Protocol of the Session on June 19, 2002

Fakt ist: Es gibt Bereiche, in denen das Prüfungsamt festgestellt hat: Durch das Verhalten der Beteiligten wurde gegen Rechtsvorschriften verstoßen. Dazu gehört zum Beispiel auch die in dem Antrag angesprochene Verschaffung von Vorteilen durch die Annahme von Geschenken, durch verbilligte Freizeitaufenthalte in einer Rehabilitationsklinik sowie beim Erwerb von Einrichtungsgegenständen für private Zwecke zu deutlich verminderten Preisen. Das hat das Prüfungsamt festgestellt.

Dazu gehört auch, dass bei der Umsetzung eines Nachtragshaushalts haushaltsrechtliche Vorschriften nicht beachtet wurden. Wir sprechen von diesen 5 Millionen DM an die Kliniken, die für uns nicht so ersichtlich waren, weil sie mit strukturpolitischen Maßnahmen begründet worden sind.

Weiter wurde festgestellt, dass die frühere LVA Württemberg jahrelang signifikant überhöhte Zuführungen in das Sondervermögen zur Sicherstellung künftig entstehender Versorgungsleistungen getätigt hat. Die Mittel, die den gesetzlich notwendigen Zuführungsbedarf überstiegen, hätten jedoch für den Finanzausgleich zwischen den Trägern der Landesversicherungen bereitgestellt werden müssen. Auch das ist ein Verstoß gegen zwingende Rechtsvorschriften. Da haben wir natürlich schon rechtzeitig remonstriert: Es gab mindestens drei Schreiben und mehrere Gespräche:

Am 4. Dezember 2001 gab es ein Aufsichtsschreiben des Sozialministeriums an die LVA mit diesem Hinweis.

Am 7. Dezember 2001 kam es sogar zu einem Eklat bei der Vertreterversammlung der Landesversicherungsanstalt, weil unser Abteilungsleiter Zach deutlich darauf hingewiesen hat. Es gab einen Eklat. Es hat hinterher auch eine Gesprächsrunde gegeben. Er hat darauf hingewiesen.

Am 11. Januar 2001 gab es wiederum vom Ministerium ein Schreiben an den Vorstand der Landesversicherungsanstalt, er solle zur Ausgestaltung der Versorgungsrücklage Stellung nehmen. Die Äußerung wurde noch einmal bekräftigt.

Am 21. Januar 2002 hat der Vorstandsvorsitzende mich angeschrieben und gemeint, er könne eine andere gutachterliche Stellungnahme gegen die Rechtsauffassung des Hauses abgeben.

Am 15. Februar 2002 habe ich den Herrn Vorstandsvorsitzenden noch einmal angeschrieben und habe gesagt, wir lägen richtig, sie würden falsch handeln, sie sollten das endlich bereinigen.

Am 28. Februar 2002 ist dieses Thema im Ministerium erneut angesprochen worden. Inzwischen wird das Geld zurücküberwiesen.

Wir haben darauf hingewiesen, und zwar rechtzeitig und auch deutlich.

(Minister Dr. Repnik)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, entgegen den Darstellungen der Landesversicherungsanstalt gab es für ein solches Vorgehen den Verstoß gegen die Rechtsvorschriften keine Rückendeckung und keine Genehmigung des Sozialministeriums. Das Gegenteil ist der Fall. Ich habe jetzt gerade darauf hingewiesen.

(Abg. Capezzuto SPD: Aha!)

Die Untersuchungen des Prüfungsamts haben aber auch zu Entlastungen geführt, um einmal etwas Positives zu sagen. So wurde unter anderem wiederholt behauptet, die Zuweisung von Rehabilitanten zu den Rehakliniken der früheren LVA Württemberg erfolge rein willkürlich, nach Gutsherrenart.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das sagen die immer wieder!)

