Protocol of the Session on June 20, 2002

(Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Das ist tatsächlich ein Ausstieg aus der Verantwortung für benachteiligte Jugendliche und Langzeitarbeitslose, und das ist ein Skandal.

(Beifall des Abg. Rudolf Hausmann SPD Abg. Rudolf Hausmann SPD: Jawohl, das ist ein Skan- dal! Genau so ist es!)

Ich erinnere an die großen Worte und Ankündigungen vor einem Jahr im Hinblick auf die Reduzierung der Jugendund Langzeitarbeitslosigkeit, ich verweise auf die Koalitionsvereinbarung ich zitiere jetzt einmal daraus :

Die Landesregierung trägt mit einer guten Bildung und Ausbildung dazu bei, dass junge Menschen gute Chancen am Arbeitsmarkt haben. Sie wird darüber hinaus die flankierenden Maßnahmen zur Integration jugendlicher Arbeitsloser mit Ausbildungsdefiziten oder sozialen Problemen sowie Langzeitarbeitsloser und Schwerbehinderter in den ersten Arbeitsmarkt fortsetzen.

Nun muss man feststellen, dass das, was Sie jetzt gemacht haben, diesen Ankündigungen überhaupt nicht entspricht: Versprochen und schon nach einem Jahr gebrochen. Sie haben den Leuten nur Versprechungen gemacht. Wir haben auch erlebt, dass dafür ziemlich fadenscheinige Argumente angeführt werden. Vorhin haben wir das auch wieder festgestellt. Zum einen ist es ein fadenscheiniges Argument, dass die ESF-Mittel den Ausfall ersetzen könnten. Das stimmt überhaupt nicht, da die ESF-Mittel nur als Kofinanzierungsmittel benutzt werden können; wenn das Land seine Mittel reduziert, werden auch die ESF-Mittel reduziert. Zum anderen geht es um das Thema Evaluieren, das Herr Kollege Noll gerade angesprochen hat. Mich erstaunt schon, dass man ein Programm jetzt evaluieren will, nachdem man es gekürzt hat. Das ist die völlig falsche Reihenfolge.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Normalerweise nimmt man zuerst eine Evaluation vor, und nach dem Vorliegen der Ergebnisse kann man dann sagen: So und so stimmt es nicht, und dann kann man kürzen. So herum wird ein Schuh daraus.

Das Neueste, was man jetzt immer hört, ist, dass die Bundespolitik und das Programm JUMP unsere Programme überflüssig gemacht hätten. Auch dieses Argument trifft nicht zu. JUMP hat eine völlig andere Zielgruppe. JUMP setzt auf Qualifizierung, JUMP setzt tatsächlich auf jene Jugendliche, die man sehr schnell für den ersten Arbeitsmarkt qualifizieren kann. Man kann zwar sagen, dass man einen zweiten Arbeitsmarkt ablehne oder ihn nicht gut finde, aber man muss zur Kenntnis nehmen, dass es diesen zweiten Arbeitsmarkt gibt.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das bestreitet ja nie- mand!)

Die Zielgruppe der beiden Landesprogramme „Arbeit und Zukunft für Langzeitarbeitslose“ und „Jugend Arbeit Zukunft“ sind Personen mit besonderen Problemen auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere Jugendliche mit Bildungsdefiziten, gering qualifizierte Frauen und ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Diese Zielgruppe wird mit JUMP zum größten Teil nicht erreicht. Deshalb brauchen wir nach wie vor Programme, die unterhalb des JUMP-Programms angesiedelt sind. Viele dieser Projekte finanzieren sich mit Geldern aus den Landesprogrammen. Das sind keine Gelder, die aus der Landesstiftung kommen, sondern Gelder, die ganz normal im Doppelhaushaltsplan enthalten waren. Deshalb ist das Argument, dass dies Landesstiftungsgelder seien, falsch.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: „Jugend Arbeit Zu- kunft“ habe ich gemeint!)

Für viele Projekte, die sich mit Geldern aus den Landesprogrammen finanziert haben, ist die Landesförderung als Kofinanzierungsteil überlebenswichtig.

