Protocol of the Session on April 17, 2002

Nein, ich glaube, Sie werfen jetzt eine Menge Zahlen durcheinander. Sie haben doch überhaupt keine Erfahrungswerte, ob die Kinder, die nicht in einen Kindergarten gehen, die gleichen Kinder sind, die am Ende sprachliche Defizite haben.

(Zurufe der Abg. Christine Rudolf und Zeller SPD)

Nein, das wissen Sie nicht. Darüber gibt es in Deutschland keine Erhebungen.

(Abg. Wintruff SPD: Doch, bei den ausländischen Kindern ist das so!)

Wir haben Erhebungen von medizinischen Fakultäten von den Schuleingangsuntersuchungen und gehen davon aus, dass etwa 20 % der Kinder am Schulbeginn eine sprachverzögerte Entwicklung haben. Wie viel Prozent davon nun auf die Gruppe derer, die nicht in einen Kindergarten gingen, entfallen, ist nicht ausdifferenziert. Das wissen Sie auch.

Noch einmal gesagt: Bislang ist in Deutschland viel über das Spielen im Kindergarten diskutiert worden. Ich erinnere mich noch sehr gut an öffentliche Diskussionen, bei denen man großen Protest erfahren hat, wenn man sagte: Die Zeit vor der Schule, die Kindergartenzeit ist eine wichtige Zeit für Kinder, um auch etwas zu lernen, um Sprachanwendung zu fördern und darauf zu achten, dass Sprache sich gut entwickelt. Geben wir doch bitte alle miteinander zu, dass jetzt, nach Veröffentlichung der Ergebnisse der PISA-Studie, plötzlich alle den Kindergarten als einen Ort des Lernens entdecken. Bislang war es von vielen abgelehnt worden, das Wort Lernen und damit verbundene Förderung überhaupt in den Mund zu nehmen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das Kind soll spie- len! Abg. Carla Bregenzer SPD: Reden Sie von Ihrer eigenen Partei? Zuruf der Abg. Margot Queitsch SPD Weitere Zurufe)

Ich bin hier beschimpft worden, weil ich Fünfjährige einschulen wollte und ihnen damit die Kindheit „versaue“. Deshalb: Diese Zeit ist wichtig.

Wir haben gewisse Voraussetzungen geschaffen. Wir stehen im Kontakt mit den entsprechenden Partnerinstitutionen. Wir werden in diesem Bereich eine sehr viel stärkere Kooperation mit den Kinderärzten brauchen, die übrigens auch sehr wichtige Ansprechpartner junger Familien sind. Dann werden wir davon bin ich überzeugt gut vorankommen. Der Kindergartenbereich ist der eine Schwerpunkt.

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

Der zweite Schwerpunkt ebenso bedeutsam , an dem Bildungs- und Lebenschancen eng miteinander verknüpft sind, ist der Bereich des beruflichen Schulwesens. Ich nenne als Stichworte: Praktikerzüge, Kooperation, Berufsvorbereitungsjahr Hauptschule, Berufsvorbereitungsjahr mit 21 Wochenstunden Deutschunterricht ein ganz wesentliches Angebot vor allem für diejenigen, für die auch in diesem Alter die Sprache immer noch ein Hindernis ist.

Ich nenne auch Frau Rastätter hat es gesagt die positive Wahrnehmung von Fähigkeiten, die ausländische Kinder und Jugendliche haben. Ich habe die Zahlen gerade bekommen: Wir haben bereits in diesem Schuljahr zum Beispiel in Stuttgart einen großen Zulauf bei der Zertifizierung der muttersprachlichen Fertigkeiten. Davon machen viele Gebrauch. Wir werden diese Zertifizierung in bis zu 13 Sprachen zulassen.

Wenn wir über die entsprechenden Schulen sprechen, sollten wir uns abgewöhnen, eine Schule, weil sie über einen hohen Ausländeranteil verfügt, automatisch in die Rolle der sozialen Brennpunktschule zu bringen. Erstens stimmt das überhaupt nicht immer. Zweitens wird auch im Hinblick auf die interkulturelle Erziehung interessant werden, wo wir in den nächsten Jahren noch zusätzlich Akzente setzen, sodass man sagen kann: Dies ist eine internationale Schule, in der die Sprachen eine große Rolle spielen und in der ganz spezifische Förderung der Kinder eine große Rolle spielt.

