herr Palmer! – Abg. Kübler CDU: Boris, lieber bei mir Rad fahren! – Heiterkeit)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Mappus.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe doch vorhin explizit gesagt, dass im Nahverkehr die Tarife durch das Land Baden-Württemberg genehmigungspflichtig sind.

(Abg. Kaufmann SPD: So ist es! Okay!)

Das hat niemand bestritten, Herr Kaufmann. Das ist völlig klar; das steht im Gesetz drin.

(Abg. Kaufmann SPD: Es geht ja nur darum, dass die die Zuständigkeit begreifen! Das müssen Sie in die Richtung sagen!)

Langsam, langsam! Immer der Reihe nach. – Wenn Sie – ob Kaufmann oder Palmer, ist in dem Fall gleichgültig – aber solche Tarife in dem Bereich genehmigen wollen, weil Sie sagen: „Wir brauchen einen anderen Tarif, der billiger ist“, dann ist es laut Gesetz auch klar, dass Sie den Differenzbetrag bezahlen. Da sind wir uns vielleicht auch noch einig.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ja, natürlich! 5 Milli- onen €!)

Jetzt will ich Ihnen einmal eines sagen, Herr Palmer: Sie treten überall auf und fordern mehr: Wir brauchen in unserem Ministerium mehr für die Radwege. Seit neuestem erreichen uns Briefe der Grünen: Wir brauchen mehr für den Straßenbau, wir brauchen mehr für die Bahn, wir brauchen mehr Lehrer, wir brauchen mehr Polizisten, wir brauchen von allem mehr. Gleichzeitig sind Sie diejenigen, die sagen: Wir schaffen die Nullverschuldung nicht. Das ist das eigentlich Miese an der ganzen Diskussion, dass Sie immer fordern, aber nicht sagen, wie Ihre Forderungen zu finanzieren sind. Darum geht es.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Die Bundesmittel stehen doch zur Verfügung!)

Jetzt zum Thema „Struktur der Tarifverbünde in BadenWürttemberg“. Meine Damen und Herren, wir haben in Baden-Württemberg das System – das hat seine Vorteile und zugegebenermaßen auch seine Nachteile –, dass wir kleinere Verbünde haben als manche andere Länder, weil wir den ÖPNV dezentraler organisiert haben. Der Vorteil ist: Das ist in vielen Bereichen effizienter. Der Nachteil ist: Bei der Tarifgestaltung haben Sie logischerweise nicht einen flächendeckenden Tarif wie beispielsweise in Hessen. Klar ist aber auch: In Hessen haben Sie natürlich die Situation, dass dann das Land die kompletten Durchtarifierungsverluste und alles, was damit verbunden ist, bezahlen muss. Das können Sie machen. Klar ist aber, dass zum einen das Geld dann an einer anderen Stelle fehlt, zum Beispiel für Investitionen, und dass das zum anderen in Baden-Württemberg gar nicht machbar ist, weil Sie die Zustimmung der Verkehrsverbünde dazu brauchen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Deswegen schlagen wir ja den Landesverbund als Alternativlösung vor!)

Sie können nicht par ordre du mufti oder per Gesetz einen einzigen großen Landestarif machen. Das geht nicht.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ja, in Ordnung!)

Das wollen wir im Übrigen auch gar nicht. Wenn Sie so mutig sind, dann gehen Sie mit Ihrer Partei in die einzelnen Kreistage, in die Gemeinderäte der Stadtkreise und setzen das einmal durch. Dabei wünsche ich Ihnen viel Vergnügen. Dann wollen wir mal sehen, wenn Sie zurückkommen, wie weit Sie gekommen sind.

(Beifall bei der CDU – Glocke des Präsidenten)

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Palmer?

Jawohl.

Bitte schön, Herr Palmer.

(Abg. Wieser CDU: Das hat aber doch keinen Wert!)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich Ihr Argument bereits akzeptiert habe, dass eine Verschmelzung der Verbünde auf die Schnelle nicht möglich ist, und deswegen einen konstruktiven Alternativvorschlag mache, wie dennoch die negativen Sonderwirkungen in unserem Land ausgeglichen werden können?

Herr Palmer, ich weiß nicht, ob Sie es nicht begreifen oder nicht begreifen wollen. Die Konsequenz dessen, was Sie fordern bzw. in der Vergangenheit unterlassen haben, weil die dezentrale Struktur zum Beispiel in dem Bereich, in dem ich politisch tätig war, im Übrigen auch mit Zustimmung der Grünen erfolgt ist, ist immer, dass wir es aus den Mitteln bezahlen sollen, die ohnehin knapp werden, weil sie unter dem Strich gekürzt wurden. Das ist die logische Konsequenz aus dem, was Sie fordern. Das wollen wir nicht, und wir machen es nicht, weil bereits in zwei Jahren die Regionalisierungsmittel zur Neige gehen und wir schon jetzt wissen, dass wir ohnehin nicht alle Projekte, die wir gerne umsetzen möchten, umsetzen können. Wenn ich das heute schon weiß, wäre es völlig widersinnig, Mittel zusätzlich für etwas auszugeben, dessen Ursache in diesem Fall beim Bund liegt und das wir bezahlen sollen. Das machen wir nicht.