So werde von der Geschäftsführung ohne Heranziehung ärztlicher Kompetenz nach sachfremden Erwägungen entschieden. Hierzu hat das Prüfungsamt festgestellt: Die Belegungssteuerung ist nicht ausschließlich über die Geschäftsführung erfolgt, sondern unter Mitwirkung von Ärzten und der zuständigen Fachabteilung. Allerdings muss ich hierbei sagen: Da hätte natürlich eine viel weiter gehende Prüfung erfolgen müssen, um das endgültig abzuschließen. Aber gezielte Bevorzugungen oder Benachteiligungen einzelner Kliniken waren in dieser Prüfung nicht erkennbar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dem Antrag der Grünen ist auch die Frage gestellt worden, ob die Aufsicht also wir ihrer Rolle und ihren Aufgaben gerecht geworden sei. Dies kann ich auch aus heutiger Sicht nochmals mit einem klaren Ja beantworten. Wir haben stets diejenigen Maßnahmen und Schritte ergriffen, die natürlich nach dem verfügbaren Kenntnisstand auch geboten waren. Der Vorwurf, die Aufsicht wäre zu lange untätig gewesen und hätte dem Treiben der LVA nur zugesehen oder geschlafen, ist daher aus der Luft gegriffen. Sie entbehrt jeder Grundlage.

Das Sozialministerium hat seit dem Jahre 2001 die Rechtsaufsicht über die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg und auch über die frühere LVA Württemberg. Es hat in diesem Rahmen darauf zu achten, dass vom Versicherungsträger das Gesetz und sonstiges Recht eingehalten werden. Ansonsten ist das eine Aufgabe der Selbstverwaltung. Aber um festzustellen, ob Rechtsverstöße stattgefunden haben, war das Sozialministerium nach Bekanntwerden der Vorwürfe gehalten, eine umfassende Sachverhaltsaufklärung durchzuführen. Zunächst sollte dies die LVA vornehmen. Weil uns das nicht genügt hat, ist im Wege einer Sonderprüfung durch das Prüfungsamt inzwischen eine Sachverhaltsaufklärung erfolgt.

Der nächste Schritt liegt für das Ministerium jetzt darin, den Bericht des Prüfungsamts so wie Sie auch sorgfältig auszuwerten. Aus dem Blickwinkel der Aufsicht sind dann die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Wesentliche Maßnahmen haben wir bereits eingeleitet.

So haben wir es als unsere Pflicht als Aufsichtsbehörde angesehen, die Staatsanwaltschaft über Rechtsverstöße zu in

formieren, und zwar über solche Verstöße, die von einer gewissen Erheblichkeit sind und deren strafrechtliche Relevanz deshalb nicht ausgeschlossen werden kann. Der Staatsanwaltschaft wird deshalb auch der Prüfbericht übergeben. Die Staatsanwaltschaft hat zwischenzeitlich Ermittlungen aufgenommen. Das Verfahren wird jetzt also den gesetzlich vorgesehenen Verlauf nehmen. Dies ist für mich im Augenblick vorrangig.

Im Hinblick auf diese laufenden Ermittlungen werde ich mich deshalb zu den Feststellungen im Prüfbericht derzeit nicht abschließend äußern. Dasselbe gilt hinsichtlich einer Bewertung aus der Sicht der Aufsichtsbehörde.

Was die Forderung der Grünen nach Vorlage des Prüfberichts anbelangt, habe ich schon gesagt: Nach Prüfung der datenschutzrechtlichen Voraussetzungen werde ich diesen Bericht in den nächsten Tagen auch dem Sozialausschuss zukommen lassen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Sehr gut! Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Noll?

Bitte, gern.

Entschuldigung, Herr Minister, ich habe Sie akustisch nicht richtig verstanden. Ist der Antrag der Kollegin Lösch nach Ihrer mündlichen Zusage angenommen oder nicht?

Sie können darüber abstimmen oder nicht. Ich werde auf jeden Fall egal, wie die Abstimmung ausgeht dem Sozialausschuss den Prüfbericht übergeben.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Danke! Abg. Ca- pezzuto SPD: Das ist ein feiner Zug!)

Ja, sicher. Wenn das überall schon in der Öffentlichkeit diskutiert wird, dann haben die Abgeordneten das Recht, zumindest auch diesen Bericht zu haben. Das meine ich zumindest.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Danke schön! Zurufe der Abg. Alfred Haas CDU und Capezzuto SPD Abg. Zimmermann CDU: Jetzt erst recht!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich betone an dieser Stelle noch einmal deutlich: Die Aufarbeitung der gegen einzelne Personen erhobenen Vorwürfe und die Festlegung der notwendigen Konsequenzen

(Abg. Alfred Haas CDU zu Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Was steht denn drin in dem Bericht? Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE Wei- tere Zu- und Gegenrufe der Abg. Alfred Haas CDU und Brigitte Lösch GRÜNE Zuruf von der SPD: Kein Respekt, der Haas!)

