Protocol of the Session on March 7, 2002

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Kretschmann?

Natürlich.

Frau Präsidentin, könnten Sie mir in Ihrer unendlichen Fürsorge ein Glas Wasser besorgen lassen?

Selbstverständlich, Herr Minister.

Herr Minister, Sie haben versucht, uns als Umfaller darzustellen,...

Nein, nicht als Umfaller.

... als Leute, die ihre Prinzipien aufgeben.

Als jemand, der seine Prinzipien aufgibt, um an der Macht zu bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Aber nach Ihren jetzigen Ausführungen sind wir dagegen besonders raffiniert und haben ein Gesetz vorgelegt, das etwas ganz anderes meint, als in ihm steht, wobei Sie mir als Jurist einmal erklären müssten, wie so etwas funktionieren soll.

Nun habe ich aber doch ernsthaft die Frage: Halten Sie es für eine Regierungspartei, die die Absicht hat, einem Einwanderungsgesetz zur Mehrheit zu verhelfen, wobei sie weiß, dass sie dazu im Bundesrat eine Mehrheit braucht, für unadäquat, dass sie, wie in der Demokratie üblich, zu Kompromissen bereit ist, um so ihr Ziel zu erreichen? Halten Sie das wirklich ernsthaft für prinzipienlos?

Ich halte einiges, was die Grünen in letzter Zeit getan haben, wirklich für prinzipienlos. In diesem Fall ist aber die Betonung, wie ich vorhin ausgeführt habe, anders. Ich sage: Bundesinnenminister Schily und damit die Bundesregierung die Verantwortung tragen natürlich auch die Grünen; denn jetzt liegt uns der Regierungsentwurf in der durch die Änderungsanträge der beiden Regierungsfraktionen von Rot und Grün geänderten Form vor geben mit dem Gesetz etwas anderes vor, als in dem Gesetz wirklich steht.

Das Problem ist: Das Gesetz ist in der Überschrift und in der Signalwirkung sehr plakativ angelegt. Sie müssen sich die Mühe machen, in einer unglaublichen Arbeit anhand der Einzelvorschriften herauszudestillieren, was wirklich gemeint ist. Das allerdings ist unsere Aufgabe, und wir versuchen, ihr als Landesregierung gerecht zu werden.

Deshalb komme ich auf die weiteren Punkte. Ich will kurz den Kollegen Schönbohm erwähnen, der da braucht man gar nicht darum herumzureden; ich sagte ja, ich spiele mit offenen Karten in keiner einfachen Situation ist. Die Brandenburger das wird vermutlich auch Herrn Stolpe etwas tangieren; aber ich kann es expressis verbis gemünzt auf den Kollegen Schönbohm sagen sehen bei dem Thema Zuzug natürlich auch, dass wir inzwischen, wenn ich es richtig im Kopf habe, bei einer Arbeitslosenzahl von 4,3 Millionen angelangt sind und dass deshalb das Argument, man brauche Zuzug, im Grunde genommen von Woche zu Woche dramatisch in sich zusammenfällt.

Ich will eines hinzufügen, und das räume ich sowohl in der Öffentlichkeit als auch in bilateralen Gesprächen gerne ein: Wenn wir sagen, Herr Kollege Pfister ich glaube, da sind wir uns innerhalb der Koalition und der beiden Fraktionen, die sie tragen, auch wieder einig , wir müssten zunächst einmal die vorhandenen Arbeitsplätze mit Einheimischen, insbesondere mit Arbeitslosen, ausfüllen, müssen wir auch hinzufügen das gehört einfach als Kehrseite der Medaille dazu : Wir müssen endlich unser Sozialsystem so umbauen, dass wir, was die Arbeitslosen angeht, zum Arbeiten motivieren und nicht zum Nichtarbeiten verführen. Das sieht man auch anhand dieses Beispiels.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für uns ist auch das Nachzugsalter ein wesentliches Thema, Herr Kollege Noll. Ich persönlich könnte mit einem Nachzugsalter von zehn Jahren leben.

(Abg. Birzele SPD: 16 ist die gegenwärtige Re- gel!)

Wir wollen ja eine Verbesserung. Ich persönlich könnte das Gesetz auch so akzeptieren, dass es nicht an zwölf Jahren scheitern würde, obwohl natürlich der Ministerpräsident völlig Recht hat. Eigentlich, Herr Kollege Birzele, haben Sie das vorher ja mittelbar auch so ausgedrückt.

Niemand kann bestreiten, dass es für die Integration gut ist, wenn die jungen Menschen so früh wie möglich nach Deutschland kommen. Das kann man ja nicht bestreiten.

(Beifall bei der CDU Abg. Drexler SPD: Das be- streitet niemand! Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE Abg. Theresia Bauer GRÜNE meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Vielleicht warten Sie, Frau Kollegin Bauer, noch einen Augenblick mit Ihrer Zwischenfrage. Ich will auf ein weiteres Beispiel hinaus, mit dem erneut der Placebocharakter des Gesetzentwurfs deutlich wird, und zwar auch beim Nachzugsalter.

