Protocol of the Session on October 16, 2002

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 31. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und heiße Sie hier in Freiburg herzlich willkommen.

Wir haben uns in einem wahrhaft geschichtsträchtigen Gebäude versammelt, in dessen langer Vita es fast nur eine Facette ist, dass hier von 1946 bis 1952 zunächst die Beratende Landesversammlung Baden und dann der Badische Landtag eine angemessene Adresse und vor allem ein Dach über dem Kopf hatte.

Mein besonderer Dank gilt deshalb dem Hausherrn, also Ihnen, Herr Oberbürgermeister Dr. Salomon, und natürlich auch Ihrem Amtsvorgänger, Herrn Oberbürgermeister a. D. Dr. Böhme, dass Sie uns die Möglichkeit eröffnet haben, heute und morgen an diesem eindrucksvollen Originalschauplatz der parlamentarischen Nachkriegsgeschichte im deutschen Südwesten zu tagen.

Der Landtag von Baden-Württemberg kann sich auf diese Weise unmittelbar und authentisch zu seiner südbadischen Wurzel bekennen.

Mein Dank schließt natürlich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Freiburger Stadtverwaltung ein, die die Landtagsverwaltung in der Vorbereitungsphase sehr engagiert und tatkräftig unterstützt haben und die bis morgen Abend mit dafür sorgen werden, dass unsere Sitzungen auch ohne die gewohnte Infrastruktur reibungslos verlaufen.

Wir freuen uns besonders, dass einige Ehrengäste unserer Sitzung beiwohnen, denen ich meinen herzlichen Willkommensgruß entbiete.

Namentlich begrüßen möchte ich unseren ehemaligen Kollegen, Herrn Oberbürgermeister Dr. Dieter Salomon, mit den Dezernenten der Stadt Freiburg und den Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderats.

(Lebhafter Beifall bei allen Fraktionen)

Ich begrüße die Herren Weihbischöfe Dr. Wehrle und Dr. Uhl mit den weiteren Vertretern der Kirchen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Herzlich willkommen heiße ich Herrn Regierungspräsidenten Dr. Sven von Ungern-Sternberg, die ehemalige Ministerin Frau Gerdi Staiblin und den früheren Staatssekretär und Kollegen Ludger Reddemann sowie Herrn Professor Feuchte.

(Lebhafter Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren, dass die dritte Auflage unserer auswärtigen Plenarsitzungen aufgrund der Sommerpause und der Bundestagswahl in einem gewissen Abstand zu den vielfältigen offiziellen Veranstaltungen anlässlich unseres Landesjubiläums stattfindet, ist weder eine Zurücksetzung noch eine Abwertung. Im Gegenteil, die Zäsur hilft uns, die spezifische Bedeutung des Nachkriegslandes Baden für den Weg zur Landesgründung und – nachwirkend – für die innere Entwicklung Baden-Württembergs so wahrzunehmen, wie sie wahrgenommen werden muss – also nicht holzschnittartig, nicht in den oberflächlichen Kategorien von Sieg und Niederlage verharrend, sondern mit einem differenzierenden Blick auf die Feinheiten und mit der Bereitschaft, den damaligen Akteuren und ihrem zutiefst politischen Impetus Gerechtigkeit angedeihen zu lassen.

Der Kampf gegen den Südweststaat war nämlich nicht Ausdruck einer billigen Heimatverklärung oder eines kleingeistigen, kurzsichtigen Sektierertums. Leo Wohleb und seine Mitstreiter dachten politisch strikt vom einzelnen Menschen her. Sie bewegte die Frage, welche Strukturen das Wohl des Einzelnen im nationalen und im europäischen Rahmen am besten gewährleisten würden. Sie sahen in kleinen Gemeinwesen die richtige Antwort auf die Gefahren des Massenzeitalters. Es ging ihnen um praktizierte Subsidiarität anstelle des Denkens in – aus ihrer Sicht – zu großen Einheiten.

Leo Wohleb und seine Mitstreiter wollten ihr politisch-historisches Heimatempfinden nicht bloß kulturell bewahren; sie wollten es innerhalb der verfassten Ordnung auch politisch entfalten. Auch wenn sie die großen Chancen und die konstruktiven inneren Prozesse des Südweststaats falsch einschätzten, so liegt vieles von dem, was sie im Kern bewegte, durchaus nahe bei dem, was wir Heutigen angesichts der Globalisierung und Ökonomisierung unseres Lebens denken, fühlen und politisch wollen.

