Weniger die Erziehungsbeteiligung der Männer nimmt zu, sondern die Berufstätigkeit der Frauen. Hier liegen Defizite, die Handeln und vor allem Bewusstseinsbildung erfordern. Auch dies ist uns – in Eintracht mit Ihnen allen – ein wichtiges Anliegen.
Aber, meine Damen und Herren, die Freiheit der Lebensentwürfe ist uns auch wichtig. Das Bundesverfassungsgericht hat erst – und ich wiederhole das –
klargestellt, dass Gleichberechtigung heißt, ein Leben ohne geschlechterspezifische Diskriminierung zu ermöglichen. Individualität muss möglich sein. In der Familienpolitik heißt
das, nicht eine Rolle zu fördern, sondern beiden Partnern die Wahl zu ermöglichen, welche Rollen sie wahrnehmen wollen. Hausarbeit und Erwerbstätigkeit müssen gleichberechtigt nebeneinander stehen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, wer Küche und Kinder in Wahlwerbespots der Lächerlichkeit anheim gibt,
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Drexler: Wer hat das ge- macht?)
(Abg. Birzele SPD: Birk soll ruhig sein! Der war nicht bei der Anhörung! – Abg. Drexler SPD: Zei- gen Sie mir das Plakat!)
Meine Damen und Herren, mir ist klar, dass Sie nervös werden, wenn Sie mit unangenehmen Tatsachen konfrontiert werden.
Wer Kinderbetreuungskosten absetzbar macht, dieses Angebot aber nur den Berufstätigen macht, der tritt das Gebot des Verfassungsgerichts, Individualität zu ermöglichen und keine Politik für bestimmte Gruppen zu machen, mit Füßen.
Wer Berufstätigkeit von Frauen fördern will, aber durch das Bürokratiemonster eines 325-€-Gesetzes vielen Frauen einen Zuerwerb erschwert,
Wer das Schaffen von Arbeitsplätzen im Haushalt nicht für förderungswürdig hält, die steuerliche Absetzbarkeit ab
schafft und damit viele Frauen, die auf eine Beschäftigung in haushaltsnahen Dienstleistungen angewiesen sind, in die Schwarzarbeit schickt – so ist es doch –
nur, meine Damen und Herren, weil man sich bei der ständigen Förderung der Neidgesellschaft auf dem richtigen Weg wähnt und diese Arbeitsmöglichkeit unter dem Titel „Dienstmädchenprivileg“ an der Sache vorbei diskriminiert, der ist in der Frauenförderung unglaubwürdig,
Meine Damen und Herren, Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau zu fördern, Wahlfreiheit in den Lebensentwürfen zu ermöglichen, den Wunsch vieler Frauen heutzutage nach beruflicher Entwicklung mit Kindern und Familie zu unterstützen, aber auch andere Lebensentwürfe gelten zu lassen und sie nicht zu disqualifizieren, das ist der Kernpunkt der pragmatischen Frauenförderung, wie sie von unserer Fraktion vertreten wird und auch im vorliegenden Antrag zum Ausdruck kommt.
Ich denke, meine Damen und Herren, wir sind – ganz ohne Schaum vor dem Mund – noch nicht am Ziel, aber auf einem guten Weg.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Zunächst möchte auch ich einen herzlichen Gruß an die vielen Gäste aussprechen, die heute zu diesem Frauenplenartag gekommen sind. Mein besonderer Dank gilt den Abgeordneten aller Fraktionen, die heute diesen Frauenplenartag veranstalten. Ich denke, dies ist ein ganz besonderes Zeichen dafür – und die Resonanz zeigt es auch –, dass wir doch einen entscheidenden Schritt vorangehen. Vielleicht ist das Datum Fügung, vielleicht Zufall. Ich will nicht mehr groß auf die Historie eingehen – das haben viele Vorrednerinnen und Vorredner schon getan –, aber so viel: Am 13. November 1918 wurde den Frauen das passive und das aktive Wahlrecht zugestanden.
Ich will auch nicht mehr alles wiederholen. Jedoch so viel: Es hat vier Generationen gedauert, die rechtliche Gleichstellung durchzusetzen, Gleichstellung bei Bildung und Wahl
recht, Recht auf Erwerbstätigkeit, Sorgerecht, Verankerung der Gleichstellung im Grundgesetz – bis zum heutigen Stand, wo wir an einem Punkt angekommen sind, an dem wir sagen: Die rechtliche Gleichberechtigung hinkt immer noch der tatsächlichen Gleichberechtigung hinterher.
Es ist heute schon richtig zitiert worden: Die tatsächliche Gleichberechtigung durchzusetzen ist eine Aufgabe des Staates. Ich denke, dass der heutige Tag ganz eindeutig darstellt, dass wir mit der Doppelstrategie, die wir fahren, nämlich zum einen die spezifische Frauenförderung dort, wo Defizite sind, weiterhin voranzutreiben und zum anderen die Chancengleichheit von Frauen und Männern durchzusetzen, und mit dem Gedanken des Gender Mainstreaming die richtigen und notwendigen Instrumente haben. Denn auch die rechtliche Gleichberechtigung wurde ja nur mit den Stimmen der Männer ermöglicht, auch wenn die Frauen dazu die Initiative ergriffen haben. Die Betroffenheit gibt immer eine andere Sichtweise. Und es ist heute nach wie vor notwendig, dass Frauen dort, wo Defizite sind, die Initiative ergreifen. Denn nur das eigene Problembewusstsein befördert ein Thema nach vorne. Aber es muss mit den Stimmen der Männer geschehen, damit wir die tatsächliche Durchsetzung auch erreichen. Ich will, wie es heute schon alle gesagt haben, gleiche Chancen von Frauen und Männern in der Gesellschaft, in der Arbeitswelt und in der Familie. Das muss natürlich heißen, dass das Ziel der Chancengleichheit die Männer nicht ausgrenzt, sondern Frauen und Männer gleichermaßen mit einbezieht.
Wir sollten uns heute vielleicht einmal ersparen, obwohl wir unterschiedliche Standpunkte haben, zu sehr in Hüben und Drüben, in Opposition und Regierungsseite zu verfallen,
Beispielsweise besteht erst dann Chancengleichheit, wenn Frauen sich nicht mehr zwischen Karriere und Familie entscheiden müssen.