Herr Kollege Witzel und Herr Kollege Hausmann, wer es nach vier Jahren Regierungsverantwortung immer noch nötig hat, auf Versäumnisse von Vorgängerregierungen hinzuweisen, der kann in den vier Jahren nicht viel geleistet haben.
dass eine Reihe der Vorschläge, die jetzt von der HartzKommission gemacht werden, wie Herr Kollege Theurer gesagt hat ich greife einmal das Thema der Zumutbarkeit heraus, das jetzt erfreulicherweise eine Rolle spielt , vor wenigen Jahren von Ihnen als Teufelszeug, Turbokapitalis
Deshalb ist es doch überhaupt keine Frage, meine Damen und Herren, dass man sich über die Vorschläge der HartzKommission unterhält, die ja längst diskutiert werden. Von Ihrer Seite ist doch vorzeitig in die Öffentlichkeit gebracht worden, welche Vorschläge die Hartz-Kommission macht. Aber entscheidend wichtig ist doch: Wir brauchen nicht die 53. Kommission, sondern müssen endlich einmal das umsetzen, was Ihnen zuvor schon x Kommissionen in Gutachten mit auf den Weg gegeben haben.
Natürlich gehen einige Punkte nicht weit genug. Manche sind gänzlich ausgeklammert. Warum wird in einer so entscheidenden Kommission, die für die nächsten Jahre das auf den Weg bringen soll, was unbedingt gemacht werden muss, zum Beispiel die gesamte Tarifdiskussion ausgeklammert? Warum wird ausgeklammert, dass das Günstigkeitsprinzip neu diskutiert werden muss? Es muss doch möglich sein, wenn in einem Betrieb 75 % der Beschäftigten damit einverstanden sind, dass von Tarifvereinbarungen abgewichen werden kann, um Arbeits- und Ausbildungsplätze zu sichern, dass dies dann gilt und nicht von Gewerkschaftsfunktionären verboten wird. Das wäre einmal ein entscheidender Punkt, um tatsächlich einen Schritt voranzukommen.
Es geht doch nicht darum, so wie Sie das wollen, das Arbeitslosenmanagement zu verbessern. Wir wollen, dass die Rahmenbedingungen verbessert werden, damit mehr Menschen in Lohn und Brot kommen. Das ist der entscheidende Unterschied, meine Damen und Herren. Wir kümmern uns darum.
Gehen wir einmal der Reihe nach einige Vorschläge durch. Wenn man sagt, es mache Sinn, die Zahlung des Arbeitslosengelds wie bis 1985 auf zwölf Monate zu begrenzen und es eben nicht bis maximal 32 Monate zu gewähren, dann kann man nicht davon reden, Kollegen von der SPD und den Grünen, das sei Sozialabbau oder unzumutbar. Ich zitiere Ihnen mit Genehmigung des Präsidenten vielmehr Herrn Gerster:
Wir wissen aus vielen wissenschaftlichen Untersuchungen, dass eine lange Bezugsdauer sozialer Leistungen Arbeitslosigkeit verfestigt. Viele Erwerbslose beginnen erst gegen Ende der Leistung, intensiv nach einer Stelle zu suchen. Lange Leistungen nähren die Illusion, man könne in Ruhe Angebote prüfen und im Zweifel auf das bessere warten. Je länger jemand arbeitslos ist, desto schwieriger wird es aber, ihn in Arbeit zu bringen.
Deswegen ist die Verkürzung auf zwölf Monate richtig und liegt im Interesse derer, die einen Arbeitsplatz suchen, und stellt keinen Sozialabbau dar.
Warum ist es nicht möglich, darüber offen zu diskutieren? Für kleine mittelständische Betriebe hängt das Thema Kündigungsschutz natürlich auch mit der Frage zusammen, ob sie einstellen oder nicht. In jahrelangen Erfahrungen haben sich gut gemeinte Schutzvorschriften als Einstellungshemmnis erwiesen. Solche Vorschriften müssen abgebaut werden, damit eingestellt wird und eben nicht in dem Maß Überstunden geleistet werden, wie es jetzt der Fall ist.
Ich komme auf den nächsten Punkt zu sprechen, den Niedriglohnsektor. Herr Kollege Nagel, was hat es denn gebracht?
Sie können es doch statistisch nachprüfen. Sie sind bei den 630-DM-Jobs heruntergefahren und haben darum herum eine Riesenbürokratie aufgebaut. Die Zahl dieser Jobs ist rasant gesunken, während das Ausmaß der Schwarzarbeit gigantisch gestiegen ist. So sehen Ihre Zahlen in der Realität aus, meine Damen und Herren.
Weil wir einen Schuss mehr Flexibilität brauchen, wollen wir zurück zur alten 630-DM-Regelung, jetzt zu einer 630--Regelung. Da reicht auch die 400--Regelung nicht.