Der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist auch in BadenWürttemberg nach wie vor hoch. Wie haben eine strukturell verfestigte Arbeitslosigkeit. Sozialminister Dr. Repnik fordert nun die Arbeitgeber dazu auf, wie der Presse zu

entnehmen war, weniger gut qualifizierten Schulabgängern doch eine Chance zu geben. Dies ist ein ziemlich scheinheiliges Argument und zeugt nicht gerade von großer Einsatzfreude und Innovation. Statt Berechenbarkeit und verlässlicher Übernahme

(Abg. Fleischer CDU: Aber das ist doch auch wichtig!)

von Verantwortung wird die Last der Finanzierung dieser Projekte nun wieder auf die Kommunen abgewälzt.

(Abg. Fleischer CDU: Aufmuntern!)

So sollte verlässliche Landespolitik nicht mit den Partnern umgehen.

(Abg. Fleischer CDU: Alle zusammen! Ja, ja, oje!)

Ich möchte zum Schluss noch ein Thema ansprechen, das heute noch nicht angesprochen worden ist: Das ist die Umsetzung des Gender Mainstreaming. Wenn es um den Zugang zum Arbeitsmarkt, um berufliche Aufstiegschancen oder um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht, sind die Chancen zwischen Frauen und Männern nach wie vor nicht gerecht verteilt. Deshalb wird in den Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedsstaaten der EU seit 1999 eine Verstärkung der Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern gefordert. Leider ist dieser Gender-Mainstreaming-Ansatz im ESF-Verfahren bei der Landesregierung zwar rhetorisch angekommen, aber noch nicht in der Praxis. Auch in den regionalen ESF-Arbeitskreisen besteht nach wie vor keine oder nur eine ganz geringe Sensibilisierung für die Gender-Mainstreaming-Strategie.

Was heißt das? Die Anwendung des Prinzips des Gender Mainstreaming bedeutet, dass alle Projektanträge einen erkennbaren Beitrag zur Gleichstellung von Frauen und Männern leisten müssen. Auf diese Weise sollen bestehende strukturelle Ungleichheiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt abgebaut bzw. ausgeglichen werden. Die bisherige Praxis dazu kann vielleicht Frau Staatssekretärin Lichy nachher etwas sagen bei der Umsetzung und Bewilligung lässt jedoch in Baden-Württemberg noch sehr zu wünschen übrig. Bis heute ist unklar, nach welchen Kriterien das Sozial- bzw. das Wirtschaftsministerium bzw. die L-Bank die eingehenden Anträge beurteilt und entscheidet. Unklar ist auch, wie auf der Steuerungsebene dafür gesorgt wird, dass dieser Gender-Mainstreaming-Ansatz tatsächlich praktiziert wird.

Schließlich ist die verpflichtende Einbeziehung von Frauenbeauftragten oder -vertreterinnen, die nicht in allen Arbeitskreisen gewährleistet ist, ein Problem. Dazu möchte ich Ihnen einen konkreten Fall aus Konstanz schildern. Die Konstanzer Frauenbeauftragte, die ausdrücklich zu den Mitgliedern des regionalen Arbeitskreises gehört und auch von verschiedenen Organisationen zur Übernahme dieser Funktion aufgefordert worden ist, ist bis heute noch nicht ein einziges Mal zu einer Arbeitskreissitzung eingeladen worden, weil der verantwortliche Regierungspräsident seit Jahren die Notwendigkeit einer Frauenbeauftragten infrage stellt. Ähnliche Fälle gibt es mehr.

(Unruhe bei der CDU Abg. Boris Palmer GRÜ- NE zur CDU: Ihr solltet ihr zuhören! Das ist euer Problem!)

Das heißt, da besteht nach wie vor ein großer Handlungsbedarf. Gender-Trainings sind vom Sozialministerium für nächstes Jahr angekündigt. Warum macht man diese nicht schon in diesem Jahr? Und: Müssen nicht die Regierungspräsidien und Regierungspräsidenten ganz dringend so ein Gender-Training bekommen?

(Beifall bei den Grünen und der SPD Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP Abg. Ruth Wecken- mann SPD: Du hast welche vergessen! Die Kolle- gen bräuchten es auch! Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Das Wort erteile ich Frau Staatssekretärin Lichy.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es war ja schon heute früh das ist auch hier noch einmal angeklungen zu befürchten, dass wir eine Stellvertreterdiskussion führen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Da meinen Sie jetzt den Wieser, gell?)