Selbstredend ist es äußerst problematisch, in historischen Betrachtungen zu fragen: „Was wäre gewesen, wenn...?“ Trotzdem darf man der Meinung sein, dass das Wort vom „Modellfall deutscher Möglichkeiten“ nicht so schnell hätte geprägt werden können, wenn die Fusion der drei Nachkriegsländer völlig leidenschaftslos verlaufen wäre. Denn die Befürworter der Dreierfusion mussten sich angesichts des wortmächtigen und passionierten argumentativen Widerstands mit besonderer Deutlichkeit verpflichten, für eine gerechte Entwicklung des Landes zu sorgen.

Das blieb nicht ohne Wirkung: Die einen konnten darauf pochen; die anderen mussten sich konkret daran messen lassen, was ihnen sehr bewusst war. So gab es im Landtag

(Präsident Straub)

Debatten, bei denen die württembergischen Abgeordneten ausdrücklich beweisen wollten, wie ernst sie es meinten mit den Hilfen für die von der Landeshauptstadt entfernten Teile, insbesondere für den südbadischen Raum.

Meine Damen und Herren, unsere beiden Plenartage hier in Freiburg sollen aber auch deutlich machen, dass man das politisch-parlamentarische Leben des Nachkriegslandes Baden in der Rückschau nicht auf die Auseinandersetzung um die Länderneugliederung verengen darf.

Hunger, Abholzung der Wälder, Demontagen: Die in Regierung und Parlament Verantwortlichen hatten vor allem die Aufgabe, für die leid- und notgeprüfte Bevölkerung das Möglichste zu tun und ihr eine Perspektive zu vermitteln. Gerade Leo Wohleb erwies sich dabei nicht als doktrinär, sondern als handfeste und sozial denkende Persönlichkeit. Gleiches gilt für die anderen herausragenden Köpfe jener Phase: Fritz Schieler und Richard Jäckle, Anton Dichtel und Karl Person, Georg Menges und Paul Waeldin – um nur sechs zu nennen.

Das Bundesland Baden besaß eine sehr fortschrittliche Sozialgesetzgebung, namentlich für die Kriegsopferversorgung und die betriebliche Mitbestimmung. Das Zentralabitur wurde praktiziert, und durch die Festlegung auf die „Simultanschulen mit christlichem Charakter im überlieferten badischen Sinn“ fand man ein zeitgemäßes Muster für den erstrebten Kulturföderalismus.

Dem Nachkriegsland Baden die Reverenz zu erweisen muss auch einschließen, ein realistisches Urteil über die Besatzungsmacht Frankreich zu fällen. Natürlich: Das Leben in der französischen Besatzungszone war – auch und gerade hier in Südbaden – besonders hart und kärglich. Aber: Frankreich war selbst ein geschundenes, ausgeblutetes und innerlich zerrissenes Land, und die Franzosen betrachteten den einstigen Feind verständlicherweise kritisch, ja misstrauisch.

Die Idee der deutsch-französischen Freundschaft hatte also keine guten Startvoraussetzungen, aber sie behauptete sich dennoch. Nicht zuletzt die ererbte badische Fähigkeit zum unbefangenen Umgang mit der Grenze bewirkte, dass das Nachkriegsland Baden die Vorreiterrolle in der gedeihlichen Entwicklung des Verhältnisses zu Frankreich übernahm. Schon 1946 wurde hier in Freiburg das erste Institut Français eröffnet. Denn eines vernachlässigte Frankreich trotz aller eigenen Probleme nicht: die Kulturpolitik bis hin zur frühen Begründung des Jugendaustauschs.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend feststellen: Das Nachkriegsland Baden und alle, die zwischen 1945 und 1952 in Legislative und Exekutive politische Verantwortung trugen, haben es in hohem Maße verdient, dass wir uns mit Hochachtung und Dankbarkeit an diese Phase unserer Landesgeschichte erinnern.

(Beifall im ganzen Haus)

Meine Damen und Herren, wir nehmen jetzt die Arbeit auf.

Urlaub habe ich für heute Herrn Abg. Reichardt und Herrn Abg. Teßmer erteilt.

Krank sind gemeldet Frau Abg. Queitsch, Herr Abg. Kurz und Frau Abg. Wonnay.

Dienstlich verhindert sind Herr Minister Köberle und Herr Staatssekretär Mappus.