Wenn ihr so weit seid, kann ich weiterreden.

(Minister Dr. Repnik)

(Abg. Capezzuto SPD: Jetzt hat er den Minister beleidigt! Den eigenen Minister! Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Nein.

Die Aufarbeitung der gegen einzelne Personen erhobenen Vorwürfe und die Festlegung der notwendigen Konsequenzen ist in erster Linie natürlich Aufgabe der LVA BadenWürttemberg und ihrer Selbstverwaltung. Seit dem 1. Januar 2001 ist mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Errichtung der LVA Baden-Württemberg die Dienstaufsicht des Sozialministeriums über die LVA entfallen. Sie liegt nunmehr hinsichtlich der Geschäftsführung beim Vorsitzenden des Vorstands. Die dort Zuständigen müssen handeln. Aus diesem Grund hat die LVA nach Auswertung des Prüfberichts eigenständig über etwaige Konsequenzen und geeignete Schritte zu befinden. So weit ist das auch klar.

Am Montag dieser Woche hat der Vorstand beschlossen, dem Antrag des Ersten Direktors auf Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens gegen sich selbst stattzugeben. Dieses wird natürlich ausgesetzt, weil im Augenblick ja die Staatsanwaltschaft ermittelt. Des Weiteren wird der Erste Direktor von seinen Dienstgeschäften freigestellt mit der Maßgabe, dass er sich ausschließlich der Aufarbeitung der im Prüfbericht erhobenen Vorwürfe so weit widmen soll, wie sie sich nicht mit ihm selbst beschäftigen. Die Geschäftsführung haben ab sofort die beiden Stellvertreter. Der Erste Direktor erhält rechtliches Gehör und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31. August 2000

(Abg. Gustav-Adolf Haas SPD: 2002!)

2002; Herr Haas, danke schön unter Einbeziehung der Frage des von ihm beabsichtigten Ausscheidens aus dem Dienst bis zum 30. Januar 2003.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir das Sozialministerium werden uns nach dieser Stellungnahme am 31. August 2002 entscheiden, ob diese Sie sagten: „weiche“ Maßnahme die richtige ist oder ob wir nicht nach dem SGB IV dann je nachdem, wie sich die Vorwürfe bekräftigen von einer Amtsentbindung Gebrauch machen sollten. Wir werden dies dann gemeinsam besprechen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zusammenfassend sollte man aber doch wirklich das Positive sagen nicht zu diesem Bericht und nicht zu dieser Affäre, sondern das Positive über die LVA. Die LVA Baden-Württemberg ist ein Erfolgsmodell. Die Feststellungen des Prüfungsamts sind unerfreulich und besorgniserregend, und sie sind im Augenblick leider auch störend bei der weiteren Fortentwicklung der LVA Baden-Württemberg. Es wird Zeit, dass dieses Kapitel abgeschlossen wird und dass die LVA Baden-Württemberg in der Tat wieder in ein ruhiges Fahrwasser kommt, damit sie sich in Ruhe weiterentwickeln kann. Um die LVA Baden-Württemberg werden wir von sehr, sehr vielen Bundesländern beneidet. Das soll auch so bleiben.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Lösch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin Herrn Sozialminister Repnik sehr dankbar für die Worte, die er gesprochen hat. Er hat nämlich tatsächlich aufgezeigt, was bisher in der Prüfung alles herausgekommen ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Lasotta CDU)

Ich möchte meinem Kollegen Haas und meinem Kollegen Noll doch noch einmal in drei Worten zu erklären versuchen, dass ich die Selbstverwaltung nicht abschaffen will, sondern dass es mir darum ging,

(Abg. Döpper CDU: Wir nehmen die Entschuldi- gung an!)

zu schauen, wie man ein Kontrollsystem, wie man eine Aufsichtspflicht hinbekommt, die solche Geschehnisse, die es gab, im Vorfeld aufklären könnte. Das ist das einzige Ziel, nicht die Abschaffung der Selbstverwaltung. Aber man sieht doch, dass die Kontrollfunktion so nicht ausgeübt werden konnte, weil es sonst nicht so weit hätte kommen können, wie es jetzt ist.