Protocol of the Session on December 11, 2002

Erstens: Die musikalische Frühförderung im Kindergarten muss verbessert werden. Da haben wir einen erheblichen Nachholbedarf. Deshalb muss auch Wert darauf gelegt werden, wenn jetzt die Erzieherinnenausbildung reformiert wird,

(Abg. Wacker CDU: Das geschieht auch!)

dass musisch-künstlerische und auch didaktisch-methodische Fähigkeiten der Erzieherinnen einen hohen Stellenwert bekommen. In diesem Zusammenhang bedauere ich, dass die Reform der Erzieherinnenausbildung jetzt auf einem Schmalspurniveau stattfindet und keinesfalls dem europäischen Niveau entspricht.

Zweitens: Wir wollen musikbetonte Grundschulen. Dazu gehört nicht nur die Kooperation von Musikschulen und -vereinen mit Grundschulen, sondern dazu gehört – auch das haben meine Vorredner bereits gesagt – eine Ausweitung des Musikunterrichts und eine Weiterqualifizierung der Grundschullehrkräfte, sodass sie auch im rhythmisierten Unterrichtsvormittag mit Kindern singen, musikalische Bewegung, kleine Bestandteile von Instrumentalunterricht mit einbeziehen können, sodass wir nicht nur im Fachunterricht, sondern auch im allgemeinen Unterricht fächerübergreifend mehr Musikbildung in den Grundschulen bekommen.

Drittens – und das ist uns Grünen ein großes Anliegen –: Was den Schülern am Gymnasium recht ist, nämlich Musikprofile, wollen wir auch für die Hauptschulen. Es gibt viele Hauptschulen, die sich gerne zu Musikhauptschulen weiterentwickeln möchten – wir Grünen haben dazu schon einen Antrag eingebracht –, und bis heute gibt es hierfür keine Genehmigung. Österreich macht es uns vor, wie hervorragend dort die Musikhauptschulen funktionieren.

Jetzt ist es so, dass im Landkreis Karlsruhe eine Hauptschule für das LIPSA-Programm, nämlich für das lern-, interessen- und persönlichkeitsbildende Zusatzangebot, das Geld von der Kommune erhalten muss, damit sie die Musiklehrer einbeziehen kann. Ich denke, dies ist eine Pflichtaufgabe des Landes. Das Land muss die Mittel für LIPSA aus dem Lehrbeauftragtenprogramm bereitstellen. Wir wollen aber auch Hauptschulen mit Musikprofilen. Was für die anderen Schularten gilt, muss auch für die Hauptschule gelten. Denn die Hauptschüler haben den gleichen Anspruch auf ein gutes, vielfältiges und flexibles Bildungsangebot wie andere Schülerinnen und Schüler in diesem Bundesland auch.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Drautz FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Ministerin Schavan.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Große Anfrage hat eine Bilanz ermöglicht, die das Musikland Baden-Württemberg eindrucksvoll skizziert: im Hinblick auf den Anteil der Schulen und Musikschulen, im Hinblick auf den Anteil vieler, vieler Vereine im Bereich der Laienmusik, auch mit Blick auf das hohe Engagement, das dahinter steckt. Beispiele sind genannt. Selbstverständlich füge ich gerne hinzu: Nichts ist so gut, als dass es nicht besser werden könnte.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: So ist es, Frau Ministerin! So ist es!)

Das ist unsere Devise. Deshalb sind wir in vieler Hinsicht ein Musterland und wissen um die Probleme, die es gibt.

Meine Damen und Herren, Sie haben Zahlen genannt. Es sind insgesamt 27 000 Gruppen, die in irgendeiner Weise in diesem Musikland tätig sind, davon alleine 6 000 an unseren Schulen. Die 220 Musikschulen erleben nicht nur bei jedem „Jugend musiziert“-Konzert, sondern auch bei vielen anderen Gelegenheiten, dass sie wirklich so etwas wie eine Talentschmiede sind.

Wir haben – auch das ist in dieser Bilanz noch einmal nachzulesen – eine Reihe bereits zur Tradition gewordener schulmusikalischer Landesveranstaltungen. Wir haben als einziges Bundesland seit 1996 die Ausbildung von Schülerinnen und Schülern zu Musikmentoren. Die Musikprofile sind angesprochen. Und nicht zuletzt – auch wenn sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Drexler in der Etatdebatte Anfang des Jahres einmal sehr despektierlich darüber geäußert hat –: Wir haben das Bündnis „Singen mit Kindern“, das uns gerade im Hinblick auf den Grundschulbereich eine Menge neuer Impulse ermöglicht.

Ich gehe deshalb ganz kurz nur auf fünf, sechs Punkte ein, die hier auch genannt worden sind.

Stichwort Lehrerbildung: Das ist gerade im Blick auf die Weiterentwicklung der Grundschule die zentrale Frage. Denn die Stundentafel wird nicht nur nicht weiter erhöht werden, sondern Stundentafeln sind in der modernen Grundschule passé.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Sie sind wichtig für die Ressourcenberechnung, aber die moderne Grundschule – das wissen wir – arbeitet nach anderen Rhythmen. Deshalb ist die Frage: Wie schaffen wir es, dass angehende Lehrerinnen und Lehrer mit dem Schwerpunkt Grundschule auch als Klassenlehrer das umsetzen können, was wir dann nicht nur mit der bewegungs-, sondern auch mit der musikfreundlichen Grundschule meinen?