Daher mein Fazit ich werde Ihnen jetzt nicht alle Zahlen vortragen, die in der Beantwortung der Großen Anfrage stehen : Wir sind auf einem guten Weg mit zwei Schwerpunkten. Der erste Schwerpunkt liegt im vorschulischen Bereich und in der Grundschule mit Verstetigung der Kooperation bei übrigens zurückgehenden Zahlen der ausländischen Jugendlichen, der ausländischen Schüler und Schülerinnen insgesamt schon in den letzten Jahren. Der zweite Schwerpunkt ist, dass wir an der Nahtstelle von Schule und Beruf alles daransetzen und das setzt manchmal sehr unkonventionelle Wege voraus , dass die Schüler und Schülerinnen zu einem Abschluss kommen und vom Abschluss in eine Lehrstelle.

In diesem Zusammenhang rate ich uns sehr, die Förderschule nicht auch in so eine asoziale Ecke zu stellen.

(Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Die Förderschule ist das, was wir in anderen Ländern hoch loben als Förderkonzept für kleinste Gruppen, manchmal nur vorübergehend, mit der Möglichkeit, selbstverständlich auch einen Hauptschulabschluss zu erwerben oder auf eine andere Schule zu gehen. Also weitere Ausdifferenzierung von Förderkonzepten.

Die einzelnen Länderberichte, die jedes Bundesland im Herbst bekommen wird, werden uns die Chance geben, genauer zu analysieren, welches Förderkonzept trägt und welches Förderkonzept, in das wir vielleicht Hoffnungen gesetzt haben, nicht den Ertrag gebracht hat, den wir uns versprochen hatten. Deshalb rate ich uns, nach Vorlage dieser differenzierten Berichte noch einmal genauer zu untersuchen: Gibt es noch Stellen in unserem gesamten Bildungswesen, an denen wir die Förderpolitik verändern oder

ergänzen müssen, ausgehend von dem, was wir bislang geschaffen haben?

Letzter Satz: Das, was wir geschaffen haben, führt noch einmal gesagt zu einem Erfolg, der uns mit gutem Gewissen sagen lässt: Nirgends haben ausländische Jugendliche eine so gute Chance zu Studium und beruflicher Bildung wie in Baden-Württemberg,

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Eine solche Hybris! Abg. Wintruff SPD: Das ist doch aus der Luft ge- griffen! Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

gemessen an einer Tatsache, die nicht aus einer ministeriellen Pressestelle stammt, nämlich gemessen an der niedrigen Ziffer der Jugendarbeitslosigkeit in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP Abg. Capezzuto SPD: Da habe ich schon bessere Reden gehört!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Wonnay.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte doch einiges, was die Frau Ministerin zum Bereich der Elementarbildung gesagt hat, nicht unkommentiert stehen lassen.

Die SPD-Landtagsfraktion hat nicht die PISA-Studie gebraucht und hat nicht die Erkenntnisse des Forums Bildung gebraucht, um sich des Bildungsauftrags des Kindergartens, der Tageseinrichtung für Kinder bewusst zu werden. Das ist übrigens etwas, was seit 1990 im Kinder- und Jugendhilfegesetz als Auftrag uns allen aufgegeben ist.

(Beifall bei der SPD Abg. Zeller SPD: So ist es!)

Wir haben ganz bewusst für eine Neuformulierung des Kindergartengesetzes, die ja zum Ende des Jahres ansteht, als ein ganz wesentliches Element die Stärkung des Bildungsauftrags und die Rahmenbedingungen, die dazu notwendig sind, ins Visier genommen. Das ist etwas, was in Baden-Württemberg überfällig ist.