Nein. Aber die Opposition lenkt ab

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Auf der Bundesebe- ne, jawohl! Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ja, ja!)

von ihrer eigentlichen Verantwortung für den Arbeitsmarkt und will hier beim Land Versäumnisse anprangern, für die wir absolut nicht zuständig sind.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Die Tricksereien vom Wieser meinen Sie, sonst nichts!)

Jetzt komme ich der Reihe nach zu den Anfragen und Anträgen, wie Sie sie gestellt haben und wie sie unser Haus auch beantwortet hat.

Zunächst einmal zu der Großen Anfrage der Fraktion der SPD. Ich möchte vorneweg feststellen: Für den Arbeitsmarkt ist primär der Bund zuständig.

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Das hat auch nie- mand bestritten!)

Alles, was das Land mit seinen Programmen gemacht hat, waren und sind freiwillige Leistungen: In den Zeiten der schwierigen Arbeitsmarktsituation haben wir dort, wo der Bund verantwortlich ist, im Land strukturierende Maßnahmen ergriffen, um mit den Problemen fertig zu werden. Wir haben mit den Landesprogrammen auch maßgeblich bei den Kommunen, die in diesem Themenbereich sowie mit der beruflichen Eingliederung von Sozialhilfeempfängern sehr schwer belastet sind, und auch bei den arbeitslosen Jugendlichen in besonderen Problemlagen angesetzt.

Wir haben uns trotz unumgänglicher Kürzungen wir alle haben die Zielvorgabe der Nullverschuldung im Landeshaushalt beschlossen keineswegs aus den Programmen zurückgezogen. Das sind Programme, die sich auf den

(Staatssekretärin Johanna Lichy)

zweiten Arbeitsmarkt beziehen. Wir mussten kürzen, haben aber Maßnahmen, die auch für die strukturelle und die zukünftige Entwicklung wichtig sind, beibehalten. Ich möchte nur ein paar Stichpunkte nennen: das berufspraktische Jahr, die Aktionen „Jugend und Computer“ des Landesprogramms „Jugend Arbeit Zukunft“, das nach wie vor besteht,

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Ja, ja! Babyformat!)

und auch das Landesprogramm „Arbeit und Zukunft für Langzeitarbeitslose“. Wir haben ja heute früh schon ausführlich über diesen Themenbereich gesprochen.

Darüber hinaus haben wir auch da wird einiges miteinander vermischt die Kofinanzierungsmittel des Landes zu den Mitteln des Europäischen Sozialfonds ausgeweitet. Denn auch in der Zielbeschreibung der ESF-Mittel wird ganz primär die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt, aber auch die Qualifizierung und die Prävention festgestellt.

Hier haben wir landespolitisch angesetzt. Wir haben zum Beispiel im präventiven Bereich und da ist es notwendig; wir haben doch alle die Defizite erkannt, die bei Jugendlichen, die die schulischen Abschlüsse nicht haben, bestehen Maßnahmen ergriffen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Genau!)

Ich möchte an die Programme „Jugendsozialarbeit an den Schulen“ erinnern, die früher ansetzen. Wir haben bei den Kinderbetreuungen angesetzt, damit die Vereinbarkeitsfrage besser geregelt wird. Das sind präventive Maßnahmen, die sich auch arbeitsmarktpolitisch auswirken.

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Hier leistet das Land wirklich wertvolle Hilfen, um eben dieses Ziel zu erreichen.

Dann muss ich noch einmal ganz deutlich sagen heute früh gab es ja schon diese Diskussion : Die eigentliche Verantwortung trägt der Bund. Wir haben Herr Abg. Wieser hat es gesagt

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Ja wo ist er denn?)

beispielsweise im Arbeitsmarktbereich des produzierenden Gewerbes im Land, wo wir sehr stark waren, wegen der strukturellen Umbrüche neue Arbeitsplätze in den innovativen Bereichen, in den zukunftsträchtigen Bereichen, in den Dienstleistungsbereichen geschaffen. Wir haben als Land nicht nur einen großen Zuzug gemeistert, die Leute in den Arbeitsmarkt integriert, sondern Baden-Württemberg ist heute ob Ihnen die Zahlen gefallen oder nicht; ich habe es heute früh schon einmal gesagt neben Bayern mit 5,2 % das Land mit den Bestmarken in der Arbeitslosigkeit.