Ich habe eben zu Herrn Pfohl gesagt, ich hätte dies vor Jahren schon einmal vorgeschlagen. Damals habe ich nicht mehr als ein Schmunzeln erlebt. Stellen Sie sich einmal vor,

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

ich würde jetzt Herrn Kollegen Frankenberg im Zusammenhang mit den Auswahlverfahren an den Hochschulen sagen, wir sollten unter allen Bewerbern mit dem Schwerpunkt Grundschule

(Abg. Schmid SPD: Vorsingen!)

nur an diejenigen einen Studienplatz vergeben, die ein Instrument spielen. Diese Debatte und die ganzen Beiträge, die da kommen, kann ich mir schon selbst herbeireden.

Ich will damit sagen: Wenn man das wirklich so ernst und konsequent nimmt,

(Abg. Zeller SPD: Geht das auf Kultusministerebe- ne?)

dann muss man im Zweifelsfall auch zu sehr großer Verbindlichkeit etwa im Zusammenhang mit der Anzahl von Studienplätzen bereit sein. Ich sage Ihnen: Dadurch würde sich schlagartig eine völlig andere Situation ergeben. Denn ein Hauptproblem in der Lehrerbildung ist doch im Moment, dass ein Großteil – man sagte mir, das sei der größte Prozentsatz unter den PH-Studierenden, die aus anderen Bundesländern kommen, in denen man Musik frühzeitig abwählen kann – das Fach Musik abgewählt hat und sich deshalb natürlich auch schwer tut mit sehr einfachen Dingen, die wir eigentlich selbstverständlich zur Grundschule dazuzählen.

Aber ich nehme jetzt schon noch einmal mit auf, dass wir, denke ich, bei den Auswahlverfahren auch auf so etwas achten sollten.

Wir sollten aber beim Thema „Lehrer und Lehrerbildung“ auch sagen, dass es unter den 27 000 Musikgruppen in unserem Land Tausende gibt, die außerhalb der Schule von Musiklehrerinnen und -lehrern geleitet werden. Das heißt, das ganze Musikland Baden-Württemberg wäre ja nicht denkbar ohne das hohe Engagement der Schulmusikerinnen und Schulmusiker. Deshalb spreche ich sicher nicht nur für die Landesregierung, sondern auch für den Landtag, wenn ich sage: Unsere Schulmusikerinnen und Schulmusiker tragen wesentlich zu den großen Erfolgen und zu der tollen Begleitung und Förderung von Kindern und Jugendlichen bei. Ihnen gebührt ein wirklicher Dank für diese Arbeit.

(Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP/ DVP sowie Abgeordneten der SPD)

Nun sage ich noch ein Wort zur Finanzierung der Musikschulen. Herr Wintruff, es ist ja schön, wenn Sie sich da so echauffieren. Aber das war ziemlich unvorsichtig. Hinsichtlich der Förderung der Musikschulen nehme ich jetzt einmal die bundesweiten Zahlen aus dem Jahr 2000, die alle schon veröffentlicht sind. Das sind noch D-Mark-Beträge. Danach gab es in Baden-Württemberg 34,5 Millionen DM, in Bayern 17,65 Millionen DM, in Nordrhein-Westfalen – mein Lieblingsvergleich, das ist doch klar; das muss doch zitiert werden –

(Abg. Zeller SPD: Jetzt kommt es, ja! – Abg. Gö- schel SPD: Das ist das Wichtigste! Da kommt die Ministerin her!)

gab es 4,27 Millionen DM.

(Zurufe von der CDU: Oh! Pfui!)

Was noch interessanter ist: Die Förderung der Musikschulen – Frau Kollegin Rastätter hat das sehr viel vorsichtiger gesagt;

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Genau!)

man muss da wenigstens einen Halbsatz einbauen, dann ist man nicht so angreifbar;

(Abg. Pfister FDP/DVP zu Abg. Wintruff SPD: Pe- ter, da kannst du noch etwas lernen! Da kannst du noch etwas lernen, alter Hase!)

damit müssen Sie die Antwort auch einfach bekommen – in allen alten Bundesländern zusammen liegt bei 32,3 Millionen DM und damit unter der Förderung in Baden-Württemberg. Jetzt könnte ich ganz salopp sagen: „Man kann sicher sein: Dort, wo die SPD regiert, gibt es nichts oder kaum etwas für die Musikschulen, wie man an dieser Verteilung sieht.“ Ich tue das ja gar nicht. Ich könnte es aber tun.

(Zurufe von der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Unruhe)

Ich sage es ja gar nicht. Aber ich könnte es sagen. Aber es ist jetzt schon so spät, und ich will Sie ja nicht aufhalten.

(Unruhe – Abg. Wintruff SPD meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke der Präsidentin)

Ich will nur sagen – –

Frau Ministerin!

Nein. Die Frau Ministerin redet jetzt zu Ende. Dann kommen alle schneller nach Hause.

(Abg. Wintruff SPD: Ich hätte Ihnen jetzt eine un- angenehme Frage gestellt!)

Jetzt lasse ich ihm das Vergnügen doch noch.

Ist Ihnen bekannt, Frau Ministerin, dass es fünf Bundesländer gibt, in denen die Höhe der Musikschulförderung über der in Baden-Württemberg liegt?

Als Zweites würde ich Sie fragen: Wenn Sie hier die Gesamtkosten in Baden-Württemberg so in den Vordergrund stellen, dann sollten Sie das nur im Zusammenhang tun, weil andere Länder bereits in der Grundschule das Doppelte für Musikunterricht ausgeben.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Mehr als das Doppelte! – Abg. Zeller SPD: Sehr gute Frage!)

Das war jetzt wirklich eine ganz scharfe Frage.

(Abg. Wintruff SPD: Stimmt aber! – Abg. Zeller SPD: Eine gute Frage, nicht scharf! – Heiterkeit)