Scheinselbstständigkeit: Wie kann man eigentlich in ein und demselben Atemzug sagen: Wir brauchen wieder mehr Selbstständige, wir brauchen eine Kultur der Gründer und der Gründerinnen, während man dies durch die unselige Scheinselbstständigenregelung fortgesetzt verhindert?
Es ist das Normalste auf der Welt, dass jemand, der sich selbstständig macht, a) zunächst einmal allein arbeitet und b) dass er über einen längeren Zeitraum e i n e n Auftraggeber hat. Darüber ist er froh. Er wird heute als scheinselbstständig bezeichnet. Das bedeutet, ihm wird eine solche Existenzgründung unmöglich gemacht. Deswegen muss diese Scheinselbstständigenregelung wieder abgeschafft werden, damit wir bei uns mehr Gründungsmöglichkeiten bekommen.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Bereich, in dem wir Beschäftigungsmöglichkeiten hätten. Darüber sind Sie in
der Diskussion hinweggegangen Überschrift Sozialneid, Stichwort Dienstmädchenprivileg. Warum lassen Sie denn nicht zu, dass der Aufwand für diejenigen, die in Privathaushalten Arbeiten verrichten, steuerlich absetzbar ist, damit eine reguläre Arbeit getätigt werden kann? Das wäre zum Vorteil derer, die eine solche Arbeit anbieten, und zum Vorteil derer, die diese Arbeit nachfragen. Führen Sie das wieder ein, damit wir in diesem Bereich wieder Beschäftigung bekommen, meine Damen und Herren.
Im Zusammenhang mit Deregulierung und Entbürokratisierung brauchen Sie uns weiß Gott nichts zu sagen. Wir haben im Wirtschaftsministerium seit langem einen Bürokratiekosten-TÜV, der mittlerweile in dreistelliger Höhe überflüssige Regularien abgeschafft und statistische Erhebungen reduziert hat. Nur: Wenn wir die entscheidenden Punkte wirklich angehen wollen, kommt die Kritik meistens aus Berlin, und es wird von dort gesagt, man brauche die betreffenden Erhebungen. Sie blockieren weiteren Bürokratieabbau, während wir ihn weiter vorantreiben wollen, meine Damen und Herren.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen, der in der gesamten Diskussion bedauerlicherweise völlig zu kurz kommt. Das ist die Problematik der über 50-Jährigen, die arbeitslos sind. Ich will keine Gesellschaft, in der man einem 52-Jährigen, einem 53-Jährigen dann, wenn er arbeitslos wird, auf den Kopf zusagt: Für dich wars das jetzt. Um diese Personen müssen wir uns besonders kümmern. Dazu liegen keine Vorschläge vor. Auch dabei wird es darum gehen, die so genannten Senioritätsprivilegien auf den Prüfstand zu stellen. Sie müssen abgeschafft werden, damit auch der 55-Jährige wieder eine Einstellungschance hat. Das ist der entscheidende Punkt, den wir meiner Meinung nach angehen müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich will ein Weiteres nennen, was ich für außerordentlich brisant halte: Das sind die theorie-, die lernschwachen Jugendlichen. Auch dazu kann ich nirgends Bemühungen erkennen.
Ich will einem 16-, 17-Jährigen nicht sagen, weil er einen Schulabschluss nicht erreicht: Mit dir fangen wir jetzt nichts an. Vielmehr will ich für diejenigen, die sich im theoretischen Bereich schwerer tun, mehr Werkerausbildungsmöglichkeiten anbieten. Geben Sie den Widerstand dagegen auf. Dann haben diese Jugendlichen eine wesentlich bessere Chance, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Deswegen: Strich drunter. Nehmen Sie die Vorschläge der Hartz-Kommission, nehmen Sie die Vorschläge des früheren Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, bei denen noch ein kleines bisschen, um es vorsichtig zu sagen, nämlich die Finanzierung
(Abg. Schmiedel SPD: Was? Sie haben doch ge- sagt, das sei ein Dampfplauderer! Zuruf des Abg. Drexler SPD)
Herr Schmiedel, warten Sie doch einmal ab. Bis jetzt fehlt ja noch einiges an Finanzierungsvorschlägen. Führen Sie das zusammen, und gehen Sie mutig auch an die Dinge heran, die erledigt werden müssen. Es wird bei einer Größenordnung von über 4 Millionen Arbeitslosen keine Lösung geben, wenn wir nicht auch Maßnahmen ergreifen, die an der einen oder anderen Stelle wehtun. Wer meint, allen wohl tun und niemandem einen Schmerz zufügen zu müssen, wird keine Ergebnisse erzielen können, mit denen sich die Arbeitslosigkeit wirksam abbauen lässt, meine Damen und Herren.