Meine Damen und Herren, der Landeswahlleiter hat mir mit Schreiben vom 14. August 2002 mitgeteilt, dass das Mandat des ausgeschiedenen Kollegen Dr. Puchta auf Herrn Alfred Winkler übergegangen ist. Herr Alfred Winkler hat die Wahl am 14. August 2002 angenommen und daher mit Wirkung von diesem Tag an die rechtliche Stellung eines Abgeordneten des 13. Landtags von Baden-Württemberg erworben.

(Beifall im ganzen Haus)

Mit Schreiben vom 30. August 2002 hat der Landeswahlleiter außerdem mitgeteilt, dass das Mandat des ausgeschiedenen Kollegen Dr. Salomon auf Frau Edith Sitzmann übergegangen ist. Sie hat die Wahl am 30. August 2002 angenommen und daher ebenfalls mit Wirkung von diesem Tag an die rechtliche Stellung einer Abgeordneten des 13. Landtags von Baden-Württemberg erworben.

Frau Kollegin Sitzmann und Herr Kollege Winkler, ich darf Sie beide im Namen des Hauses sehr herzlich willkommen heißen und Ihnen für Ihre Tätigkeit als Abgeordnete viel Erfolg wünschen.

(Beifall im ganzen Haus)

Meine Damen und Herren, nach § 6 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags der Landesstiftung Baden-Württemberg gGmbH kann der Gesellschafter von ihm entsandte Mitglieder des Aufsichtsrats aus wichtigem Grund abberufen. Ein Mitglied des Aufsichtsrats soll aus wichtigem Grund abberufen werden, wenn es im Hinblick auf eine bestimmte Tätigkeit, Stellung und Qualifikation entsandt wurde und diese entfällt. Nachdem Herr Abg. Dr. Dieter Salomon aus dem Landtag ausgeschieden ist und die Mandatsniederlegung ein wichtiger Grund für die Abberufung als Mitglied des Aufsichtsrats der Stiftung darstellt, hat der Finanzminister mit Schreiben vom 1. August 2002 gebeten, die Benennung eines neuen Mitglieds durch den Landtag zu veranlassen. Die Fraktion GRÜNE hat in Absprache mit der Fraktion der SPD, der an sich dieser Sitz zusteht, für Herrn Dr. Salomon Frau Abg. Heike Dederer als Nachfolgerin für den Aufsichtsrat der Landesstiftung vorgeschlagen.

Ich darf davon ausgehen, dass diesem Wahlvorschlag Zustimmung erteilt wird. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Meine Damen und Herren, auf Ihren Tischen finden Sie eine Vorschlagsliste der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE für Umbesetzungen in verschiedenen Ausschüssen (Anlagen 1 und 2). – Es erhebt sich kein Widerspruch. Ich stelle fest, dass Sie den vorgeschlagenen Umbesetzungen zustimmen.

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen ebenfalls vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu.

(Präsident Straub)

Im Eingang befinden sich:

1. Mitteilung des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport vom 23. Juli 2002 – Entwurf einer Änderung der Verordnung über die Schultypen des Gymnasiums – Drucksache 13/1234

Überweisung an den Ausschuss für Schule, Jugend und Sport

2. Mitteilung des Finanzministeriums vom 1. August 2002 – Vierteljährliche Unterrichtung über Steuereingänge und Staatsausgaben (Beschlüsse des Landtags vom 15. März 1973, Drucksache 6/1993, und vom 20. Dezember 1973, Drucksache 6/3910 Ziffer II Nr. 6) ; Haushaltsjahr 2002 (Januar bis Juni) – Drucksache 13/1237

Kenntnisnahme, keine Ausschussüberweisung

3. Mitteilung der Landesregierung vom 22. August 2002 – Der Europäische Konvent nach seinem ersten Drittel – Zwischenbilanz und Ausblick – Drucksache 13/1278

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

4. Antrag des Rechnungshofs vom 28. August 2002 – Prüfung der Rechnung des Rechnungshofs (Einzelplan 11) für das Haushaltsjahr 2000 durch den Landtag – Drucksache 13/1282

Überweisung an den Finanzausschuss

5. Mitteilung der Landesregierung vom 16. September 2002 – Information über Staatsvertragsentwürfe; hier: Entwurf eines Staatsvertrages über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staats- vertrag – JMStV) – Drucksache 13/1320

Überweisung an den Ständigen Ausschuss