Jetzt sind wir, glaube ich, bei zwölf Jahren vorher waren es 14 , wenn ich das richtig im Kopf habe.

(Minister Dr. Schäuble)

(Abg. Birzele SPD: Um der CDU entgegenzukom- men!)

Ja. Aber ist es denn ein Entgegenkommen Herr Birzele, wenn ich Sie einfach wieder dankend als Stichwortgeber aufgreifen darf , wenn letztendlich so viele Hintertüren offen bleiben, dass beim Nachzugsalter künftig auch die jungen Leute bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs kommen können, wenn es ausreicht, dass sie ausreichende Sprachkenntnisse nachweisen? Das ist doch Rosstäuscherei, meine sehr verehrten Damen und Herren. Da kann man doch nicht von zwölf Jahren reden.

(Beifall bei der CDU Zuruf des Abg. Birzele SPD)

Jetzt, bitte, Frau Bauer, nehmen Sie zur Kenntnis: Ausreichende Sprachkenntnisse reichen bereits aus. Ich nenne ein Beispiel:

(Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Ich habe gerade erlebt, wie ein junger Mensch für eine Auswanderung nach Australien und für die Möglichkeit, in Amerika zu studieren, bei der Carl Duisberg Gesellschaft einen Sprachtest auf Englisch machen musste. Was da verlangt wird! Und hier reichen ausreichende Sprachkenntnisse aus. Das kann es nicht sein.

(Beifall bei der CDU Zuruf der Abg. Inge Utzt SPD)

Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es gerade beim Familiennachzug nicht darum geht, ob die Menschen an einer Universität

Frau Abg. Bauer, ich bitte Sie, wenn Sie eine Zwischenfrage stellen wollen, zunächst abzuwarten, ob ich Ihnen das Wort erteile.

(Abg. Kiefl CDU: Man versteht ohnehin überhaupt nichts!)

Entschuldigung! Ich habe gedacht, er hätte mir vorher das Wort erteilt.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Minister Dr. Schäuble, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich möchte mich bei der Frau Präsidentin entschuldigen.

Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es bei der Frage des Nachzugsalters nicht darum geht, ob die jungen Menschen mit ihren Deutschkenntnissen studierfähig sind, sondern um das Recht, zusammen mit ihren Eltern zu leben?

(Zurufe von der CDU)

Sind Sie zweitens bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Personengruppe, um die es da geht, bundesweit um die 3 000 Fälle umfasst und nicht mehr?

Und sind Sie wirklich der Überzeugung, dass das ein Grund sein kann, an einem solchen Punkt eine Einigung scheitern zu lassen?

(Abg. Fleischer CDU: Das gilt aber auch für unse- re Argumentation, diese 3 000!)

Und sind Sie

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Wir sind Ihnen ja schon entgegengekommen, Stückchen für Stück- chen! Zuruf des Abg. Fleischer CDU Abg. Drexler SPD: Die Mehrheit im Bundesrat haben Sie nicht, Herr Fleischer! Weitere lebhafte Zuru- fe Glocke der Präsidentin)

Das Wort hat der Herr Minister.

(Unruhe)

Und sind Sie, wenn ich bereit bin, dies alles zur Kenntnis zu nehmen, bereit, umgekehrt zur Kenntnis zu nehmen, dass ich vorhin nicht nur von der Frage der Studienberechtigung gesprochen habe, sondern zum Beispiel auch genannt habe, was notwendig ist, wenn jemand nicht nach Australien geht, um dort zu studieren, sondern nach Australien auswandern will? Sind Sie außerdem bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich dieses Beispiel zum Thema des Familiennachzugs abgesehen davon, dass wir aus einer Vielzahl von Gründen das Gesetz für problematisch halten gegriffen habe, um ein weiteres Mal deutlich zu machen, dass der Regierungsentwurf, wie er uns jetzt nach den Änderungsanträgen von Rot-Grün vorliegt, einfach nicht ehrlich gemeint ist, sondern Placebocharakter hat? Deshalb habe ich dieses Beispiel gebracht.

(Zuruf der Abg. Inge Utzt SPD)

Man täuscht, man redet den Leuten in Deutschland ein, die Familienangehörigen dürften maximal bis zum Alter von zwölf Jahren nachziehen. In Wirklichkeit wird natürlich der Löwenanteil bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres kommen. Das ist die Unredlichkeit.

(Beifall bei der CDU Abg. Seimetz CDU: Täu- schung! Tricksen und täuschen! Abg. Birzele SPD: Falsch! Sie werfen den Kirchen Unredlich- keit vor! Sie sind eindeutig im Widerspruch zur Bischofskonferenz und zur EKD! Die haben das gefordert! Abg. Seimetz CDU: Der Birzele kommt jetzt ins Domkapitel! Abg. Fleischer CDU: Fragen Sie einmal Ihren Pfarrer, Herr Birze- le! Unruhe)