Frau Ministerin, Sie haben etwas zur Reform der Erzieherinnenausbildung gesagt. Das ist ein Thema, das wirklich in Baden-Württemberg eine nahezu unendliche Geschichte hat. Ich bin jetzt seit zehn Jahren in diesem Haus und besuche seit zehn Jahren Fachdiskussionen, in denen von allen relevanten Seiten von den Trägern der Kindergärten, von den Schulen, vonseiten der Wissenschaft, von den Berufsverbänden diese Reform der Erzieherinnenausbildung gefordert wird. Andere europäische Länder, Frau Ministerin, haben uns vorgemacht, dass sie bewusst diesen Weg gegangen sind, weil sie sich darüber im Klaren sind, dass im Kindergarten das Fundament gelegt wird. Da möchte ich unseren Bundespräsidenten zitieren, der in seiner Abschlussrede zum Forum Bildung eindringlich dafür geworben hat, dass man weniger das Dach des Bildungshauses in den Blick nimmt, sondern dass man dafür sorgt, dass das Fundament stark ausgebaut ist. Von dieser wichtigen Annahme ausgehend haben sich andere europäische Länder

und auch andere Bundesländer dafür entschieden, dem Grundsatz gerecht zu werden, der da heißt: „Die Kleinsten brauchen die Feinsten“, und entsprechend in die Reform der Erzieherinnenausbildung zu investieren. Ich bin gespannt, wann endlich Sie haben uns das ja angekündigt Ihr Entwurf den Blickpunkt einer breiteren Öffentlichkeit erreichen wird. Ich bedauere außerordentlich, dass die Regierungsfraktionen eine diesbezügliche Anhörung im Schulausschuss abgelehnt haben. Das wird in den nächsten Monaten etwas ganz Wesentliches sein.

Frau Ministerin, Sie haben von einer besseren Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule gesprochen. Das ist etwas, was wir nachdrücklich unterstreichen. Dazu passt allerdings nicht, wenn Sie die Stunden, die dafür zur Verfügung stehen, zusammenstreichen. Dann stimmt das, muss ich sagen, was Sie mit Worten ankündigen, nicht mit dem überein, was Sie an Taten praktizieren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Ich hoffe sehr, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, dass wir mit dem Rückenwind aus der Delphi-Studie, mit dem Rückenwind des Forums Bildung und mit dem Rückenwind der PISA-Studie endlich dazu kommen, eine gemeinsame Anstrengung zu machen, der Elementarbildung den Stellenwert zu geben, den unsere Kinder brauchen.

Wir hatten am Samstag hier in diesem Haus eine fantastisch besuchte Veranstaltung mit Frau Dr. Donata Elschenbroich, die das Buch vom „Weltwissen der Siebenjährigen“ verfasst hat. Sie hat uns noch einmal eindrücklich nahe gebracht, wie wichtig es ist, die Schätze, die in unseren Kindern stecken, wirklich zu heben. Wir sollten gemeinsam dafür sorgen, dass die Voraussetzungen dafür in diesem Land besser werden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen Abg. Heinz CDU: Noch besser!)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich lasse zuerst über den Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/925, abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.

(Abg. Margot Queitsch SPD: Dem Nichts-Antrag stimmen wir zu!)

Gegenprobe! Enthaltungen? Der Antrag ist mit großer Mehrheit bei einigen Enthaltungen angenommen.

Meine Damen und Herren, wir haben noch über den Antrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 13/168, abzustim

men. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! Der Antrag wurde abgelehnt.

Damit ist Tagesordnungspunkt 7 erledigt.

Wir kommen zu Punkt 8 der Tagesordnung:

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu der Mitteilung der Landesregierung vom 5. März 2002 Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“; hier: Berichtigte Anmeldung des Landes zum Rahmenplan 2002 Drucksachen 13/816, 13/861

Berichterstatterin: Abg. Heike Dederer

Darf ich davon ausgehen, dass Sie der Beschlussempfehlung zustimmen? Ich sehe keine Gegenstimmen. Die Beschlussempfehlung ist angenommen.

Wir kommen zu Punkt 9 der Tagesordnung:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kunst zu der Mitteilung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 4. März 2002 Unterrichtung des Landtags in EU-Angelegenheiten; hier: Gemeinsamer Standpunkt des Rates zum 6. Forschungsrahmenprogramm (2002 bis 2006) Drucksachen 13/822, 13/874

Berichterstatter: Abg. Dr. Klunzinger

Sie stimmen der Beschlussempfehlung zu.

Wir kommen zu Punkt 10 der Tagesordnung: